Positivismusstreit
In den 1960er Jahren wurde vor allem im deutschen Sprachraum der Positivismusstreit ausgetragen. Es ging hierbei um Fragen der Erkenntnistheorie und deren moralischen Implikationen. Die Ursprünge dieses Streits liegen jedoch schon in den 1940ern, in denen der junge Adorno den Erfahrungsbegriff und die Konzeption der Logik des Wiener Kreises in seinem Aufsatz "Der neueste Angriff auf die Metaphysik" (1937) kritisiert.Auf der einen Seite standen die als 'Positivisten' Bezeichneten wie Karl Popper und Hans Albert, auf der anderen die dialektischen Vertreter der Frankfurter Schule, auch unter Kritische Theorie bekannt, wie Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas. Der Positivismusstreit ist eng verbunden mit dem Werturteilsstreit und dem Methodenstreit seit den Anfängen der Soziologie.
Als "Gewinner" in der nichtfachlichen Öffentlichkeit ging der Konstanzer Soziologe Ralf Dahrendorf aus dem Streit hervor. Er konnte seine moderate Sichtweise zwischen den Lagern Poppers und Adornos gut hervorbringen.
Popper forderte gemäß seiner Theorie des kritischen Rationalismus, dass eine Theorie nur dann wissenschaftlich ist, wenn sie falsifizierbar, das heißt widerlegbar bleibt. Damit kann man sich an die zugrunde liegende Realität durch Erfahrung nur annähern. Dies gilt auch für die Sozialwissenschaften.
Die Vertreter der dialektischen Position kritisierten die Nichtbeachtung der Werturteile. Kann es überhaupt wertfreie Erfahrungstatsachen geben? Grundlegend für die gesellschaftliche Analyse ist für die Vertreter der Frankfurter Schule das "Wesentliche". Es soll also das Wesen der Gesellschaft analysiert werden und nicht einzelne Teilbereiche, wie Adorno es dem Soziologen Ralf Dahrendorf vorwirft. Soziologie soll gesellschaftliche Misstände aufdecken und nicht nur wertfrei, deskriptive Analysen liefern.
Die Debatte innerhalb der Soziologie ist zwar bis heute noch nicht abgeschlossen, jedoch "erkaltet". Die Vertreter dialektischer Theorien und des Popperschen kritischen Rationalismus treffen sich inzwischen auf einer pragmatischen Analyseebene.