Politisch korrekt
Ursprünglich war der Begriff politisch korrekt eine positiv gemeinte Bezeichnung für die loyale Unterstützung einer politischen Partei, und wandelte sich später zu einer ironisch überspitzten Bezeichnung für "übertriebene Parteitreue".
Table of contents |
2 Gegenwart 3 Beispiele für Formulierungen der PC 4 Kritik an PC 5 Literatur 6 Siehe auch 7 Weblinks |
Seit den 1980er Jahren wurden mit dem Begriff "political correctness" (Abk. pc oder PC) die sogenannten speech codes bezeichnet, die an den nordamerikanischen Universitäten quasi per Verordnung eingeführt wurden. Die Absicht hierfür war die sprachliche Würdigung ethnischer, kultureller und sexueller Unterschiede.
Mit der zunehmenden Durchsetzung solcher vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Sprachnormen in den Massenmedien - und damit in der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung - setzte seit etwa Mitte der 1980er Jahre, und verstärkt in den 1990er Jahren, eine zunehmende Kritik an der oftmals als sprachliche Bevormundung empfundenen PC ein.
So wurde der Begriff "political correctness" bzw. "politisch korrekt" zunehmend ironisch und/oder abwertend verwendet und als Begriff negativ besetzt. Die negative Konnotation wird verstärkt durch die einstmals unglückliche Begriffswahl, die einen intoleranten Alleinvertretungsanspruch auf "Korrektheit" suggeriert und unausgesprochen alles davon Abweichende als "inkorrekt" brandmarkt.
Heute wird der Begriff "politisch korrekt" ("Political Correctness", "PC", wahlweise "pie-ßie" oder "pee-tsee" ausgesprochen) von einigen im ursprünglichen Sinne, von anderen ironisch gebraucht.
Hinter der Idee der politischen Korrektheit steht die Einschätzung der Sprache als Ergebnis einer laufend "fortgeschriebenen" sozialen Konvention. Die Gesellschaft formt die Sprache und diese hat wiederum Einfluss auf die Denkprozesse und Vorstellungswelten der Menschen, die die Gesellschaft formen. (siehe auch: Sapir-Whorf-Hypothese)
Deshalb, argumentieren Befürworter politischer Korrektheit, könne die Sprache entweder Hierarchien tradieren und verfestigen oder als Mittel sozialen Protestes eben diese Hierarchien untergraben. Da die Sprache (Wortwahl etc.) einen Einfluss auf die Vorstellungen der rezeptierenden Personen hat, könne über die Wortwahl und Sprache "Veränderungen in den Köpfen" hervorgerufen werden. Sprache wirke als Beeinflussung des Denkens - dieser Prozess müsse bewusst und sichtbar gemacht werden.
Konkret werden als "politisch korrekte Sprachnormierungen" Bemühungen bezeichnet, im Sprachgebrauch die Benachteiligung verschiedener sozialer Gruppen (Frauen, Angehörige bestimmter ethnischer, religiöser oder sozialer Minderheiten) aufzuheben und so einen Bewusstseinswandel herbeizuführen, der wiederum zu einer kulturellen Veränderung und der realen Aufhebung von Diskriminierungen führen soll. Andererseits soll PC helfen, direkte Diskriminierung über die Sprache zu verhindern, etwa durch die Nichtbenutzung von als diskriminierend empfundenen Formulierungen wie "Krüppel" statt "Behinderte". Vor allem in den USA verschieben sich auch solche Begriffe noch ins Positive, um den Fokus nicht auf den Mangel zu lenken, etwa "anders begabt" für "geistig behindert", "vertikal herausgefordert" (vertically challenged) für kleinwüchsig. Die Grenzen zu humorig gemeinten Formulierungen sind hier allerdings fließend, so Kritiker der 'Political Correctness'.
Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff eher im verneinenden Sinne benutzt: Kaum jemand nimmt für sich in Anspruch, "politisch korrekt" zu sprechen oder zu schreiben, man sagt aber häufig, etwas sei "nicht pc".
Um Frauen sprachlich sichtbar zu machen, wird von manchen im geschriebenen Deutschen das Binnen-I verwendet: "ArbeitnehmerInnen". Andere vermeiden das generische Maskulin durch die Nennung aller Beteiligten (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) oder "neutraler" Formulierungen wie "Arbeitnehmende" oder "Mitarbeitende".
Bezüglich der Benennung Angehöriger bestimmter Volksgruppen sind die Massenmedien - in Abweichung vom tradierten Sprachgebrauch - dazu übergegangen, deren als "politisch korrekt" gewertete Eigenbezeichnungen zu verwenden: "Sinti und Roma" oder gar "mobile ethnische Minderheit" statt der Bezeichnung Zigeuner, Inuit statt Eskimo.
Mitunter haben die Bemühungen um "politische Korrektheit" neue, nicht nur sprachliche Probleme geschaffen. So werden im letzteren Fall durch das Herausheben zweier Gruppen der Zigeuner (korrekter eine Gruppe plus der Oberbegriff) die anderen zahlreichen Gruppen neuerlich zurückgesetzt. Dass dafür jedoch die "politische Korrektheit" die Verantwortung trägt wird oftmals bezweifelt, da ja gerade die Tatsache, dass die Fremdbezeichnung 'Zigeuner' viele unterschiedliche Gruppen in einen negativ besetzen Wort subsumierte, erst durch die politisch-korrekte Sprachwandlung allgemeine Aufmerksamkeit erlangte.
Auch so genannte Behindertenorganisationen beteiligten sich an der Diskussion: es wurde reflektiert, wieweit die Bezeichnung "Behinderung" eine Wertung beinhalte, zugleich aber wenig darüber aussage, in welcher Art, beziehungsweise wodurch ein Mensch "behindert" sei, so etwa durch die Umgangsweise der so genannten "Nichtbehinderten".
Viele Vertreter der PC betonen auch die Wichtigkeit der Diskussion und sehen die Entwicklung sprachlicher Sensibilität als wichtiger an als die Schaffung normativer Regeln. Diese Sensibilität bewirke erhöhte soziale Kompetenz und Aufmerksamkeit gegenüber sprachlichen Stereotypen einerseits und benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen andererseits.
Auf die bei dieser Wortwahl nicht ausbleibenden sprachlichen Komplikationen weist u. a. Max Goldt hin, der feststellt, dass etwa im Falle eines Massakers an einer Uni der Ausdruck "sterbende Studierende" wohl kaum passend wäre bzw.: "Man kann nicht sagen: In der Kneipe sitzen biertrinkende Studierende."
Auch werden beispielsweise verweiblichte Formen fast ausschliesslich bei positiv besetzen Begriffen verwendet. Kaum jemand spricht von TerroristInnen, von Straftäterinnen wird auch nur gesprochen, wenn es sich ausschliesslich um Frauen handelt.
Slavoj Žižek weist darauf hin, dass sich politisch korrekte Begriffe "abnutzen", wenn sie mit einer gewissen Aggressivität weiter benutzt werden.
So sei durch eine fortwährende Neuschöpfung von Ersatzbegriffen wie in dem Beispiel "Negro - black people - coloured people - Afro-Americans" nichts gewonnen, wenn nicht den Worten eine tatsächliche Integration folgt (Siehe auch Euphemismus-Tretmühle).
Der heutige "Exzess" der politischen Korrektheit enthülle die Unfähigkeit, die tatsächlichen Ursachen von Rassismus und Sexismus zu überwinden.
Žižek meint, dass die Geisteshaltung der politischen Korrektheit versucht, alle Spuren der Begegnung mit "dem Realen" zu beseitigen.
Die Barbarei des Westens zeigt sich seiner Meinung nach in der Gleichgültigkeit, mit der bei Polizeiaktionen der NATO tote Zivilpersonen als unvermeidliche Kollateralschäden in Kauf genommen werden.
Frigga Haug kritisiert pc, sofern es nur einen Streit um Symbole darstellt und nicht für einen größeren, politischen Streit um Emanzipation steht: Es gelang fast überall, die Legitimität der kulturellen Kämpfe umzudeuten in einen illegitimen Fundamentalismus. Die solcherart Angegriffenen schlugen auf der gleichen Ebenen zurück und verhalfen damit dem Fundamentalismusvorwurf zu Rang und Würden. Sie meint, dass sich pc schon von einem politischen Kampf entfernt hat: Die Ablösung als bloße Sprachpolitik [...] war einer der Hauptsiege im ideologisch-kulturellen Feld selbst, den die konservative Rechte in den letzten zehn Jahren erzielte. (Haug 1996)
Auch Wolfgang F. Haug wendet sich gegen "politisch korrekte Sprachnormierungen": er plädiert statt dessen für Spracharbeit, als Gegenpunkt zu jeder Statik einer Sprachregelung, der einer Verbeamtung der Sprache und einer Schaffung einer künstlichen Gegenwelt mit adminstativen Mittel (Verena Krieger zit. n. Haug 1999) zugrundeliegt. Einer normativen Regelung zieht er die Kritik mit Witz vor.
Doch gerade diese Beeinflussung des Denkens über das Unterbewusstsein - so Kritiker der "Political Correctness" - ermögliche vielfältige Manipulationen durch Sprachnormierungen ("PC-Neusprech").
Begriffsentwicklung
Gegenwart
Beispiele für Formulierungen der PC
Kritik an PC
Literatur
Siehe auch
Weblinks