Přemysliden
Die Přemysliden (tschechisch und slowakisch: Přemyslovci, als Attribut Přemysl) waren ein böhmisches Herrschergeschlecht. Sie regierten vom 9. Jahrhundert bis 1306 mit Unterbrechungen zwischen 890 und 894, sowie um 1000 in Böhmen. Anfangs regierten sie nur in Teilen Böhmens. Eine frühere Herrschaft ist historisch nicht belegt.Die Přemysliden herrschten zunächst als Fürsten und seit 895 (offiziell seit 1092) als Herzöge Deutschlands. Zwei von ihnen herrschten als Könige (von 1085 bis 1092 und von 1158 bis 1172). Nachdem Ottokar I 1198 zum König erhoben worden war, zunächst noch ohne das Recht, den Thron zu vererben, wurden die Länder der böhmischen Krone 1212 zum Königreich mit klassischer dynastischer Thronfolge.
Die von ihnen an Böhmen angeschlossenen Gebiete waren (in chronologischer Reihenfolge):
- in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts (nach 955) vorübergehend Schlesien und Kleinpolen. Details siehe unten (Schlesien wurde der böhmischen Krone nach dem Aussterben der Přemysliden in den Jahren von 1327 bis 1348 für mehrere Jahrhunderte wieder angeschlossen).
- 1019 bis 1027 sukzessive Mähren (den Großteil jedoch 1019)
- 1266 Eger (tschechisch Cheb) und Umgebung
- 1289 bis 1292 sukzessive Glatz (tschechisch Kladsko, polnisch Kłodzko) und Umgebung und Teschen (tschechisch Těšín, polnisch Cieszyn) und Umgebung (letzteres entspricht dem östlichen Tschechisch-Schlesien)
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Laut der (nicht ganz verlässlichen) Chronica Boemorum des Cosmas von Prag sind sie Nachkommen des sagenhaften Stammvaters Přemysl der Pflüger (tschechisch Přemysl Oráč), eines Stammesführers des Stammes ‘’Čechové‘‘, und seiner Frau Libussa (tschechisch Libuše). Cosmas hat auch Namen weiterer vorchristlicher Přemysliden überliefert.
Im 9. Jahrhundert zählten sie zu den böhmischen Lokalfürsten (duces). Ihr Sitz war die mittelböhmische Burgstätte Levý Hradec. Gegen Ende des 9. Jahrhundert sind sie auf die neu gegründete Prager Burg übersiedelt und begannen, Autorität über die Lokalfürsten des Moldau-Tals zu gewinnen. Irgendwann zwischen 880 und 885 wurde der erste historisch belegte Přemyslide Bořivoj I († um 888/889), im benachbarten Großmährischen Reich von Method getauft. Nach seinem Tod (888) oder im Jahre 890 wurde Böhmen unter Fürst Svatopluk († 894) aus der Dynastie der Mojmiriden vorübergehend an Großmähren angeschlossen, bis 894, nach Svatopluks Tod, Bořivojs Sohn Spytihněv I (894-915) die Herrschaft übernahm und auf Distanz zum Großmährischen Reich ging. 895 musste er dem Kaiser Arnulf von Kärnten Treue schwören, nach seinem Tod setzte sein Bruder Vratislav I (915-921) seine Politik fort.
929 oder 935 wurde Wenzel (tschechisch Václav) der Heilige (? - 929/935), der Sohn von Vratislav I und Drahomíra, von seinem Bruder Boleslav I und seinen Gefolgsleuten ermordet. Da Wenzel seit der 2. Hälfte des 10. Jahrhundert als heilig betrachtet wurde und bereits im 11. Jahrhundert zum Landespatron avancierte, galten sämtliche Fürsten Böhmens dann als seine irdischen Stellvertreter, und die für die Krönung von Karl IV im 14. Jahrhundert angefertigte böhmische Königskrone wurde als Wenzelskrone bezeichnet.
Die Regierungszeit von Boleslav I. (929/935-972) markiert die Begründung eines einheitlichen böhmischen Zentralstaates, wozu auch 973 die Errichtung des Bistums Prag unter Boleslav II (972-999) beitrug. Die letzten nicht přemyslidischen Lokalfürsten wurden meistens gewaltsam beseitigt. Als entscheidender Widersacher wurden von den Gefolgsleuten Boleslavs 995 die Slavnikiden (Slavníkovci) in Libice ermordet, womit die Vereinigung Böhmens vollzogen war. Nach 955 beherrschten die Přemysliden auch die Gebiete Schlesien und Kleinpolen, äußerst umstritten und nach herrschender Meinung eher unwahrscheinlich bleibt die zusätzliche Besetzung von Mähren und der Westslowakei (wenn, dann Mähren wohl zwischen 955 und 999 und die Slowakei wohl zwischen 955 und um 975).
Seit Ende des 10. Jahrhunderts verschärften sich die Spannungen gegenüber Polen. Im Zuge der Thronkämpfe zwischen Boleslavs Söhnen um 1000 gab es Interventionen Polens (Bolesław I. Chrobry) und des Deutschen Reiches, bei denen Polen Mähren, Schlesien und Kleinpolen eroberte. 1019 beendete Udalrich (Oldřich, 1012-1034) die polnische Besetzung Mährens, das damit auf Dauer Böhmen angeschlossen wurde. Böhmen und Mähren bildeten von da an jenen festen Kern des tschechischen Staates, den er nie mehr verlor.
Udalrichs Sohn Břetislav I (1035-1055) führte erfolgreich Krieg gegen Polen und war nach militärischen Auseinandersetzungen mit König Heinrich III Verbündeter des Reiches gegen Ungarn. Seine Nachfolge regelte Břetislav durch die Senioratsordnung (1055), wonach der jeweils älteste Přemyslid die Herrschaft ausüben sollte. Während seine ältesten Sôhne Spytihněv II (1055-1061) und Vratislav II (1061-1092) nacheinander herrschten (Jaromír/Gebhard wurde Bischop von Prag), regierten die jüngeren Söhne als Teilfürsten in Mähren: Konrad I († 1092) erhielt Brünn und Znaim, Otto I († 1087) und seine Nachfolger herrschten in Olmütz; ihre Ansprüche auf den Prager Thron verloren sie dadurch dennoch nicht.
1085/1086 erhob der deutsche König Heinrich IV Vratislav II als Belohnung für seine Hilfe gegen die Sachsen zum König (noch nicht erblich). Seine Nachfolger Konrad I. von Brünn (1092) und Břetislav II (1092-1100) mussten sich mit dem Herzogstitel begnügen.
1099 erreichte Břetislav II. die Anerkennung seines Halbbruders Bořivoj II (1101-1007 sowie 1117-1120) als Nachfolger, womit er erstmals gegen das Senioratsgesetz verstoßen hat. Versuche, das Seniorat durch die Primogenitur zu ersetzen, verschärften am Anfang und gegen Ende des 12. Jahrhunderts die Thronkämpfe. Die Gegnerschaft der beiden Prager Hauptlinien, die von den Brüdern Vladislav I (1109-1117 sowie 1120-1125) und Soběslav I (1125-1140), abstammten, hatte schwerwiegende Folgen. Die Auseinandersetzungen zwischen dem Zweig des Vladislav I (Vladislav II, Friedrich, Vladislav Heinrich, Ottokar I. Přemysl) und dem Zweig des Sobeslav I (Sobeslav II, Wenzel I) verschärften sich durch die Interventionen der mährischen Přemysliden (Udalrich von Brünn, Konrad II. von Znaim, Konrad III. Otto von Znaim) und anderer Thronanwärter (Depoltici/Theobalde, Heinrich Bretislav und andere). Die nicht aus Prag stammenden Přemysliden wurden auch einige Male Herrscher in Prag (Svatopluk II 1107-1109, Konrad II. Otto 1189-1191, Heinrich Bretislav 1193-1197), denn ihre Bemühungen trafen auf hartnäckigen Widerstand des Prager Hofs. Zudem hat sich bei den Thronstreitigkeiten auch das Deutsche Reich eingemischt, wobei vor allem Vladislav II (1140-1172) 1158 den Königstitel erhielt, der aber wieder nicht auf seine Nachfolger überging (vergleiche Vratislav II). Im 12. Jahrhundert schlossen die Přemysliden Ehen mit Piasten (Polen), Arpaden (Ungarn), Wettinern und Babenbergern, aber auch mit den Familien der Grafen von Bogen, von Berg und den Wittelsbachern. Die mährischen Přemysliden unter anderem mit den Herrscherdynsatien in Russland und Serbien. Insgesamt wurden dadurch die Kulturbeziehungen Böhmens zu den Nachbarländern verstärkt.
Mit Herzog Wenzel II († um 1192) erlosch der Zweig des Sobeslav I, und um 1200 starben die meisten mährischen Přemysliden aus. Ihr letzter Vertreter war Siffrid († 1227, Kanoniker in Olmütz). Der Herzog Ottokar I. Přemysl (1192-1193 sowie 1197-1230) vom anderen Zweig erhielt hingegen von Deutschland 1198 den Titel König von Böhmen. Dieser wurde ihm und seinen Nachfolgern samt aller erworbenen Privilegien, dank seiner geschickten Politik gegenüber Philipp von Schwaben, Otto IV und Friedrich II, schließlich durch die Goldene Bulle von Friedrich II 1212 zuerkannt. Nach dem Tod seines kinderlosen Bruders Vladislav Heinrich († 1222), Markgraf von Mähren, und nach der Vertreibung der Theobalde (um 1223), die später im Exil ausstarben, waren die Nachkommen von Ottokar I. Přemysl die einzigen Repräsentanten der Přemysliden. sodass bereits 1216 Ottokar I. Přemysl seinen Sohn Wenzel I. 1228 krönen lassen konnte.
Unter Wenzel I (1230-1253), dem Ehemann von Kunigunde (der Tochter von Philipp von Schwaben und Enkelin des ungarischen Königs Béla IV), begann die Expansionspolitik der Přemysliden. Diese erreichte ihren Höhepunkt unter Ottokar II. Přemysl (1253-1278), dessen Ehe mit Margarete von Babenberg die Erwerbung Österreichs ermöglichte, und der später auch die Steiermark, das Egerland, Kärnten und Krain anschloss. Er musste sich aber mit einer starken Adelsopposition in Böhmen, Österreich und den Alpenländern auseinandersetzen. Im Kampf mit Rudolf von Habsburg wurde er 1276 besiegt und in der Schlacht von Dürnkrut 1278 getötet. Wenzel II (1278/1283-1305), der Sohn Ottokars II, konnte nach anfänglichem Chaos infolge der Kämpfe der Adelsopposition in Böhmen die Zentralmacht wieder konsolidieren. Von 1278 bis 1283 regierten für den noch nicht erwachsenen Wenzel Otto von Brandenburg in Böhmen und Rudolf von Habsburg in Mähren. 1300 gewann er kurzfristig die polnische Krone und 1301 auch die ungarische Krone (da allerdings für seinen Sohn Wenzel III). Doch die Unzufriedenheit des polnischenen und ungarischenen Adels sowie die Feindschaft des deutschen Königs bewirkten den baldigen Verlust der beiden Kronen: Sein Sohn Wenzel III (1305-1306) musste 1304 Ungarn schleunigst verlassen, da er dort nur von den Güssings in Westungarn und Mattheus Csak (Matúš Čák) in der Slowakei unterstützt wurde, nach dem unerwarteten Tod seines Vater in 1305 wurde er böhmischer König, und am 4. August 1306 wurde er auf einem Feldzug gegen Polen in Olmütz ermordet, womit die Přemysliden in der männlichen Linie ausstarben.
Die Heirat der Tochter von Wenzel II., Elisabeth, mit Johann von Luxemburg im Jahre 1310 war die Grundlage für die Thronbesteigung der Luxemburger in Böhmen und Mähren. Die uneheliche Linie der Přemysliden, die von Herzog Nikolaus von Troppau († 1318) - dem illegitimen Sohn von Ottokar II. Přemysl - abstammte, starb 1521 aus.
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