Milet
Milet (griechisch: Miletos oder Milatos, lateinisch: Miletus), auch Palatia (Mittelalter) und Balat (Neuzeit) genannt, war eine antike Stadt an der Westküste Kleinasiens.
Milet liegt etwa 80 km südlich der heutigen Stadt Izmir in der Provinz Aydin.
Die antike Stadt Milet lag auf einer in die Einfahrt des Golf von Milet hineinragenden Landzunge. Der Fluss Mäander, heute Büyük Menderes, der in diesen Golf mündet und große Mengen Sedimente mit sich führt, sorgte für eine zunehmende Verlandung des Golfes, an dem neben Milet auch noch andere griechische Poleis, wie Magnesia, Herakleia und Priene lagen.
Einige Kilometer von Milet entfernt befand sich das von der Stadt verwaltete und international bedeutende Apollon-Heiligtum von Didyma.
Es ist bislang nur ein einziger gesicherter neolithischer Siedlungsplatz in der Nähe Milets bekannt, jedoch finden sich bei Ausgrabungen in Milet immer wieder isolierte steinzeitliche und kupferzeitliche Funde.
Es existierte im Gebiet des Athenatempels eine bedeutende minoisch-mykenische Ansiedlung. Hinzu kommen einige reich ausgestattete Gräber auf dem Degirmen-Tepe. Das deckt sich mit antiken Quellen, in denen es heißt, dass Milet als erstes von Kretern besiedelt worden war. Zunächst ist die Siedlung minoisch (die ältesten Reste datieren ins 18. Jh. v. Chr.), ab ca. der 2. Hälfte des 15. Jh. v. Chr. zunehmend mykenisch geprägt. Der Übergang war fließend.
Ein Großteil der bemalten mykenischen Keramik wurde vor Ort gefertigt. Da zudem auch massenweise mykenische Gebrauchskeramik zum Vorschein kam, ist sicher, dass es sich nicht nur um Importe handelte, sondern tatsächlich viele Griechen in Milet lebten.
Auffallend ist, dass die Stadtmauer Milets stilistisch viel stärker hethitischen Befestigungsanlagen als denen von Mykene, Tiryns etc. ähnelt.
Die z. Z. herrschende Forschungsmeinung setzt das in hethitischen Quellen mehrfach erwähnte Milawanda mit Milet gleich. Im Gegensatz zu vielen mykenischen dem griechischen Festland wurde Milet nicht um 1200 v. Chr. zerstört. Erst gegen 1100 v. Chr. gibt es einen Bruch.
Der Überlieferung nach wurde Milet 1053 v. Chr. durch ionische Kolonisten neu gegründet. Einen Hiatus in der Besiedlung zwischen dem Milet der späten Bronzezeit und dem der protogeometrischen konnte nicht nachgewiesen werden. Im Gegenteil: immer mehr deutet darauf hin, dass Milet kontinuierlich besiedelt war.
Vom 8. Jh. v. Chr. an stieg Milet zu einer der bedeutendsten griechischen Poleis auf, übte zeitweise die Seeherrschaft über die Ägäis aus und gründete zahlreiche Kolonien, besonders am Schwarzen Meer, aber auch z. B. im ägyptischen Naukratis. Es kam zu Konflikten der griechischen Städte an der Westküste Kleinasiens mit den benachbarten Reichen der Lyder und später der Perser. Im 6. Jahrhundert v. Chr. wurde die Stadt erst vom Lyderkönig Kroisos, dann von den Persern unter Kyros II unterworfen. Ein von Milet ausgehender Aufstand der ionischen Griechen gegen das Perserreich scheiterte, Milet wurde 494 v. Chr erobert und zerstört. Herodot schreibt, dass die Einwohner verschleppt und umgesiedelt wurden, doch liegen substantielle Spuren der Wiederbesiedlung teilweise direkt auf der persischen Zerstörungsschicht, so dass zwischen diesen beiden Ereignissen nicht viel Zeit vergangen sein kann.
Die Zerstörung Milets durch die Perser 494 v. Chr. leitet die für die griechische Geschichte so wichtige Zeit der Perserkriege ein.
Nach dem Wiederaufbau erlangte die Polis nie wieder die Bedeutung, die sie in archaischer Zeit inne hatte.
Im 4. Jahrhundert, bis zum Alexanderfeldzug, stand die Stadt erneut unter persischer Oberherrschaft. In hellenistischer Zeit musste Milet sich zwischen den verschiedenen Mächten behaupten, die in Kleinasien herrschten, und wurde 133 v. Chr zusammen mit dem Königreich Pergamon Teil der römischen Provinz Asia.
In der römischen Kaiserzeit blühte die Stadt noch einmal auf, wurde mit zahlreichen Bauten geschmückt, blieb jedoch von untergeordneter Bedeutung, da die Römer Ephesos als Provinzhauptstadt wählten.
Ein starker Bevölkerungsrückgang ist seit der Spätantike zu verzeichnen. Die Besiedlung konzentrierte sich nunmehr auf das große Theater, in dessen Zuschauerraum Wohnhäuser errichtet wurden und das gegen feindliche Überfälle befestigt wurde. Zudem erbaute man in dieser Zeit auf der höchsten Stelle des Theaters ein Kastell, worauf der mittelalterliche Name Milets "Palatia" zurückzuführen ist. Als Bischofssitz kommt Milet in dieser Zeit eine überregionale Bedeutung zu.
Die Fürsten von Mentesche hatten zeitweise ihren Sitz in Milet. Sie erbauten zahlreiche repräsentative Gebäude. Die hervorragend erhaltene Ilyas Bey Moschee ist ein Beispiel.
Bis zu einem schweren Erdbeben 1955 bestand im Ruinengelände ein Dorf namens Balat. Nach dem Erdbeben verlegte man die Siedlung nach Süden, außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes.
Erste archäologische Untersuchungen führte O. Rayet 1873 durch. Ab 1899 begannen dann großangelegte Ausgrabungen im Stadtgebiet des antiken Milet unter der Leitung Theodor Wiegands. Diese Arbeiten wurden ohne Unterbrechung bis 1913 fortgeführt. Die beiden Weltkriege sowie die Kleinasiatische Krise unterbrachen die regelmäßige Forschungstätigkeit in Milet. 1938 konnte jedoch C. Weickert ein kurze Grabungskampagne durchführen. Regelmäßige Forschungen vor Ort wurden erst wieder 1955 begonnen. Die Leitung der Nachkriegsgrabungen unterlagen zunächst wieder C. Weickert, dann G. Kleiner und W. Müller-Wiener. Seit 1989 leitet V. v. Graeve die Ausgrabung.
Die Ausgrabung in Milet war 1899 begonnen worden mit dem Ziel, das Wissen über diese Stadt in archaischer Zeit zu vermehren, da Milet gerade in dieser Zeit eine herausragende Bedeutung zukam, etwa als Geburtsstätte der ionischen Naturphilosophie oder aufgrund des Schicksals der Stadt am Vorabend der Perserfeldzüge.
Tatsächlich erbrachten die Vorkriegsgrabungen hauptsächlich Ergebnisse zu den späteren Epochen. Archaische Funde und Befunde wurden nur am Kalabak-Tepe und am Athenatempel, sowie an vereinzelten Stellen im Stadtgebiet ergraben. A. v. Gerkan bezweifelte aufgrund dieses eher spärlichen Befundes, dass das archaische Milet an derselben Stelle wie die spätere Stadt gelegen hat.
Die Forschungen nach dem Krieg zielten daher vielfach darauf ab, die Thesen A. v. Gerkans zu entkräften. Verstärkt grub man daher am Athenatempel.
Die neueren Forschungen widmeten sich wiederum dem Stadtquartier auf dem Kalabak-Tepe, wo ein Teil der Stadtmauer bekannt war. Am südlichen Abhang des Hügels wurde ein Wohnviertel mit mehreren Töpferöfen freigelegt. Weiterhin konnte die Situation auf der Ostterrasse des Hügels geklärt werden, wo ein Heiligtum der Artemis Chitone lag. Auch Probleme der frühklassischen Wiederbesiedelung nach 494 v. Chr. wurden bei diesen Grabungen erhellt. Auch wurde ein bislang nur aus den Quellen bekanntes Heiligtum der Aphrodite von Oikous entdeckt.
Nach heutigem Forschungsstand kann es als gesichert gelten, dass das archaische Milet an der selben Stelle lag, wie die spätere Stadt.
Th. Wiegand konnte durch großräumige Flächengrabungen wichtige Erkenntnisse zur hellenistisch-römischen Zeit gewinnen:
Die Stadt besaß demnach ein orthogonales Straßensystem, dessen Erfinder Hippodamos von Milet gewesen sein soll. Der Verlauf der hellenistischen und späterer Stadtmauern wurde wiedergewonnen.
Aus Milet stammten u. a. folgende Personen:
Geographische Situation
Geschichte
Vor- und Frühgeschichte
Antike
Bronzezeit
geometrische Zeit
archaische Zeit
Klassische und Hellenistisch-römische Zeit
Byzantinische Zeit
Osmanische Zeit
Neuzeit
Archäologie
Geschichte der Ausgrabungen
Forschungsschwerpunkte
Archaische Zeit
Hellenistisch-römische Zeit
Wichtige Gebäude dieser Zeitstufe:Persönlichkeiten
Weblinks: