Medienbaukasten
Als Medienbaukasten bezeichnet man eine generelle bzw. generalisierende Medientheorie aus dem Jahr 1972 von Hans Magnus Enzensberger, die in der Tradition der emanzipatorischen Medientheorien von Brechts Radiotheorie steht.Siehe auch: Kritische Theorie, Medientheorie, Radiotheorie
Enzensberger knüpft in den frühen 70er Jahren an Brechts Aussagen aus den 1920er/30er Jahren an. Unter Rückbezug auf Horkheimer und Adornos Dialektik der Aufklärung (1947) formuliert er in seinem Medienbaukasten im kämpferischen 68er-Ton: "Mit der Entwicklung der elektronischen Medien ist die Bewusstsein-Industrie zum Schrittmacher der sozio-ökonomischen Entwicklung spätindustrieller Gesellschaften geworden".
Ähnlich wie Brecht, allerdings erheblich schärfer, weist er der aktuellen Erscheinungsform der Medien eine repressive Funktion zu: "In der heutigen Gestalt dienen Apparate wie das Fernsehen oder der Film nämlich nicht der Kommunikation, sondern ihrer Verhinderung. Sie lassen keine Wechselwirkung zwischen Sender und Empfänger zu: technisch gesprochen, reduzieren sie den feedback auf das systemtheoretisch mögliche Minimum".
Er meint allerdings, dass den Medien ein erhebliches progressives Potential zukomme: "Das offenbare Geheimnis der elektronischen Medien, das entscheidende politische Moment, das bis heute unterdrückt oder verstümmelt auf seine Stunde wartet, ist ihre mobilisierende Kraft".
In einem – eigentlich verblüffend hellsichtigen – Vorgriff auf die Technologien der späten 1980er Jahre erkennt Enzensberger: "Hinweise zur Überwindung dieses Zustandes könnten netzartige Kommunikationsmodelle liefern, die auf dem Prinzip der Wechselwirkung aufgebaut sind: eine Massenzeitung, die von ihren Lesern geschrieben und verteilt wird, ein Videonetz politisch arbeitender Gruppen usw."
Enzensberger sieht also, ebenso wie Brecht, ein erhebliches emanzipatorisches Potenzial in den neuen Medientechnologien, das jedoch noch aktiviert werden muss.Kernaussagen
Repressiver Mediengebrauch | Emanzipatorischer Mediengebrauch
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Zentralgesteuertes Programm | Dezentralisiertes Programm
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Ein Sender, viele Empfänger | Jeder Empfänger ein potenzieller Sender
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Immobilisierung isolierter Individuen | Mobilisierung der Massen
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Passive Konsumentenhaltung | Interaktion der Teilnehmer
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Entpolitisierungsprozess | Politischer Lernprozess
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Produktion durch Spezialisten | Kollektive Produktion
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Kontrolle durch Eigentümer oder Bürokraten | Gesellschaftliche Kontrolle durch Selbstorganisation
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Literatur