Neolithische Revolution
Die so genannte Neolithische Revolution steht seit mehreren Jahrzehnten und vor allem bei angelsächsischen Historikern für den Beginn der Sesshaftwerdung des Menschen vor mehr als 10.000 Jahren. Der Begriff wurde von dem Briten Vere Gordon Childe 1936 geprägt, in Analogie zum bereits etablierten Terminus "Industrielle Revolution". Gemeint ist damit nicht nur die Sesshaftigkeit, sondern auch das plötzliche Auftreten von Keramik, geschliffenen Steingeräten sowie domestizierten Tieren und Pflanzen.Der welthistorisch einzigartige Wandel von der aneignenden (Jäger- und Sammlergesellschaften) zur produzierenden Lebensweise (Ackerbau und Viehzucht) war eng verknüpft mit dem Übergang zur Sesshaftigkeit sowie zu komplexeren Organisationsformen der Gesellschaft.
Der Begriff "Neolithische Revolution" ist heute vom Tisch, weil zwischen dem Auftreten der postulierten Merkmale zum Teil Jahrtausende lagen. Dementsprechend betont man heute in der Forschung den evolutionären Charakter der Veränderungen und meidet das Wort Revolution in dem Kontext.
Gewöhnlich wird der Wandel der Wirtschafts- und Lebensweise zu Beginn der agrarischen Ära als großer Fortschritt betrachtet, schließlich wurden die Menschen durch die landwirtschaftliche Produktion allmählich unabhängiger von den Schwankungen im natürlichen Angebot der gesammelten und erjagten Nahrung. Auch wird auf die Steigerung des Angebots durch die selbstbestimmte Produktion hingewiesen. Das Beispiel des Hirten, der statt auf die Jagd mit ungewissem Ausgang in den Pferch der gezähmten Herde geht, um eines der Tiere zur Schlachtung auszuwählen, wirkt überzeugend. Die Umstellung erhöhte offenbar die Sicherheit und Bequemlichkeit der Selbstversorgung. Dem steht die paradox klingende These der neueren Forschung gegenüber: "Unsere Vorfahren gaben ihre paläolithische Existenz nicht bereitwillig auf." (J.E. McClellan und H. Dorn) Es setzt sich die Einsicht durch, dass die nomadische Urgesellschaft nur in bestimmten Regionen durch die Not der knapper werdenden Ressourcen gezwungen wurde, sich auf neue Wege des Wirtschaftens einzulassen. Denn der angebliche Fortschritt bedeutete zugleich einen großen Verlust. Dass die Menschen Jahrtausende später in der frühen Stadt noch den Bruch empfanden, zeigt die Stilisierung des Naturmenschen Enkidu im Gilgamesch-Epos sowie der biblische Mythos von der Vertreibung aus dem Paradies. Nach zwei Millionen Jahren war der Einschnitt tatsächlich unerträglich tief und schmerzlich.