Obertongesang
Obertongesang ist eine Gesangstechnik, die aus dem Klangspektrum der Stimme einzelne Obertöne so herausfiltert, dass sie als getrennte Töne wahrgenommen werden und der Höreindruck einer Mehrstimmigkeit entsteht. Man spricht dann von Obertongesang, wenn den Obertönen eine eigenständige musikalische Funktion zukommt, zu unterscheiden von Gesangtechniken, die lediglich die Klangfarbe der Stimme mit Obertönen anreichern.
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Die Gesangskunst wurde im okzidentalen Kulturkreis vor allem in der New Age-Szene der 1980er Jahre populär. In den 1960ern hatten bereits Komponisten wie La Monte Young und Karlheinz Stockhausen Obertongesang in die Avantgardemusik eingeführt. Die westliche Obertonmusik ist also recht jung. Während die Pioniere des Obertongesangs ihre Techniken aus Stimmexperimenten und Vokaltechniken entwickelten, lassen sich viele der jüngeren Obertonsänger inzwischen auch von den Khöömej-Techniken (Kehlgesang) inspirieren. Trotzdem ist ein Obertonsänger klanglich meist leicht von einem Kehlsänger zu unterscheiden.
Obertonsänger nutzen als Grundton die "normale" weiche Stimme. Dadurch ist ein fließender Übergang von Vokalen und Sprache zu Obertongesang möglich. Für viele Obertonmusiker sind daraus entstehende neuartige Klangfarben der Ausgangspunkt ihres künsterlischen Ausdrucks. Andere entwickeln eine hohe Virtuosität in polyphoner Singweise, indem sie zwei gleichzeitige unabhängige Melodien mit Grund- und Oberton singen. Vielerorts entstehen begeisterte Singkreise, die mit Obertönen in Gruppen improvisieren (chanten, tönen, Obertonchor). Der Obertongesang gehört der freien Musikszene an und entwickelt sich stetig weiter. Inzwischen wurden die ungewöhnlichen Klangeffekte auch für die Filmmusik entdeckt und finden zunehmend Interesse in der E-Musik. Jüngere Anwendungen in der Musiktherapie zeigen Potenziale des Obertongesangs im Heilwesen auf.
In Tuva, Mongolei und weiteren Ländern Zentralasiens rund um das Altaigebirgegebirge wird Obertongesang in verschiedenen Formen des Khöömej (tuvinisch "Kehle") gepflegt (Kehlgesang). Ähnliche Obertongesänge kennt man von den Xhosa in Südafrika, wo er von Frauen ausgeübt wird (umngqokolo).
Kehlgesang unterscheidet sich von westlichem Obertongesang musikalisch durch seine lange Tradition und technisch durch besondere Arten den Grundton zu erzeugen. Beim Khöömej wird unter anderem der Kehlkopf verengt (aryepiglottischer Sphinkter), um den Oberton gegenüber dem Grundton zu verstärken.
Eine spezielle Kunst der Kehlsänger sowohl in Zentralasien als auch bei den Kehlsängerinnen der Xhosa ist der Gebrauch von Untertongesangstechniken, die man in Tuva Kargyraa nennt. In der Regel wird der erste Unterton der Grundstimme, die erste Subharmonische, als Grundton verwendet. Dadurch wird das Obertonspektrum des Sängers stark erweitert.
Es gibt weitere Untertongesangsarten, die ebenfalls als Kehlgesang bezeichnet werden und deshalb gelegentlich irrtümlich dem Obertongesang zugeordnet werden. Hier hat der Begriff Kehlgesang nicht die synonyme Bedeutung von Obertongesang. Die Tieftongesänge der tibetischen Lamass sowie der Saami in Lappland (Joik) seien in dem Zusammenhang erwähnt, bei denen die Obertöne nicht gezielt als musiklalische Struktur verwendet werden. Auch die Kehlgesänge der Inuit und der sardischen "cantu a tenores" sind in diesem Sinne kein Obertongesang. Aber die Klassifizierung ist eine typisch okzitentale Idee und oft schwierig, weil ein westlich ungeschultes Ohr die Absichten fremder Musiktraditionen möglicherweise nicht vollständig erfasst.
Siehe auch:
Untertongesang
http://www.sciam.com/article.cfm?articleID=00080AA2-BA32-1C73-9B81809EC588EF21
http://oberton.orgWestlicher Obertongesang
Kehlgesang
Weblinks
[engl.] Artikel über Kehlgesang.
[deutsch] Informationen und Links zu Obertongesang.