Morganatische Ehe
Als
morganatische Ehe (lat.
matrimonium morganaticum, abgeleitet von dem altgotischen Wort
morgjan, "abkürzen" oder "beschränken", nach anderer Interpretation mit "Morgengabe" zusammenhängend) oder
Ehe zur linken Hand bezeichnet man eine im europäischen
Adel nicht selten vorkommende Form der Ehe bei der einer der beiden Ehepartner (meistens die Frau) von niedrigerem Stand war als der andere (
Nichtebenbürtigkeit). Morganatische Ehen konnten einerseits dazu dienen, Verhältnisse mit Mätressen zu legalisieren, anderserseits wurden sie aber auch eingegangen, wenn regierende Monarchen nach dem Tod der ersten, standesgemäßen Ehefrau schon Kinder hatten, die die Thronfolge sicherstellten, und noch einmal eine Liebesheirat eingehen wollten oder wenn eine weitere standesgemäße Heirat zu dynastischen Verwicklungen hätte führen können. Häufig haben auch jüngere Söhne der Fürstenhäuser, die für die Thronfolge ohnehin nicht infrage kamen, morganatische Ehen geschlossen.
Rechtsfolgen
Obwohl bei einer morganatischen Ehe nicht alle sonst üblichen Rechtsfolgen einer Ehe eintraten, war sie eine staatlich und kirchlich ordnungsgemäß zustandegekommene Ehe. Die aus ihr hervorgegangenen Kinder waren legitime Nachkommen des Vaters, die in einigen Fällen bis in die höchsten Kreise aufstiegen (s. Mary von Teck, die Ehefrau König Georgs V von Großbritannien, Enkelin des Prinzen Alexander von Württemberg und der Claudine Rhedey, spätere Gräfin von Hohenstein).
Die Rechte der Nachkommen folgten der ärgern Hand, d.h. sie traten nur in die Rechte des standesniedrigeren Ehepartners, also meist der Mutter, ein. Sie waren daher in der Regel nicht erbberechtigt und - falls es sich um ein regierendes Fürstenhaus handelte - von der Thronfolge ausgeschlossen. Weder die Ehefrau noch die Nachkommen wurden Mitglieder der Familie des Ehemannes und führten weder dessen Titel noch dessen Wappen. Im Protokoll rangierten sie, obwohl Ehefrauen, noch hinter den jüngsten Prinzen und Prinzessinnen, weshalb z.B. die Witwe des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. nicht an seiner offiziellen Trauerfeier im Berliner Dom teilnehmen konnte. Häufig wurde der nichtebenbürtige Ehepartner vom Monarchen oder vom Kaiser im Stand erhöht.
Da die Witwe und die Nachkommen nicht erbberechtigt waren, mußte ihre finanzielle Versorgung nach dem Tod des Ehemannes schon zu Lebzeiten durch einen Ehevertrag gesichert werden. Daher auch die Bezeichnung matrimonium ad morganaticam oder Ehe auf bloße Morgengabe.
Beispiele
- 1658 heiratete der pfälzische Kurfürst Karl Ludwig, der Sohn des Winterkönigs, in zweiter Ehe die Freiin Marie Luise von Degenfeld (1634-1677), die er 1667 zur Raugräfin erhob. Ihre dreizehn Kinder erhielten den selben Titel.
- 1785 heiratete der württembergische Herzog Karl Eugen in zweiter Ehe zur linken Hand seine Geliebte, die Freifrau Franziska von Leutrum (1748-1811), das "Engelsfranzele", die 1774 von Kaiser Joseph zur Reichsgräfin von Hohenheim erhoben worden war.
- 1824 heiratete der preußische König Friedrich Wilhelm III in zweiter Ehe ("da die Vorsehung Unsere Königliche Ehe mit einer blühenden Nachkommenschaft gesegnet hatte, und die Thronfolge, nach allen menschlichen Hoffnungen, gesichert war") die Gräfin Auguste von Harrach (1800-73) "um ihrer empfehlenden und schätzenswerthen Eigenschaften willen", die er zur Fürstin von Liegnitz und Gräfin von Hohenzollern erhob. Auch er schloss "im Fall dieselbe (d.h. die Ehe) mit Kindern gesegnet würde" diese von "aller Succession an Land und Leuten und von jedem Erbschafts- oder anderen Anspruch, welcher den Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses zustehet" aus. (Zitate aus: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten. No. 21 (1824) p. 209.)
Diese zweite Regelung sollte sich als unnötig erweisen, denn die Ehe blieb kinderlos.
- 1853 heiratete der preußische Prinz Albrecht in zweiter Ehe die Tochter des verstorbenen Kriegsministers General von Rauch, Rosalie von Rauch (1820-1879), die zur Gräfin von Hohenau erhoben wurde. Ihre beiden Söhne erhielten den gleichen Titel. Die Gräfin Hohenau war am preußischen Hof nicht erwünscht, und das Ehepaar verließ Preußen.
- Völlig anders dagegen entwickelte sich die zweite, morganatische Ehe von Großherzog Karl Friedrich von Baden, dem "Gesegneten. Nach dem Tod seiner Gemahlin, Prinzessin Karoline Luise von Hessen heiratete Karl Friedrich eine wesentlich jüngere Hofdame, Luise Karoline Geyer von Geyersberg. Sie wurde auf seinen persönlichen Wunsch vom österreichischen Kaiser zur Reichsgräfin von Hochberg erhoben und für erbberechtigt erklärt. Nach dem Aussterben der männlichen Zähringer mit Ludwig I. 1830 erhielten ihre Nachkommen tatsächlich die Regentschaft der Markgrafschaft Baden (siehe auch die Diskussionen um das Phänomen Kaspar Hauser, das in einer der Interpretationen die mit der Ermordung unrechtmäßig erworbene Thronfolge einer morganatischen Linie darlegt).
- 1900 heiratete der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand die Gräfin Sophie Chotek von Chotkowa, eine Hofdame der Kaiserin Sisi, die daraufhin 1909 zur Herzogin von Hohenberg erhoben wurde. Beide fielen 1914 dem Attentat in Sarajewo zum Opfer, das der Anlass für den Ersten Weltkrieg war.
- Die Nachkommen des Kronprinzen Alexander von Hessen aus seiner morganatischen Ehe mit Julie Hauke führten den Titel Prinz von Battenberg. Zu diesen Nachkommen zählt unter anderem der gegenwärtige Gemahl der englischen Königin Philip Mountbatten, sein Onkel, der ehemalige Vizekönig von Indien Lord Mountbatten of Burma und König Juan Carlos I von Spanien, dessen Großmutter väterlicherseits Victoria von Battenberg war.