Mobbing in der Schule
Unter Mobbing in der Schule versteht man herabsetzende und ausgrenzende Handlungen, die systematisch und dauerhaft gegen einzelne Schüler im Klassenverband gerichtet sind.Typisch ist das Drangsalieren, Beschimpfen oder Isolieren Einzelner. Die Opfer, die sich unter starken psychischen Druck (siehe auch: Stress) gesetzt fühlen, können dauerhafte seelische (und manchmal körperliche) Schäden davontragen. Mobbing in der Schule ist verwandt mit anderen Arten des Mobbings. An deutschen Schulen wird mindestens eines von zehn Kindern ernsthaft schikaniert, und mehr als eines von zehn Kindern schikaniert andere. Von Mobbing spricht man nicht, wenn es sich um gelegentliche, gewöhnliche und bald wieder vergessene Stichelei oder Rauferei handelt, sondern bei andauernden und anscheinend systematischen Aktionen gegen Einzelne. Bei den gemobbten Kindern wird durch die Erfahrung der Unterlegenheit und Hilflosigkeit möglicherweise eine Spirale des wiederholten Opferseins in Gang gesetzt oder verstärkt.
Table of contents |
2 Schüler, die gemobbt werden 3 Mobbing Intervention 4 Mobbing und Klassenklima 5 Mobbing-Prävention 6 Widerstände in den Schulen 7 Literatur 8 Weblink |
Wissenschaftliche Studien haben erwiesen, dass es Schülern, die mobben und andere Schüler hänseln, für gewöhnlich nicht an Anerkennung fehlt. Oft sind diese Schüler besonders beliebt und werden ihrer Stärke wegen geachtet und respektiert. Dies macht es besonders schwierig Mobbing zu verhindern, und häufig ist erst dann eine Verhaltensänderung möglich, wenn das Umfeld dem Mobbenden keine Prestigegewinne mehr verspricht.
Häufig ist auch das Ausgrenzen einzelner SchülerInnen durch Gruppen, die sich im Klassenverband bilden. In der späteren Kindheit und im Jugendalter schließen sich Jungen wie Mädchen typischerweise in Cliquen zusammen (siehe auch: Peer Groups), die in der Zusammensetzung häufig wechseln. Einzelne Schüler geraten hierbei immer wieder in eine Außenseiterposition, es gelingt ihnen nicht, Anschluss an die sozialen Kommunikations- und Verhaltensformen der Gleichaltrigen zu finden. Gerade diese Schüler werden häufig zum Ziel von verbalen (und manchmal auch körperlichen) Attacken und unterliegen symbolischen, verdeckten oder offenen Ausgrenzungsstrategien der "Integrierten".
Mobbingstrategien sind geschlechtspezifisch unterschiedlich: Während bei Mädchen mehr verbale Attacken, Hänseln wegen körperlicher Merkmale, Aussehen und Kleidung und Ausschluss von Kommunikation und Nähe ("mit der rede ich nicht mehr...") beobachtet werden können, sind jungentypische Verhaltensformen eher körperlicher Natur und äußern sich in Sachbeschädigung, Erpressung und Bedrohung durch Androhen oder Anwenden von körperlicher Gewalt.
a) Schüler gegen Schüler
Typische Mobbing-Opfer sind, wie schon dargestellt häufig Schüler, die sich in einer Außenseiterposition befinden. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Es kommen äußerliche Merkmale in Frage wie Sprachstörungen, besondere und auffallende Körpermerkmale, häufig bei Jugendlichen auffallender Körpergeruch, aber auch nicht einheimische Herkunft (dazu können im ländlichen Raum auch Zugezogene deutscher Abstammung zählen), besonders schlechte oder auch besonders gute Leistungen, also in irgendeiner Weise abweichende Verhaltensweisen oder Gewohnheiten. In vielen Fällen lassen sich die Merkmale des "Andersseins", die die Einzelnen als "Opfer" geeignet erscheinen lassen, durch Außenstehende nur schwer erkennen und sind auch gerade den Opfern vielfach nicht einsichtig. Dennoch gibt es in den Klassenverbänden bei genauer Betrachtung meistens einen ungeschriebenen, oft streng verborgen gehaltenen, oft aber sogar rituell ausgestalteten und sehr wirksamen Kodex des Dazugehörens, der die Identifikation eines Einzelnen als Zielscheibe für Mobbing leitet und für "Insider" offensichtlich ist.
Das typische Mobbing-Opfer frisst seine Ängste in sich hinein, äußert sich nicht über den Frust und erlebte Hilflosigkeit, versucht verschiedenen Gegen- und Vermeidungsstrategien, bevor es die Rolle schließlich akzeptiert und die negative Definition in sein Selbstbild aufnimmt. Häufig geschieht dies auf der Grundlage schon früh einsetzender negativer Erfahrungen auch im vorschulischen Bereich, die aber noch nicht den Grad an Systematik und Grausamkeit erreicht haben, dass sie als Mobbing identifiziert werden. Gerade aber in diesen Fällen fügt eine andauernde schulische Mobbingsituation dem ohnehin schon beschädigten Selbstbild einen weiteren großen Schaden zu. Es entsteht eine Spirale aus Ablehnung, Angst und Gewalt. Häufig setzt sich diese Erfahrung fort bis ins Erwachsenenalter. Mangelndes Selbstwertgefühl erschwert die Aufnahme von Beziehungen im Berufs- und Privatleben, und selbst wenn sich die "Mobbingkarriere" hier nicht fortsetzt, kann die jahrelange Erfahrung von Ausweglosigkeit in der Schule bleibende Beeinträchtigungen hinterlassen, die häufig nur durch therapeutische Interventionen aufgearbeitet werden können.
Häufig betroffen sind männliche Schüler zwischen 13 und 15 Jahren, aber auch Mädchen in diesem Alter. Es wird vermutet, dass Mädchen aufgrund ihrer besser ausgebildeten verbalen Kompetenzen und Fähigkeiten über Gefühle zu sprechen eher als Jungen in der Lage sind, Kompensationsstrategien außerhalb der Schule zu entwickeln.
Dass große Schulen, große Klassen mit einem hohen Anteil an Ausländerkindern sowie Großstädte überhaupt Horte des Mobbings seien, ist laut einschlägiger Studien nicht erwiesen. Ob ländliche oder städtische Grundschule, Gesamtschule oder Gymnasium, das Schikanieren geht an allen Schularten um. Am schwersten zu erfassen, weil die Formen subtiler werden, ist das Mobbing an den höheren Klassen mancher Gymnasien.
b) Lehrer gegen Schüler
Die Kommunikationsstruktur im Klassenzimmer - mit der herausgehobenen Position des Lehrers - ist hochanfällig für Mobbing. Es geht dabei nicht nur um "Pädagogische Ratschläge" und "Tipps", wie LehrerInnen im Klassenzimmer 'überleben' und dabei oft mit Methoden arbeiten, die aus anderem Blickwinkel das Selbstbild des Schülers beschädigen.
Allein die ganz normale Lehrertätigkeit der Bewertung von Schülern in der Ausleseschule setzt die oben beschriebene Spirale in Gang. Der ganze Vorgang, wie z.B. eine Arbeit zurückgegeben wird - Mimik, Gestik, Bemerkungen - vermittelt dem Schüler ein Gesamtbild seiner Leistung und damit seiner Person. Weil er dem nichts (oder kaum etwas) entgegensetzen kann, hat die Bewertung etwas von einem Generalurteil. Bis in die Sprache der Lehrer hinein ist dieses Bild der Leistung des Schülers ein Gesamtbild des Schülers. PISA hat belegt, dass ein großer Teil (2/3) von Schülern immer wieder die Rückmeldung erhält: "Du bist nicht gut genug!"
In der Regel ist Unterricht meist eine "Lehrer gewinnt : Schüler verliert" Situation. Das Leistungssystem mit der ständigen Bewertung des Schülers (nicht nur seiner fachlichen Leistung, sondern auch seines Sozialverhaltens, seines Engagements (oder Desinteresses) für einen Lerngegenstand, seiner formalen Fähigkeiten (aufmerksam sein, Hausaufgaben gemacht, ...) leistet dem Mobbing in der Klasse Vorschub, heizt es an, kanalisiert es.
"Das typische Mobbing-Opfer frisst seine Ängste in sich hinein, äußert sich nicht über den Frust und erlebte Hilflosigkeit, versucht verschiedenen Gegen- und Vermeidungsstrategien, bevor es die Rolle schließlich akzeptiert und die negative Definition in sein Selbstbild aufnimmt." Dieser Satz gilt besonders für das Leistungsselbstbild.
Unabhängig vom Lehrer ist also das System Schule ein System, das Mobbing begünstigt.
Orientiert wird sich hier an Horst Kasper (S. 24)
Mobbing kann in jeder Klasse auftreten, wobei die Häufigkeit des Auftretens abhängig ist von dem Phänomen der sozialen Gewalt und dem Sozial-Klima in der Klasse. Stimmt das Sozial-Klima in der Klasse und in der Schule, gibt es nur in seltenen Einzelfällen Mobbing, d. h. je offener eine Klasse, Lehrer sowie Schüler mit dem Thema umgehen, desto geringer ist das Klima für Mobbing. Da das Mobbing häufig aus zwischenmenschlichen Problemen resultiert, Mobbing deren Konsequenz ist, bildet Mobbing oft den Ausgangspunkt für eine kriminelle Karriere. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die zwischenmenschlichen Probleme nicht thematisiert und anders gelöst werden können.
Psychologen entwickeln im Eiltempo Programme, um Mobbing im Klassenzimmer und auf dem Schulhof abzubauen. Um Prävention leisten zu können, erkunden Wissenschaftler das Vorkommen und die Erscheinungsformen von Schulmobbing. Dazu erforschen sie Muster und Zusammenhänge, das typische Verhalten von Opfern und Tätern, die Reaktionen von Lehrern und Eltern. Anlass für die Studien ist nicht eine Zunahme des Phänomens im Zuge generell vermehrter Gewalt, sondern eine gesteigerte Sensibilität für das erhebliche Leiden durch Schulmobbing.
Die allgemein zunehmende Aufmerksamkeit, auch von Seiten der Eltern, zeigt dass es genauer Methoden bedarf, um Mobbingvorwürfe zu überprüfen. Es ist sehr schwer, normale Macht- und Statuskämpfe von systematischer Drangsalierung einzelner Schüler zu unterscheiden, vor allem da dauerhaftes Abwerten einzelner Schüler oft im Verborgenen passiert.
Sind Mobbing-Probleme erkannt, hilft es wenig, Täter zu ermahnen oder Opfer gar aus der Schule zu nehmen. Mobbing muss Thema der Klasse und der Schule werden. Der Konflikt muss ausgetragen werden. Nur mit vereinten Kräften von Lehrern, Schülern und Eltern ist es möglich, auf Dauer Aggressionen abzubauen und die Atmosphäre an der Schule zu verbessern.
Es gibt konkrete Versuche, gegen Mobbing an Schulen anzugehen: Lehrer, Schüler und Eltern versuchen dabei gemeinsam, dem Problem entgegenzuwirken. Mit den Schülern wurden feste Regeln zum Gewaltverzicht, einschließlich (nichtkörperlicher) Strafen, vereinbart. Ob sich die Regeln bewährt hatten, wurde wiederum in regelmäßigen Gesprächen überprüft. Nicht nur theoretisch, auch in Rollenspielen verarbeiteten die Kinder typische Konfliktsituationen. Das Schlimmste, so stellte sich heraus, war für hartnäckige Mobber, in andere Klassen geschickt oder von schönen Aktivitäten ausgeschlossen zu werden.
Die Kommunikation zwischen den attackierten Kindern und den Lehrern funktioniert meistens nicht: Nur jeder Dritte unter den Opfern teilt seinen Kummer den Lehrern mit, und nur jeder vierte Lehrer spricht ein Opfer von sich aus an. Diese Bilanz ist erklärbar einerseits durch die Hilflosigkeit der Betroffenen und auch der Lehrer angesichts der Vorgänge, andererseits aber auch durch die spezifische "Lernkultur" an Schulen, in denen Gefühle nicht zum Thema gemacht werden und soziales Lernen nicht auf dem Programm steht. Schule ist nach den offiziellen Definitionen nicht zuständig für diese Bereiche, sondern einzig für den zu vermittelnden Stoff und die Lernförderung der Schüler.
Angesichts der Mobbingproblematik und allgemein der zunehmenden Gewaltproblematik in Schulen ist die Frage zu stellen, ob diese Begrenzung auf reine Wissensvermittlung noch aufrechterhalten werden kann.
Häufig gibt es in der Schule auch erhebliche Widerstände die Ernsthaftigkeit des Mobbingproblem zu akzeptieren. Typische Abwehrreaktionen sind:
1. Bei uns gibt es kein Mobbing!
Siehe auch: Win-Win, 9-Stufen eines Konflikts, Dramadreieck, Mediation, SchulmediationSchüler, die mobben
Schüler, die gemobbt werden
Mobbing Intervention
Schüler gegen Schüler
Mobbing und Klassenklima
Mobbing-Prävention
Widerstände in den Schulen
2. Falls doch Mobbing vorkommt, ist es eine harmlose Form!
3. Wir können als Lehrer doch nichts dagegen tun!
Zum Abbau von systematischer Rempelei und Rüpeltum kann auch die Umgestaltung der Pausen und des Schulhofs beitragen: Möglichkeiten für Spiele und Bewegung, aber auch Ruhezonen sollten geschaffen werden. Weil Mobbing überwiegend in den Pausenzeiten stattfindet, sollten mehr Lehrer Aufsicht führen. Schulgewalt lässt sich mit solchen Anti-Mobbing-Programmen sicherlich nicht gänzlich beseitigen. Sie lassen sich aber gut mit Programmen der Schulmediation und mit Konfliktlösungsmodellen kombinieren und haben so einen Anteil daran, ein positiveres und menschenfreundlicheres Klima an den Schulen zu schaffen.