Natriumazid
Natriumazid ist das Natriumsalz der Stickstoffwasserstoffsäure. Formel: NaN3Molekülmasse: 65,01 g/mol
Beschreibung/Eigenschaften
Bei der Substanz handelt es sich um farblose Kristalle, die in Wasser und flüssigem Ammoniak löslich, dagegen in Ethanol kaum und in Diethylether unlöslich sind. In saurer Lösung zersetzt sich Natriumazid zu Stickstoffwasserstoffsäure (einer niedrigsiedenden Flüssigkeit, Kp. 37 °C); beim Erhitzen auf über 300 °C zersetzt sich der Stoff ebenfalls:
2 NaN3 --> 2 Na + 3 N2 (spektralanalytisch reiner Stickstoff)
Das Azid läßt sich allerdings unzersetzt schmelzen und verpufft erst beim stärkeren Erhitzen oder auf kräftigen Schlag.
Die Dämpfe der Stickstoffwasserstoffsäure sind sehr giftig und verätzen die Schleimhäute. Die Stickstoffwasserstoffsäure ist äußerst explosiv unter spontanem Zerfall und Rückbildung von Stickstoff. Dasselbe gilt für Schwermetallazide wie Pb(N3)2, die technisch als Initialzünder in Patronenhülsen Verwendung finden, sowie Iodazid.
Azide, also auch Natriumazid, hemmen spezifisch Enzyme, die Schwermetalle enthalten. Sie sind daher ausgesprochen toxisch. Das Azidion hat zudem einen stark blutdrucksenkenden Effekt. Schon die Inhalation oder die orale Aufnahme kleiner Mengen (z.B. 1,5 ml 10%ige Lösung) hat starke Vergiftungserscheinungen zur Folge. Stickstoffwasserstoffsäure und ihre Lösungen riechen unerträglich stechend und rufen bei Exposition Schwindel, Kopfschmerz und Hautreizung hervor. Das präparative Arbeiten mit Natriumazid und Stickstoffwasserstoffsäure-Lösungen darf nur im gut wirkenden Abzug unter Verwendung eines Schutzschildes erfolgen, Schutzbrille tragen! Die Versuchsvorschriften sind streng einzuhalten, niemals darf Stickstoffwasserstoffsäure aufkonzentriert werden (spontane Explosion möglich). Die Lösungen sind vor Gebrauch unbedingt zu titrieren.
Das Azid-Ion N3 ist ein sog. Pseudohalogenid. Es verhält sich daher in vielen Reaktionen wie Cl. Das mesomeriestabilisierte Ion ist linear und symmetrisch, mit einheitlichen Abständen zwischen den Stickstoffatomen (diese liegen zwischen denen der N-N-Doppel- und Dreifachbindungen). Diese Stabilisierung fehlt bei der freien Säure und bei den Schwermetallaziden (Lit. [7,11]).
Darstellung
Natriumazid entsteht beim Überleiten von Distickstoffmonoxid ("Lachgas", erhältlich z.B. aus Ammoniumnitrat durch vorsichtiges Erhitzen) über Natriumamid bei 180 °C:
NaNH2 + N2O --> NaN3 + H2O
In einem präparativ aufwendigeren Verfahren erhält man Natriumazid aus Natriumamid und Natriumnitrat in der Schmelze bei 175 °C. Daneben entstehen Natriumhydroxid und Ammoniak:
NaNO3 + 3 NaNH2 --> NaN3 + 3 NaOH + NH3
Anwendung
In der industriellen Synthese verwendet zur Darstellung von Bleiazid und Stickstoffwasserstoffsäure sowie von tert.-Alkylaziden und anderen organischen Aziden wie Tosylazid (HUNNIUS, RÖMPP, Willmes). Die Umsetzung von Carbonylverbindungen mit Stickstoffwasserstoffsäure in stark saurem Medium (SCHMIDT-Reaktion) liefert unter Wanderung einer Alkylgruppe Säureamide (aus Ketonen) oder das um ein Kohlenstoffatom ärmere Amin (aus Carbonsäuren). Die dabei benötigte Stickstoffwasserstoffsäure wird direkt im Reaktionskolben aus Natriumazid erzeugt (Organikum, Lit. [8]). SCHRÖTER benutzte Natriumazid zur Darstellung von Alkylisocyanaten aus Säurechloriden (Lit. [4,10]). Die Erzeugung von Isocyanaten aus Säureaziden durch thermische Zersetzung bezeichnet man als CURTIUS-Abbau (Organikum).
Analytisch macht man sich die Eigenschaft der Azide zunutze, mit Iod nur in Gegenwart von Sulfhydryl- bzw. potentiellen Sulfhydrylverbindungen (wie Penicillin) zu reagieren (sog. Iodazid-Probe). Diese Umsetzung ist sehr empfindlich; es entsteht Stickstoff und Iodwasserstoff (Lit. [1,11]). Zum Nachweis wird 1 ml 0,1 N Iodlösung mit Stärke blau angefärbt, mit 1 ml 10%iger wäßriger Natriumazidlösung versetzt und dann die Probelösung (Mercaptane, Thioether, Disulfide, Thione, S-Heterocyclen) zugegeben. Nach kurzer Zeit entfärbt sich die Lösung unter Gasentwicklung.
Als weitere in der Literatur beschriebenen Verwendungsmöglichkeiten seien genannt: zur raschen Blutdrucksenkung in Notfällen, als Nitrifikationsinhibitor (RÖMPP, Lit. [9]).