Objektive Zurechnung
Die objektive Zurechenbarkeit ist im Strafrecht ein Kriterium der Tatbestandsmäßigkeit zur Einschränkung der durch Kausalität noch in den Bereich des Strafbaren fallenden Handlungen. Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg nach herrschender Meinung dann, wenn der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert.Bei folgenden Fallgruppen fehlt es allerdings an der Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr:
1) Fehlende Beherrschbarkeit der Gefahr: Sie liegt dann vor, wenn der Schadenseintritt außerhalb des menschlichen Beherrschungsvermögens liegt – so beispielsweise bei Naturkatastrophen.
2) Erlaubtes Risiko: Ein erlaubtes Risiko bzw. sozialadäquates Verhalten ist dann gegeben, wenn zwar eine Gefahr geschaffen wird, diese aber von der Rechtsordnung hingenommen wird, um ein gedeihliches menschliches Zusammenleben überhaupt erst möglich zu machen. So ist zwar das Überreden zur Benutzung eines Flugzeuges eine Risikoschaffung (es könnte abstürzen), aber dennoch sozialadäquat und daher keine Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr.
3) Risikoverminderung: An der rechtlich missbilligten Gefahr fehlt es außerdem, wenn ein drohender schwerer Erfolg abgeschwächt oder zeitlich hinausgezögert wird, ohne dass der Täter zur Erreichung dieses Zieles eine neue andersartige Gefahr schafft.
Die nachfolgenden Fallgruppen sind Beispiele für fehlende Gefahrverwirklichung:
1) Atypischer Kausalverlauf: Auch wenn der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, ist ihm der Erfolg nicht objektiv zuzurechnen, wenn sich daraus eine gänzlich unvorhersehbare, atypische Schadenslage entwickelt hat oder der Geschehensablauf so sehr außerhalb der Lebenserfahrung lag, dass er damit nicht zu rechnen brauchte. Aber vorsicht: Der Tod eines Verletzungen durch Unfall in einem Rettungsfahrzeug oder durch Fehlbehandlung eines Arztes liegt nicht außerhalb der normalen Lebenserfahrung und ist daher in der Regel objektiv zurechenbar.
2) Schutzzweck der Norm: An der Gefahrverwirklichung fehlt es außerdem, wenn sich im konkreten Erfolg nicht diejenige rechtlich missbilligte Gefahr verwirklicht hat, deren Eintritt nach dem Schutzzweck der Norm vermieden werden sollte.
3) Eigenverantwortliche Selbstgefährdung: Wer bei einem anderen eine eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefährdung vorsätzlich oder fahrlässig veranlasst oder fördert, macht sich grundsätzlich nicht strafbar, wenn sich das mit der Selbstgefährdung eingegangene Risiko realisiert. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass nicht der Veranlassende die Situation kraft überlegenem Wissens besser einschätzen konnte. Achtung: provozierte Fluchtbewegungen sind grundsätzlich keine eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Fliehenden!
4) Dazwischentreten eines Dritten: Knüpft ein Dritter an die gefährliche Handlung an, schafft aber dadurch eine komplett neue Gefahr und damit einen Erfolg, der nicht mehr im Wertungszusammenhang mit der Ersthandlung steht, fehlt es ebenfalls an der Gefahrverwirklichung.
5) Rechtmäßiges Alternativverhalten: Ebenso ist der Erfolg nicht zurechenbar, wenn er in seiner konkreten Form auch bei rechtmäßigem Verhalten des Täters eingetreten wäre. Bei Fahrlässigkeitsdelikten spricht man in diesem Zusammenhang vom Fehlen des Pflichtwidrigkeitszusammenhanges.
Rechtshinweis