Pflichtverteidiger
Als Pflichtverteidiger bezeichnet man im Strafprozess einen durch das Gericht dem Angeklagten beigeordneten Verteidiger im Gegensatz zum Wahlverteidiger, den der Angeklagte selbst benennt.Gesetzlich geregelt ist die Pflichtverteidigung in den §§ 140 ff. der Strafprozessordnung (StPO).
Damit sind bereits alle Angelegenheiten erfaßt, welche die Sicherheit des Staates betreffen, weil hier nach § 120 GVG die Anklage zum Oberlandesgericht erfolgen soll, sodann alle Kapitalverbrechen, in denen das Landgericht als Schwurgericht zuständig ist.
Weiter umfaßt die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts Fälle, in denen mit einer Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren zu rechnen ist, oder in denen der Umfang des Verfahrens eine Anklageerhebung vor dem Landgericht gebietet.
Die Fälle schwerer und schwerster Kriminalität gehören demnach bereits auf Grund dieser Vorschrift immer zu den Fällen notwendiger Verteidigung.
Der Begriff des Verbrechens nimmt hierbei auf die Definition in § 12 Abs. 1 StGB Bezug, demzufolge diejenigen rechtswidrigen Taten, die mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht sind, Verbrechen darstellen, im Gegensatz zu den Vergehen, die im Mindestmaß mit geringerer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht sind (§ 12 Abs. 2 StGB).
Der Begriff der Schwere der Tat meint dabei die zu erwartende Sanktion. Wann die Schwere der Tat die Mitwirkung eines Verteidigers gebietet, wird regional unterschiedlich beurteilt, es dürfte jedoch Konsens bestehen, dass bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von einem Jahr ein Verteidiger zu bestellen ist.
Ergibt sich erst später, dass ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt, ist der Pflichtverteidiger sofort zu bestellen.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ist eine Verteidigerbestellung bereits im Ermittlungsverfahren möglich (§ 140 Abs. 3 StPO).
Der zu bestellende Verteidiger soll jedoch möglichst aus der Zahl der bei dem zuständigen Gericht zugelassenen Rechtsanwälte ausgewählt werden (§ 142 Abs. 1 StPO). Dem Beschuldigten ist Gelegenheit zu geben, einen Anwalt seines Vertrauens zu benennen, der als Pflichtverteidiger beigeordnet werden soll. Das Gericht bestellt den benannten Verteidiger, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen (§ 142 Abs. 1 S. 3 StPO).
Unter besonderen Umständen kommt auch die Bestellung eines Rechtsreferendars in Betracht (vgl. § 142 Abs. 2 StPO).Notwendige Verteidigung
Ein Pflichtverteidiger wird nur in den Fällen der sogenannten notwendigen Verteidigung bestellt. Notwendige Verteidigung bezeichnet dabei eine Verfahrenslage, in der der Gesetzgeber davon ausgeht, daß der Angeklagte sich nicht selbst verteidigen kann. Liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, so muss ein Pflichtverteidiger bestellt werden, unabhängig davon, ob der Angeklagte sich eines Verteidigers bedienen möchte oder nicht. Gemäß § 140 StPO ist in folgenden Konstellationen ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben:Hauptverhandlung vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht
Die Mitwirkung eines Verteidigers ist immer dann notwendig, wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht stattfindet (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Verbrechen
Die Mitwirkung eines Verteidigers ist nach § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO auch immer dann erforderlich, wenn dem Angeklagten ein Verbrechen zur Last gelegt wird. Berufsverbot
Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt nach § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO weiter dann vor, wenn das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann. Die Voraussetzungen, unter denen das gegeben ist, sind in den §§ 70 ff. StGB geregelt.Längerer Freiheitsentzug
Nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO liegt gleichfalls ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn der Angeklagte sich aufgrund einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung wenigstens seit drei Monaten einer freiheitsentziehenden Behandlung unterziehen mußte.Unterbringung zur Gutachtenerstellung
Ebenfalls ist die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 1 Nr. 6 StPO notwendig, wenn der Beschuldigte zum Zwecke der Erstellung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand untergebracht werden soll.Sicherungsverfahren
Derjenige, gegen den ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird, bedarf gleichfalls eines Verteidigers (§ 140 Abs. 1 Nr. 7 StPO). Ein Sicherungsverfahren wird dann durchgeführt, wenn der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldunfähig im Sinne von § 20 StGB gewesen sein soll, aber eine isolierte Maßregel der Besserung und Sicherung verhängt werden muss, weil der Täter aufgrund seines Zustandes für die Allgemeinheit gefährlich ist.Verteidigerausschluß
Unter bestimmten Umständen kann ein Verteidiger von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden. Hierfür bestimmt § 140 Abs. 1 Nr. 8 StPO, dass dann ein Fall der notwendigen Verteidigung eintritt, so dass, wenn kein anderer Wahlverteidiger auftritt, dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt werden muss.Andere Fälle
Neben den Fällen des § 140 ABs. 1 StPO, in denen allein aufgrund eines bestimmten prozessualen Sachverhalts die Notwendigkeit der Verteidigung angeordnet wird, besteht notwendige Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO auch dann, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint, oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicth selbst verteidigen kann.Bestellung des Pflichtverteidigers
Gemäß § 141 Abs. 1 und 2 StPO ist der Verteidiger spätestens dann zu bestellen, wenn der Angeklagte zur Erklärung über die Angeklageschrift aufgefordert wird, wenn ihm diese also zugestellt wird und das Zwischenverfahren beginnt. Auswahl des Pflichtverteidigers
Zum Pflichtverteidiger kann grundsätzlich bestellt werden, wer nach § 138 Abs. 1 StPO als Wahlverteidiger auftreten kann, also ein Rechtsanwalt oder ein Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule.