Portativ
Das Portativ (v. lat.: portare, tragen) ist neben dem Regal der kleinste Typ der (Pfeifen-)Orgel. Im Gegensatz zum Regal, das Zungenpfeifen besitzt, ist das Portativ ausschließlich mit Lippenpfeifen ausgestattet.Von allen größeren (Pfeifen-)Orgeltypen einschließlich des Orgelpositivs unterscheidet sich das Portativ durch den geringeren Tonumfang, der zwei Oktaven kaum überschreitet, und das Fehlen der Möglichkeit, es zu "registrieren", das heißt durch das Ziehen, Abstoßen und Kombinieren verschiedenen Pfeifenreihen unterschiedliche Klangfarben zu erzeugen.
Ein wesentlicher Unterschied zu allen anderen Orgeltypen einschließlich des Regals ist auch die Position der Klaviatur im Verhältnis zum Spieler. Der Spieler stellt das Portativ im Sitzen auf seinen Schoß, oder er trägt es im Stehen an einem Riemen über seiner Schulter. Er bedient die Klaviatur ausschließlich mit der rechten Hand, während er mit der linken Hand die Bälge betätigt, die den Pfeifen Wind zuführen. Die Klaviatur ist deshalb im Vergleich zu allen anderen Orgeltypen um 90° gedreht.
Das Portativ ist ein historisches Musikinstrument, das seine Blütezeit im Mittelalter und in der Renaissance hatte. Im Barock wurde es aus der Musizierpraxis verdrängt. Obwohl das Portativ auf vielen Werken der Malerei und der bildenden Kunst als Musikinstrument dargestellt ist, das von Engeln gespielt wird, wurde es kaum in der Kirchenmusik verwendet. Die meisten Portativspieler waren Spielleute.
Das äußere Erscheinungsbild des Portativs ist stets unsymmetrisch. Die Pfeifen sind in der Folge der chromatischen Tonleiter angeordnet und stehen im kürzestmöglichen Abstand zur jeweiligen Taste der Klaviatur auf der Windlade. Die Spielmechanik ist deshalb denkbar einfach konstruiert: Kleine Stifte unter der Klaviatur, die sogenannten "Stecher", wirken direkt auf die Spielventile unter den Pfeifen.
Seit der Wiedereinführung des klassischen Windladensystems, der mechanischen Schleiflade, in den 1930er Jahren wird das Portativ wieder häufig gebaut, und zwar als Gesellenstück von Orgelbauern, die an diesem kleinen und im Vergleich zur großen Orgel viel preisgünstiger herstellbaren Instrument alle wesentlichen handwerklichen Fähigkeiten des Orgelbauers beweisen können.
Als moderne Variante des Portativs gibt es seit 2001 das tonhöhenverstellbare Portativ, das eine Stimmvorrichtung für jede einzelne Pfeife besitzt. Es wird vor allem in der Musikausbildung eingesetzt und dient dem Erlernen einer sauberen Intonation sowie dem Verständnis historischer Stimmungssysteme.
Hans Hickmann: Das Portativ. Ein Beitrag zur Geschichte der Kleinorgel, Kassel 1936
Literatur