Philosophie und Universität
Die Philosophie hat sich in weiten Teilen ihrer Geschichte außerhalb der Universität entwickelt. Nur in der Scholastik und dann wieder ab der Zeit des deutschen Idealismus ist die Philosophie fest an der Universität angesiedelt.Die Antike kannte zwar Philosophenschulen in den Traditionen von Platon und Aristoteles, diese waren aber nicht in einen allgemeinen Lehrbetrieb eingebunden, der auch Medizin oder Rechtslehre umfasst hätte.
Im Mittelalter, als sich die Universitäten im modernen Sinne ausbildeten, fungierte die Philosophie über weite Strecken als "Magd" der Theologie. Entsprechend verkam sie weitgehend zu einer Technik und wurde vielfach auf Logik und inhaltsleere Spekulation reduziert.
Spätestens mit Descartes verlässt die Philosophie die Umarmung der Universität und der in ihr herrschenden Thelogie. Leibniz, Locke, Hobbes, Hume, Bacon - alle grossen Philosophen nach Descartes und vor Kant haben außerhalb der Universität gelehrt und geforscht. Die Universität wurde von ihnen als beengend empfunden, nicht als ein Ort wo ein nur der Wahrheit verpflichteter Geist sich entfalten könnte.
Der deutsche Idealismus führt die Philosophie in die Universitäten zurück. Während in England John Stuart Mill noch außerhalb der Universität wirkt, gibt es in Deutschland eine lange Reihe von Professoren, die das Geschehen bestimmen: Kant, Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Schelling, Schopenhauer. Mit Nietzsche tritt aber bald wieder ein Philosoph auf, der die Universität eher als geisttötend empfindet. Eine Reihe der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts kommt ebenfalls nie in der Universität zurecht: Gottlob Frege, Ludwig Wittgenstein und Walter Benjamin. Nur Heidegger und die US-amerikanischen Philosophen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts können sich vorbehaltlos mit dem Universitätsbetrieb identifizieren.