Nesseltiere
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Die Nesseltiere (Cnidaria) bilden in der klassischen Systematik einen Stamm innerhalb der Abteilung der Gewebetiere (Eumetazoa) und werden traditionell zusammen mit den Rippenquallen (Ctenophora) zur Unterabteilung der Hohltiere (Coelenterata) vereinigt.
Table of contents |
2 Verbreitung 3 Ernährung 4 Fortpflanzung 5 Riffbildung 6 Nesseltiere als Fossilien 7 Nesseltiere und der Mensch 8 Systematik 9 Literatur 10 Weblinks |
Nesseltiere besitzen als Gewebetiere echte Gewebe und Organe. Sie sind ihrem vielfach variierten Grundbauplan nach radialsymmetrisch gebaut und bestehen aus zwei Zellschichten, der äußeren Epidermis und der inneren Gastrodermis, zwischen denen sich eine gallertartige Schicht, die so genannte Mesogloea befindet.
Die Gastrodermis umfasst den "Magen" der Nesseltiere, den so genannten Gastralraum. Er besitzt nur eine einzige Öffnung, durch die nicht nur die Nahrung aufgenommen, sondern Abfallprodukte auch wieder ausgeschieden werden. Gleichzeitig dient er neben der Mesogloea als hydrostatisches Stützskelett. Hartskelette kommen dagegen nur bei Polypen vor, die dazu gezielt Kalk ablagern.
Ein echtes Blutgefäßsystem ist bei den Nesseltieren nicht vorhanden. Der Gasaustausch erfolgt durch Diffusion, daneben spielt sowohl für die Vorverarbeitung und gleichzeitig für die Verteilung von Nährstoffen und den Abtransport von Stoffwechselendprodukten das so genannte Gastrovaskularsystem eine Rolle: Dies umfasst den zentralen Hohlraum, den Gastralraum sowie dessen Ausläufer in die Tentakel der Polypen. Das Gastrovaskularsystem übernimmt damit zweierlei Funktionen, Verdauung und Stofftransport. Nahrungspartikel werden in erster Linie von den Nährmuskelzellen des Gastroderms aufgenommen.
Die Nesseltiere besitzen echte Nervenzellen, die ein diffuses Netz bilden, welches aber nur eine geringe Zentralisierung zeigt. Nervenzellkonzentrationen liegen bei Polypen im Mundfeld (Hypostom), an den Tentakeln und am Fußstiel (Pedunculus), bei den Quallen findet sich häufig ein Nervenring um den Schirm. Auch eine spezialisierte Signaltransportrichtung hat sich vielfach noch nicht herausgebildet, die Verschaltung der Nerven über so genannte "gap junctions" erlaubt jedoch einigen Arten eine hohe Geschwindigkeit bei der Erregungsleitung, eine Vielzahl von Neuropeptiden erlaubt die Modulation von Erregungen.
Das namensgebende Merkmal der Nesseltiere ist ein spezialisierter Zelltyp, die Nesselzelle (Cnidocyte). Zellen diesen Typs befinden sich auf den um die Mundöffnung herum angeordneten Tentakeln und enthalten die charakteristischen Nesselkapseln (Cnidocysten). Diese enthalten einen spiralig aufgewickelten Nesselfaden, der auf Berührungsreize explosiv ausgestoßen wird und hochtoxische Stoffe in das Opfer injiziert, die dieses schnell abtöten oder zumindest lähmen. Die Nesselzellen dienen sowohl dem Beutefang als auch der Verteidigung gegen Fressfeinde.
Ein weiterer wichtiger Zelltyp sind die i- oder interstitiellen Zellen. Dies sind pluripotente Zellen, was bedeutet, dass sie sich in andere Zelltypen wie Geschlechtszellen, Drüsenzellen oder Nervenzellen, allerdings nicht in Epithelmuskelzellen oder Nährmuskelzellen verwandeln können. Letztere beiden Zelltypen können nur aus ihresgleichen hervorgehen. Viele Nesseltiere haben dank dieses Systems eine enorme Regenerationsfähigkeit. Insbesondere die Süßwasserpolypen der Gattung Hydra dienen in der Forschung als Modelle für Musterbildungsprozesse.
Die zwei wichtigsten Formentypen sind Polyp und Qualle, die als unterschiedliche Lebensstadien bei ein und derselben Art auftreten können, also keine systematische Bedeutung haben.
Nesseltiere leben meist im Meer, seltener auch in Süßwasserseen.
Die meisten Nesseltiere ernähren sich von Beutetieren, die mit ihren Tentakeln in Berührung gekommen sind. Dies können je nach Größe des Tiers Protisten, diverse Würmer, Krebse, andere Quallen, aber auch Fische sein. Manche Gruppen, darunter die Korallen leben symbiontisch mit Photosynthese betreibenden Algen zusammen, meist Dinoflagellaten (Dinoflagellata), manchmal aber auch Grünalgen (Chlorophyta). Diese nehmen von ihren Nesseltierpartnern produziertes Kohlendioxid auf und produzieren unter Ausnutzung des Sonnenlichts und unter Abgabe von Sauerstoff die energiehaltigen Kohlenhydrate, die den Nesseltieren als Hauptnahrung dienen.
Weit verbreitet bei den Nesseltieren ist die ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Knospung. In der Klasse der Hydrozoen (Hydrozoa) ist sie besonders weit verbreitet. Dabei trennt sich vom erwachsenen Polypen seitlich eine ungeschlechtliche Larve, die so genannte Schwimmknospe ab, die sich zum Polypen fortentwickelt.
Oft ist die Knospung unvollständig, so dass physisch miteinander verbundene Kolonien genetisch identischer Polypen entstehen.
Allerdings können sich die Nesseltiere auch geschlechtlich fortpflanzen. Ein charakteristisches Merkmal ist hier der so genannte Generationswechsel, der bei Tieren sonst nicht so häufig wie bei Pflanzen, Pilzen oder Protisten anzutreffen ist. Dabei wechseln sich einander ungeschlechtlich fortpflanzende Generationen mit Generationen, die sich geschlechtlich fortpflanzen, ab. Diese Art des Generationswechsels wird als Metagenese bezeichnet.
Der erwachsene Polypen bildet dazu auf ungeschlechtlichem Wege männliche oder weibliche Quallen. Es gibt drei prinzipielle ungeschlechtliche Vorgänge:
Dieses Schema ist in den vier Nesseltier-Klassen mannigfaltig variiert und abgewandelt. So verbleiben bei vielen Hydrozoen die Quallen in reduzierter Form am Polypen, welcher damit so genannte Gonophoren hat. Einige Hydrozoen, wie die Süßwasserpolypen (Vertreger der Gattung Hydra) haben überhaupt kein Quallenstadium. Stattdessen bildet der Polyp selbst männliche oder weibliche Keimzellen. Die Würfelquallen wiederum haben das Polypenstadium reduziert.
Große ökologische Bedeutung haben die Nesseltiere durch die von einer Untergruppe, den skelettbildenden Korallen, im Flachwasser aufgebauten Korallenriffe. Wichtig für die Riffbildung sind die bereits angesprochenen endosymbiontischen Algenpartner. Die Symbiose scheint allerdings von Seiten der Algen nicht ganz freiwillig zu sein, da sie sich bei reichem Nährstoffangebot von ihren Korallenpartnern trennen, die dann zugrunde gehen. Dieser Vorgang tritt insbesondere dort auf, wo viel Nitrat eingeleitet wird, das von den Algen verwertet werden kann. Er ist für das großräumige Korallensterben verantwortlich, das auftritt, wenn Abwässer z.B. von neu gebauten Hotel- und Freizeiteinrichtungen ungeklärt ins Meer entlassen werden.
Aufgrund der notwendigen Sonneneinstrahlung gibt es Korallenriffe nur in tropischen Gewässern. Die Korallenpolypen scheiden dort neben anderen Tieren wie bestimmten Röhrenwürmern, aber auch diversen Rotalgen oder Grünalgen, Kalk (Calciumcarbonat) als Außen- oder Exoskelett ab, der sich mit der Zeit zu wahren Gebirgen auftürmen kann. Sobald die Lichtausbeute zu gering wird - dies ist auf jeden Fall ab einer Wassertiefe von 60 Metern der Fall - sterben die Korallen ab, auf ihren Skeletten haben sich dann schon die nachfolgenden Generationen festgesetzt. Auf diese Weise können Korallenriffe bei langsam steigendem Meeresspiegel in die Höhe wachsen. Sie reichen immer bis unmittelbar unter die Meeresoberfläche.
Korallenriffe sind sehr artenreiche Ökosysteme, die durch die Beeinflussung von Meeresströmungen auch globale Auswirkungen haben. Sie sind von einer Vielzahl von Organismen, Schwämmen, diversen Würmern, Fischen, aber auch Algen und verschiedenen Protisten bewohnt.
In erdgeschichtlicher Zeit haben sich zahlreiche Gesteinsformationen aus dem u. a. von Korallen abgelagerten Kalkstein gebildet: So gehen z. B. die reichen Vorkommen der Eifel und des Bergischen Landes auf Hunderte Millionen Jahre alte devonische Korallenriffe zurück. Jüngeren Datums sind die Bermuda-Inseln und die Bahamas, aber auch zahlreiche pazifische Inselgruppen, die auf Korallenriffe zurückgehen.
Nesseltiere sind eine sehr alte Tiergruppe. Schon in der so genannten Ediacara-Fauna des späten Proterozoikum vor etwa 550 Millionen Jahren sind sie vertreten und gehören damit zu den ersten bekannten Tierfossilien überhaupt. Die Kenntnis fossiler Gruppen ist je nach Untergruppe allerdings sehr unterschiedlich: Während sich aus weichem Gewebe bestehende Quallen nur in extremen Ausnahmefällen erhalten haben, ist z. B. die stammesgeschichtliche Entwicklung der Korallen durch die von ihnen hinterlassenen harten Kalkskelette fossil sehr gut bekannt. Die ersten Korallenriffe stammen demnach aus dem erdgeschichtlichen Zeitalter des frühen Ordoviziums vor etwa 500 Millionen Jahren, die damaligen Formen unterschieden sich aber noch deutlich von den heutigen Korallen, die erst nach dem großen Massenaussterben am Ende des Perm vor 240 Millionen Jahren etwa in der Mitte der Trias vor etwa 220 Millionen Jahren das erste Mal auftreten.
Nesseltiere haben Menschen zunächst einmal dadurch beeinflusst, dass diese auf ihnen leben: Wie bereits erwähnt gehen eine ganze Reihe von Inseln auf abgestorbene Nesseltierskelette zurück. Der von ihnen hinterlassene Kalkstein wird an vielen Stellen kommerziell abgebaut. Aus besonderen, insbesondere bunt gefärbten Korallen werden darüber hinaus seit vorgeschichtlicher Zeit Schmuckstücke gefertigt.
Andererseits kommen insbesondere an der Nordküste Australienss regelmäßig Menschen durch Kontakt mit den Nesselzellen hochgiftiger Quallen zu Tode oder werden durch ihr Nervengift lebenslang geschädigt. Auch die in der Nordsee vorkommenden Quallen können zu äußerst schmerzhaften Hautverletzungen führen.
Umgekehrt wirkt sich die Ausbreitung des menschlichen Tourismus oft sehr negativ auf die den Nesseltieren zugehörigen Korallen aus. Das global zu beobachtende Korallensterben gilt unter Riffbiologen als äußerst bedenklich, da Korallen Schlüsselorganismen sind, deren Tod oft das Absterben des ganzen reichhaltigen Ökosystems nach sich zieht. Neben der Einleitung von nitratbelasteten Abwässern ist hier u. a. die Cyanid-Fischerei zu nennen, die in kurzer Zeit weiträumige Lebensräume vernichten kann.
Eine weitere Gefahr für Korallen sind die in Folge des Klimawandels steigenden Wassertemperaturen: Überschreiten sie eine kritische Grenze, verlieren die Korallen ihre symbiotischen Algenpartner und bleichen aus, d. h. sterben ab.
Nesseltiere werden weiter in vier Klassen unterteilt:
Aufbau
Nesseltiere zeigen ein breites Größenspektrum: Die meisten Arten sind nur wenige Millimeter klein, manche noch kleiner. Auf der anderen Seite können Cyanea-Quallen einen Durchmesser von zwei Metern umfassen und Polypen der Gattung Branchiocerianthus eine ebensolche Länge erreichen. Bei manchen Arten werden die Tentakel bis zu dreißig Meter lang.Verbreitung
Ernährung
Fortpflanzung
Diese entwickeln sich zunächst zur Geschlechtsreife. Dann werden die männlichen und weiblichen Gameten freigesetzt, die sich jeweils zur Zygote vereinigen. Diese entwickelt sich durch Zellteilung zunächst zu einer kugelförmigen Struktur, der so genannten Blastula, aus der dann die Planula genannte Larve entsteht. Diese ist begeißelt und schwimmt so lange, bis sie auf ein festes Substrat trifft, auf dem sie sich verankert und dann eine Verwandlung (Metamorphose) zum Polypenstadium durchläuft.Riffbildung
Nesseltiere als Fossilien
Nesseltiere und der Mensch
Systematik
Wie bereits einleitend dargestellt, werden die Nesseltiere klassisch mit den Rippenquallen zu den Hohltieren zusammengefasst. Aus Sicht der heute vorherrschenden Systematik, der Kladistik, ist diese Gruppe allerdings vermutlich paraphyletisch, das heißt, sie umfasst nicht alle Nachkommen ihres letzten gemeinsamen Vorfahrens: Trotz der äußeren Ähnlichkeit der beiden Taxa, die sich unter anderem in der beiden Gruppen eigenen radialsymmetrischen Körperstruktur bemerkbar macht, sind die Rippenquallen nämlich sehr wahrscheinlich näher mit den zweiseitig-symmetrisch aufgebauten Bilateria verwandt als mit den Nesseltieren. Aus kladistischer Sicht bilden die Hohltiere daher eine künstliche Gruppe.
Die wahrscheinlichen stammesgeschichtlichen Abstammungsverhältnisse der vier Gruppen lassen sich dem folgenden Diagramm entnehmen:Nesseltiere (Cnidaria)
|--Blumentiere (Anthozoa)
|--N. N.
|--Hydrozoen (Hydrozoa)
|--Medusozoa
|--Schirmquallen (Scyphozoa)
|--Würfelquallen (Cubozoa)
Literatur
Wissenschaftliche Literatur
Weblinks
Beurteilung:
Exzellenter Artikel