Poststrukturalismus
Der Poststrukturalismus ist eine geisteswissenschaftliche Denkrichtung, die sich auf den Strukturalismus bezieht. Sie weist einerseits den Strukturalismus zurück, bleibt andererseits jedoch mit ihm verbunden.Das Wesensmerkmal des Poststrukturalismus ist die (eigentlich strukturalistische) Dekonstruktion von Modellen der Wirklichkeit (Dekonstruktivismus).
Die Dekonstruktion ist keine Methode, sondern nach Jacques Derrida eine Praxis. Dies bedeutet, sie muss nach dem jeweiligen Gegenstand immer anders verfahren und ist nicht immer gleich anwendbar. Dennoch kann man grob gesagt zwei Bewegungen ausmachen: Die erste ist die Umkehrung z.B. von binären Unterscheidungen, die zweite die Verschiebung der ganzen Logik. Bliebe man bei der ersten Bewegung stehen, würde wieder eine neue Hierarchie aufgebaut, darum betont Derrida, dass die zweite Bewegung der Verschiebung unbedingt notwendig ist. Hinzu kommt, dass eine Dekonstruktion eigentlich nie abgeschlossen ist, da sich immer wieder binäre Logiken herstellen. Interessant ist die Praxis der Dekonstruktion nicht nur, wenn man sie auf Texte (im geläufigen Sinn) anwendet, sondern auch für sozialwissenschaftliche Theorien, die sich mit Identitäten oder Identifizierungen beschäftigen wie zum Beispiel die queer theory oder die feministischen Theorien (Judith Butler) oder Kulturtheorien. Hier werden anhand der Praxis der Dekonstruktion die Stabilitäten und Wesenheiten von Identitäten hinterfragt, und man sucht nach neuen politischen Wegen.
Vielfach wird der Dekonstruktion auch eine ethische Komponente zugesprochen, da sie die Beziehung zum Anderen eröffnet, zu einem bislang Ungedachten oder Ausgeschlossenen. Die Ethik der Dekonstruktion geht mit ihrem Ethikbegriff zurück auf die Philsophie von Emmanuel Lévinas.
Literatur:
- Stephan Moebius, 2003: Die soziale Konstituierung des Anderen. Grundrisse einer poststrukturalistischen Sozialwissenschaft nach Lévinas und Derrida. Frankfurt/New York: Campus