Ostfriesische Teekultur
Um 1610 brachten erstmals Schiffe der Holländisch-Ostindischen-Kompanie Tee nach Europa. Schon bald darauf dürfte durch ostfriesische Schiffer, die für holländische Rechnung fuhren, erstmals Tee auch nach Ostfriesland gelangt sein, der dort aber zunächst nur als Medizin verabreicht wurde. Um 1720 herum existierte aber bereits ein umfangreicher Teehandel in Ostfriesland.Der Teegenuss verbreitete sich im späten 18. Jahrhundert - etwa zeitgleich mit der Verbreitung der Kartoffel als Grundnahrungsmittel - in ganz Ostfriesland.
Vor dieser Einführung des Teetrinkens war im Lande gebrautes Bier das Hauptgetränk, doch der Tee konnte dieses über einen günstigeren Preis stark zurückdrängen. Darin lag auch der Grund für zeitweilige obrigkeitliche Bemühungen, den Teekonsum zu unterdrücken. Man hoffte, durch Förderung des Bierkonsums das Abfließen größerer Summen Geldes ins Ausland zu unterbinden. Allerdings blieben solche Bemühungen erfolglos.
Während der napoleonischen Kontinentalsperre (1810-1813) betrieben die Ostfriesen ein umfangreiches Schmuggelwesen, bevorzugt, um weiterhin die Versorgung mit Tee sicher zu stellen.
Durch die Handelstätigkeit der Holländisch-Ostindischen-Kompanie gelangte auch Porzellan nach Europa. Gefäße aus Porzellan erwiesen sich als besonders geeignet zur Zubereitung von Tee und als Trinkgefäß. Alsbald wurde deshalb die Nachfrage nach Porzellan so groß, dass auch andere Länder begannen, Porzellan zu importieren.
Nachdem Ostfriesland an Preußen gefallen war, gründete König Friedrich der Große die Königliche preußisch-asiatische Handelskompagnie zu Emden, die in der kurzen Zeit ihres Bestehens eine große Menge von Porzellangefäßen und Tee von erheblichem Handelswert importierte.
Noch heute findet man teilweise originales chinesisches Porzellan aus dieser Zeit. Dabei wurden die Gefäße seitens der fernöstlichen Hersteller mit zunehmendem Handelsvolumen dem europäischen Geschmack angepasst.
Um 1700 gelang jedoch erstmals auch in Deutschland die Herstellung von Porzellan dank der Erfindung von Böttcher in Dresden. Seitdem wurden mehr und mehr Porzellangefäße auch im Lande selbst hergestellt wobei sich die Fabrikanten hinsichtlich Form und Gestaltung an asiatischen Vorbildern orientierten.
In Ostfriesland fanden besonders Geschirre aus Wallendorf weite Verbreitung. Dieses sog. drēsmer tēgaud (Dresdener Teegeschirr) gab es in zwei typischen Dekors: einer blauen Bemalung (blau drēsmer) und der bekannten roten Rose (rôd drēsmer). Andere Ausführungen waren zwar bekannt, erfreuten sich aber keiner vergleichbaren Beliebtheit.
Solch ein Teegeschirr umfasste eine Teedose (tēbües), Kanne (trekpot) und Tassen (kop/pen, kopke/s) und früher auch noch eine Spülschale (spöylkumke), in der die "kopkes" vor dem Neubefüllen kurz ausgespült wurden - man benutzte noch keine Siebe. Ursprünglich besaßen die Tassen auch noch keine Henkel wie sie heute gebräuchlich sind und auch Untertassen waren noch unbekannt.
Teilweise in Ostfriesland selber, teilweise außerhalb aber speziell für Ostfriesland entworfen wurden später auch Teelöffel, Teeschaufeln, Sahnelöffel und Zuckerzangen (mit denen der Kandis - kluntje - in die Tasse gegeben wird) produziert, wie sie bis heute verbreitet sind. Außerdem gab es gelegentlich Teekannen sowie Tee- und Zuckerdosen aus Silber.
Die genannten Dekors des Teegeschirrs, aufgebracht auf dünnwandigen, gerippten Porzellantassen und dazu gehörigen Teekannen, Teedosen etc. sowie die oben erwähnten Löffel sind auch heute noch erhältlich wobei im Laufe der Zeit die Hersteller verschiedentlich wechselten.
Im Unterschied zu früher haben heutige Teetassen Henkel und werden auf einer Untertasse (sğö/dde/lke) gereicht und der Tee wird durch ein Sieb eingeschenkt, das die Teeblätter zurückhält.
Typischer Ostfriesentee (Ostfriesische Mischung) wie er von verschiedenen Anbietern vertrieben wird, wird in die Tasse gegeben, in der sich bereits ein Kandiszucker (kluntje) befindet, der durch den heißen Tee zum Schmelzen gebracht wird. Anschließend gibt man mit einem Sahnelöffel (rōmlēpel) einen Tropfen Sahne ('n wulkje rōm) hinzu. Traditionell wird nicht umgerührt.
Die Hauptteezeit ist der Nachmittagstee um ca. 15.00 Uhr. Zur ostfriesischen Teekultur gehört aber auch die kurze Teepause am Vormittag (elfürtje) um etwa 11.00 Uhr und in vielen Familien ist ein zusätzlicher abendlicher Tee um ca. 21.00 Uhr üblich.
Für jeden Teilnehmer an einer Teerunde sind drei Tassen ein Mindestmaß - wird vorher abgelehnt gilt das als unhöflich bis beleidigend. Früher signalisierte man durch umgekehrtes Auflegen der Tasse auf die Untertasse oder indem man den Löffel in die Tasse legte, dass kein weiteres Nachschenken gewünscht war. Diese Gepflogenheit verliert sich aber zusehends.