Militärritual
Der Begriff Militärritual bezeichnet den zeremoniellen Auftritt uniformierter Militärs außerhalb von Kampfeinsätzen. In den meisten Militärritualen unter Beteiligung der Bundeswehr spielt das 'Wachbataillon des BMVg' als speziell im Formaldienst ausgebildete Truppe eine zentrale Rolle. Die Bezeichnung "Militärritual" findet vor allem in pazifistischen bzw. antimilitaristischen Gruppen Verwendung. Staat und Streitkräfte selbst ziehen im Allgemeinen die Bezeichnung "militärisches Zeremoniell" vor.
In Militärritualen tritt der jeweilige Staat vor seinen Bürgerinnen und Bürgern und vor Repräsentanten und Bürgern anderer Staaten, in Form seiner Streitkräfte auf. In öffentlichen Zeremoniellen präsentiert sich das Militär und seine gegenwärtigen und vergangenen Handlungen.
Das Militärritual wird in diesem Sinne auch als Verkörperung des Monopols legitimer Gewalt des Staates den Bürgern gegenüber interpretiert; dies ist allerdings in Deutschland nicht haltbar, weil das Gewaltmonopol hier außer in sehr eng umgrenzten Ausnahmefällen nicht vom Militär (Verteidigungsministerium), sondern von der Polizei (Innenministerium) ausgeübt wird.
Die militärischen Staatsrituale in ihrer heutigen Form sind erst gemeinsam mit der modernen Staatlichkeit und dem modernen Militär entstanden, aber die Triumphzüge der römischen Legionen (die ja auch ein stehendes Heer bildeten) stellen durchaus vergleichbare Paraden dar.
Im 17. Jahrhundert wurden in Europa wiederum stehende Heere gebildet und kaserniert, Staatsbürokratien bildeten sich aus dem spät-feudalistische Hofstaat heraus und mussten finanziert werden. Hierzu wurden die feudalen Abgaben zunehmend zu Steuersystemen weiterentwickelt. Die Steuerleistungen erbrachte eine sich zunehmend durchsetzende Produktionssphäre und -form, der Kapitalismus. Dessen Rahmenbedingungen (z.B. Privateigentumsordnung, Vertragssicherheit) wiederum werden letztinstanzlich durch den Staat unter Berufung auf das Gewaltmonopol mit Hilfe von Polizei und Militär aufrechterhalten. Auch im 'Realsozialismus' des ehemaligen Ostblocks (oder heute: Nord-Korea) garantiert(e) das Militär die Rahmenbedingungen der staatlich-ökonomischen Herrschaftsordnung, Staats- bzw. Volkseigentum.
Die teilweise spektakulären Zeremonien der Militärrituale haben einen hohen Öffentlichkeitswert, sind auf die Teilnahme der Zuschauer und auf die große, erhebende Geste angelegt, sprechen zum Gefühl und zum Auge, was in neuerer Zeit durch die Massenmedien besonders verstärkt wird. Jede dieser Formen enthält selbst alle wesentlichen Merkmale eines Militärrituals. Die spezifische Wirkung jeder dieser Formen beruht allerdings auf der besonderen Bedeutung bzw. Ausprägung je bestimmter Merkmale.
Militärparaden wurden in der Geschichte auch immer wieder zur Machtdemonstration und Einschüchterung von Gegnern abgehalten, können also als politisches Mittel eingesetzt werden, das über die reine Präsentation weit hinausgeht.
Hauptsächlich aufgrund der historischen und der funktionalen Dimensionen bilden die öffentlichen Gelöbnisse der Bundeswehr einen der Hauptanstoßpunkte für die Protesttätigkeiten antimilitaristischer und pazifistischer Gruppen und Bewegungen. Deren Aktionsformen wiederum bilden in unterschiedlichem Maße Protestrituale aus, was in den Teilen der Bewegung nicht als schmerzlicher Widerspruch erfahren wird, die eher Militärkritik als Ritualkritik zum Ausdruck bringen wollen.
Seit der erweiterten Akzeptanz der Bundeswehr durch die Bevölkerung nach Ende des Kalten Krieges, den Friedensmissionen und besonders den Katastropheneinsätzen, dabei insbesondere im Inland, geschieht der Protest derartiger Gruppen allerdings nur noch durch eine derart verschwindende Minderheit, daß anwesende Feldjäger (Militärpolizisten) mehr zu tun haben, diese Demonstranten vor aufgebrachten Gästen zu schützen, als Zwischenrufe und Störungen durch sie zu vermeiden.
siehe auch: Demonstration, Prozession, MilitarismusHistorisch-systematische Ursprünge
Verschiedene Typen von Militärritualen
Zeremoniell des feierlichen Gelöbnisses / Eids
Hierbei gelobt der Rekrut: "Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen!" Mit diesem freiwilligen Gelöbnis erkennt der Soldat die soldatische so genannte Grundpflicht (§7 Soldatengesetz) sowie die sie verfeinernden Einzelpflichten (Verbot der politischen Betätigung im Dienst, Gehorsamspflicht im Rahmen der Vorgesetztenverordnung u.ä.) an. Abseits von dieser moralischen Bindung - die rechtliche Bindung besteht unabhängig davon - wird durch die Anwesenheit von lokaler Prominenz und Gästen, in der Regel auch Familienmitgliedern, die Verbindung zu denen, denen er dient und die er verteidigt, hergestellt.Protokollarische Empfangsrituale
Jeder Staatsgast wird mit 'militärischen Ehren' empfangen und verabschiedet. Bei der öffentlichen Darstellung des Treffens mit Staatgästen bilden die Ehrenformationen den Rahmen. Der militärische Staatsempfang ist ein protokollarisches Ritual, bei dem nicht nur gegenseitiger Respekt, sondern auch die jeweilige Souveränität - symbolisch repräsentiert durch Ehrenkompanien und militärische Musikkapellen, die die Nationalhymnen abspielen - demonstriert wird.
Ehren- und Trauerriten
Militärparaden
Viele Armeen der Welt zeigen sich und ihr Gerät üblicherweise bei Paraden.Großer Zapfenstreich
Da die Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland nur im Ausland an Paraden teilnehmen, z.B. im Rahmen internationaler Verbände, ist die spezifisch deutsche Form der militärischen Selbstpräsentation der Große Zapfenstreich - eine mit musikalischen und religiösen Elementen versehene Militärfeierlichkeit zu ganz besonderen staatlichen oder militärischen Anlässen. Insgesamt ist auf Grund der neueren deutschen Geschichte das militärische Zeremoniell der Bundeswehr im Vergleich zu anderen Streitkräften stark reduziert und betont schlicht gehalten. Der Große Zapfenstreich dient besonders als Bindeglied zwischen Streitkräften und Zivilisten; nach den Verdiensten der Streitkräfte beim Oderhochwasser beispielsweise sollte er im ehemaligen Katastrophengebiet stattfinden, wurde aber - gegen den Willen der Betroffenen und der Soldaten - von der Politik verhindert. Im Gegensatz dazu wurde der Große Zapfenstreich auch, beispielsweise in Berlin, von der politischen Führung angeordnet, um Stärke gegenüber der zivilen Verwaltung zu demonstrieren und Soldaten im Konflikt zwischen Stadt Berlin und damaliger Bundesregierung vorzuschieben.Inhaltlich-funktionale Bedeutung
Protestkundgebungen in der Bundesrepublik Deutschland