Pierre Gassendi
Pierre Gassendi (* 22. Januar 1592 in Champtercier, Provence, Frankreich; † 24. Oktober 1655 in Paris, Frankreich; auch Petrus Gassendi, eigentlich Pierre Gassend) war ein französischer Philosoph, Theologe, Mathematiker, Astronom und Physiker.
Er besuchte die Schule in Digne von 1599 bis 1606 setzte dann seine Ausbildung zu Hause fort, die von seinem Onkel überwacht wurde. 1608 betrat er die Universität von Aix, in der er zwei Jahre Philosophie und danach zwei weitere Jahre Theologie studierte.
Von 1612 bis 1614 war er hauptsächlich an der Hochschule von Digne tätig, danach empfing er den den Titel eines Doktors der Theologie in Avignon und wurde 1615 ordiniert. Er war bereits 1614 zum Priester an der Kirche in Digne ernannt worden. Er blieb in dieser Stellung bis 1634, als er zum Dekan ernannt wurde.
Zusätzlich zu diesen Ämtern in der Kirche wurde Gassendi 1617 zum Professor der Philosophie an der Universität von Aix ernannt. Diese Lehrtätigkeit dauerte nur bis 1623, als ein Jesuit die Kontrolle der Universität von Aix nahm und er zum Gehen gezwungen wurde. Er besetze keine weitere akademischen Stellung bis 1645, als er zum Professor der Mathematik am Collège Royale in Paris ernannt wurde.
Gassendi traf Marin Mersenne zuerst 1624, als er Paris besuchte. Mersenne versuchte, ihn zu überzeugen, Mathematik und Theologie zugunsten der Philosophie aufzugeben.
Johannes Kepler hatte einen Durchgang des Merkurss für 1631 vorausgesagt und Gassendi konnte in dem Jahr als erster solch einen Vorgang beobachten.
Seine erste philosophische Veröffentlichung war Paradoxicae exercitationes (1624), eine Zusammenfassung seiner Vorträge in Aix. 1649 veröffentlichte er Animad versiones, ein Arbeit über Epikur.
Gassendi stirbt 1655 in Paris im Hotel Montmor. Seine Philosophische Abhandlung (Syntagma Philosophicum(?)) wurde drei Jahre nach seinem Tod veröffentlicht.
1617 Arbeiten über die Kritik am Aristotelismus.
1624 Veröffentlichung des ersten Teil seiner Kritik des Aristotelismus:
Exercitationes Paradoxicae Adversus Aristoteleos. Sechs weitere Teile solllten erscheinen, aber nur der zweite Teil wird beendet und wird nach seinem Tode veröffentlicht.
1625 Kurzer Besuch in Paris und hier wird die Freundschaft mit La Mothe Le Vayer und Marin Mersenne geschlossen.
1628 Besuche in Flandern und Holland und Treffen mit führenden Gelehrten und Wissenschaftlern.
1632 Enge Freundschaft und Zusammenarbeit mit Nicolas-Claude Fabri de Peiresc (1580 - 1637).
1634 Nachdem einige Jahre in Paris und der Provence, die mit dem Schreiben von einigen wissenschaftlichen, philosophischen und theologischen Themen verbracht werden, wird Gassendi zum Dekan der Kathedrale in Notre Dame du Bourg gewählt.
1641 In Paris arbeitet er für Aufbau des französischen Klerus, während er auch Moliere in Philosophie unterrichtet. Auf Bitten von Mersenne veröffentlicht seine Einwände zu den Meditationen von Descartes.
1644 Veröffentlichung von Disquisitio Metaphysica, seine Erwiderung zur Antwort Descartes auf die Einwände Gassendis.
1647 Veröffentlichung von De Vita und Moribus Epicuri, ein Versuch über die Philosophie von Epikurs.
1648 Wegen der schlechten Gesundheit zieht er sich von der königlichen Hochschule zurück.
1649 Veröffentlichung von zwei weiteren Essays über Epikur.
Die Kritik des scholastichen Aristolelismus mündet direkt in Gassendis Atomistik, die den Kern seiner materialistischen Naturauffassung darstellt und sich auf die Lehre Epikurs stützt. Diese Hinwendung zu Epikur war nicht zufällig, sondern entsprach der Suche der antischolastischen, empiristischen, materialistischen orientierten Denker dieser Zeit nach philosophiehistorischen Anknüpfungspunkten.
Die Atome sind nach Gassendi Grundprinzipien der materiellen Erscheinungen, die einfachsten, unteilbaren und deshalb unzerstörbaren Elemente der Materie. Die Negation der Materie ist die unbewegliche und von den Veränderungen der materiellen Dinge unabhängige Leere.
Die Materie ist bei Gassendi durch für den Materialismus des 16 und 17. Jahrhunderts typischen Substanzmerkmale wie Größe, Masse, Figur, Dichte, Schwere, Undurchdringlichkeit und die Fähigkeit, zu berühren bzw. berührt zu werden, gekennzeichnet. Gassendis Atomistik geht von der Einheit der Materie und Bewegung aus. Die stete Aktivität der Materie entspringe einer inneren Bewegungsfähigkeit der Atome.
Andererseits - und damit geht er von Epikur ab und macht Zugeständnisse an die Kirche - ist Gassendi der Ansicht, die Atome seien von Gott geschaffen und mit Bewegung ausgestattet worden. Jede Bewegung lasse sich auf eine durch das Gewicht und die Schwere der Atome hervorgerufene Ortsveränderung zurüchführen.
Die ewige Materie gewinne in ihren Veränderungen stets neue Formen. Die Atome verketten sich zu Molekülen, aus denen wie aus "Samen" die Gegenstände, lebende und leblose Körper, entstünden. Durch seine chemischen Experimente wurde Gassendi in der Auffassung bestärkt, daß die verschiedenen Qualitäten der Körper der unterschiedlichen Anordnung der Atome zugeschrieben werden müssen und daß die Atome selbst unterschiedlich beschaffen sind.
Als Körperchen unterscheiden sich nach Gassendi die Atome von abtrakten mathematischen Punkten. Sie seien ein "Kleinstes", das durch keine natürliche Kraft zu zerlegen sei.
Bei der Erklärung des Übergangs von der unbelebten zur belebten Materie entwickelte Gassendi Überlegungen zum Umschlagen von Quantitäten in eine neue Qualität, die sich durch ihre materialistische Ausgangsposition grundlegend von der aristotelischen Idee der immateriellen "Entelechie" unterschied.
Gassendis Vorstellungen über Raum und Zeit schließen an die Besonderheit des epikureischen Atomismus an, Raum und Zeit als neben der Materie existierende, von ihr unterschiedene Formen der objketiven Realität zu betrachten, die immateriell und substanzlos sind und demzufolge nicht aus Atomen bestehen. Raum (die Leere) und Zeit (die Dauer) sind keine Akzidenzien und keine Substanzen.
Sie seien aufgrund ihrer Immaterialität der menschlichen Wahrnehmung verschlosssen. Dennoch existieren sie für Gassendi objketiv-real als unbewegliche, notwendige Vorbedingung der Selbstbewegung der Atome. Gassendis Auffasssunegn über Raum und Zeit dienten Isaac Newton und Robert Boyle als unmittelbare Anregung. Newton vor allem für die Konzeption des absoluten Raumes und der absoluten Zeit.
Nach Gassendi ist die Logik die Lehre vom richtigen Denken. Sie ist abiuncta a rebus (reine Logik) und coniuncta cum rebus (angewandte Logik).
Er erwies sich damit auch hier als Wiederhersteller des Epikureismus, der die Erreichung der Glückseligkeit zum Ziel des menschlichen Lebens erklärte.
Problematisch war und ist eine Einschätzung der religiösen Auffassungen Gassendis. In seinen Arbeiten finden sich zahlreiche Zeugnisse scheinbarer Treue zum christlichen Glauben. So sind die Atome zwar unzerstörbar und selbstbewegt, aber von Gott geschaffen. Neben die Unendlichkeit von Raum und Zeit setzt Gassendi diejenige Gottes, des "bewegungslosen Jetzt". Während er in seiner Polemik gegen Descartes die Unabhängigkeit der Seele vom Körper entschieden ablehnte, lehrte Gassendi in seinem Hauptwerk die Unsterblichkeit der menschlichen Seele. Es ist offensichtlich, dass solche Beteuerungen gerade dort auftauchen, wo Gassendis wissenschaftliche Überzeugungen den kirchlichen Dogmen offen widersprechen. Erinnert man sich noch an Gassendis persönliche und geistige Verbundenheit mit Galileo Galilei und Giordano Bruno, so scheint der theoretische Kompromiss mit den klerikalen Dogmen nicht von dem aufrechten Katholiken Gassendi, sondern von Gassendi als dem Anhänger epikureischer Vernünftigkeit getroffen zu sein. Sicher ist jedoch, dass Gassendi auf der Grundlage der Konzeption der "doppelten Wahrheit" neben religiösen Glaubensbekenntnissen eine Lehre hinterließ, die durch ihren konsequenten Materialismus materialistischen Denkern bis hinein in das 18. Jahrhundert bedeutende Impulse vermittelt hat.Leben
Arbeiten und weitere Lebensstationen
Philosophie
Die Widerbelebung der antiken Atomistik
Die Unterscheidung von belebter und unbelebter Materie
Die Vorstellung von Raum und Zeit bei Gassendi
Kritik an Descartes
Gassendi wies die Philosophie von René Descartes; zurück und hob die induktive Methode hervor. Er glaubte an den Atomismus und verteidigte eine mechanistische Erklärung der Natur. Aus der Behauptung "Ich denke" folge durchaus nicht, dass ich nur denke. Descartes' Grundprinzip sei also unbegründet. Es gibt nach Gassendi keine Substanz, die das Denken als ihre einzige Eigenschaft besäße. Die angeborenen Ideen sind nach Gassendi eine Fiktion. Die innere Reflexion liefere kein selbständiges Wissen. Alles Wissen entstehe aufgrund der sinnlichen Erfahrung. Die Ideen selbst vervollkommneten sich durch die Erfahrung. Auch eine angeborene Idee Gottes sei unmöglich, was allein dadurch deutlich würde, dass sich jeder Mensch Gott auf seine Weise vorstelle und ein Atheist gar keine Idee von Gott habe.Skeptizismus
Die oft umstrittene Frage nach dem Verhältnis Gassendis zum Skeptizismus ist nicht mit dem Hinweis darauf zu beantworten, dass der antike Skeptizismus von Pyrrhon und Sextus Empirikus und der der Renaissance, vertreten durch Montaigne und Charron, von Gassendi zu einer der Quellen seines Philosophierens erklärt wurde. Es muss viel mehr davon ausgegangen werden, dass der Skeptizismus für Gassendi ein willkommener Verbündeter im Kampf gegen den Dogmatismus der Scholastiker war. Er hat nichts gemein mit dem den Verstand und alles auf ihm beruhende Wissen verachtenden fideistischen Skeptizismus und Agnostizismus. Unter diesem Aspekt sind Gassendis Aussagen über die Unvollkommenheit des menschlichen Wissens und die Wahrscheinlichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis zu werten. Ethik und Religion
Die Ethik fasste Gassendi in seinem Hauptwerk Syntagma philosophicum als Kernstück seiner Philosophie auf, dem Logik und Physik untergeordnet sind.