Martin Hohmann
Martin Hohmann (*4. Februar 1948 in Fulda) ist Politiker und Mitglied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Fulda. Als MdB trat er 1998 die Nachfolge von Alfred Dregger an. Wegen des Vorwurfs antisemitischer Äußerungen wurde Hohmann am 14. November 2003 als erster Abgeordneter überhaupt aus der CDU-Fraktion des Bundestages ausgeschlossen, am 20. Juli 2004 erfolgte der Ausschluss aus der Partei. Hohmann ist verheiratet und hat drei Kinder.
Ausbildung und Beruf
Nach dem Abitur 1967 leistete Hohmann zunächst bis 1969 seinen Wehrdienst ab, aus dem er als Reserveoffizier ausschied. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main und legte 1979 das zweite juristischen Staatsexamen ab. Von 1980 bis 1984 war er beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden tätig, zuletzt als Kriminaloberrat.
Karriere als Berufspolitiker
1980 wurde Hohmann Mitglied der CDU, 1990 Mitglied im Vorstand des CDU-Kreisverbandes Fulda. Von 1984 bis 1998 war er hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Neuhof. 1998 wurde er Mitglied des Deutschen Bundestages. Mit 54,0 % der Stimmen wurde er im Wahlkreises 132 (Fulda), dem ehemaligen Wahlkreis von Alfred Dregger direkt gewählt. Seit seinem Ausschluss aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 14. November 2003 ist er fraktionslos. Am 20. Juli 2004 wurde er vom zuständigen CDU-Landesverband Hessen aus der Partei ausgeschlossen.
Am 3. Oktober 2003 hielt Hohmann in Neuhof eine Rede zum Tag der Deutschen Einheit. Darin monierte er, "dass man als Deutscher in Deutschland keine Vorzugsbehandlung" genieße und stellte die Frage, ob es nicht sinnvoll sei, die Zahlungen an die EU sowie die Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter während des NS-Regimes und an die jüdischen Opfer des Holocaust angesichts der schlechten Wirtschaftslage zu verringern.
Um das Argument zu entkräften, dies sei aus historischen und moralischen Gründen nicht möglich, brachte er anschließend den Begriff "Tätervolk" in Zusammenhang mit "den Deutschenen" einerseits und "den Juden" andererseits. Er berief sich dabei auf Thesen des Universitätsbibliothekars Johannes Rogalla von Bieberstein und Henry Fords, der ein bekennender Antisemit gewesen war. Nach diesen Thesen, so Hohmann, könne man "mit einer gewissen Berechtigung ... nach der 'Täterschaft' der Juden fragen" und diese "mit einiger Berechtigung als 'Tätervolk' bezeichnen". Damit würde man nur "der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet". Im Nachhinein bestand Hohmann darauf, in seiner Rede ausgedrückt zu haben, dass der Begriff "Tätervolk" und der damit verbundene Vorwurf der "Kollektivschuld" sowohl "den Juden" als auch "den Deutschen" gegenüber absurd und unangebracht sei.
Im Folgenden die Passagen der Rede Hohmanns, die ihm denn Vorwurf des Antisemitismus einbrachten:
Anders als in den Medien zunächst berichtet, bezeichnete Hohmann die Juden in seiner Rede tatsächlich nicht explizit als Tätervolk, stellte aber gleichwohl fest, dass man sie unter gewissen Voraussetzungen so nennen könne und listete dafür eine ganze Reihe von Gründen auf. Diese Auflistung macht einen Großteil der Rede aus. Seine Argumentation ist ein klassischer Syllogismus, dessen Dreischritt sich wie folgt zusammenfassen lässt:
Von Hohmanns 120 Zuhörern, zumeist Mitglieder des CDU-Ortsverbands Neuhof, zeigte sich niemand über seine Äußerungen irritiert. In der Öffentlichkeit blieb die Rede zunächst unbeachtet. Erst nachdem der CDU-Ortsverband Neuhof sie auf seine Internetseite gestellt hatte, erschien am 27. Oktober 2003 ein kritischer Artikel der Journalistin Andrea Livnat in dem Online-Magazin Hagalil.com [1]. Darin heißt es:
Die Kritik an Hohmann richtet sich darauf, dass seine Argumentation schon deshalb falsch und tendenziell antisemitisch sei, weil ihre Prämissen nicht stimmten. Die zentralen Argumente gegen Hohmanns Ansichten lauten wie folgt:
Der Historiker Prof. Ulrich Herbert von der Universität Freiburg kam nach der Analyse von Hohmanns Rede zu folgendem Urteil:
Aus diesem Grund machte auch Benz Hohmann den Vorwurf, er habe sich die nazistische Definition der Juden als Volk, nicht als Religionsgemeinschaft, zu eigen gemacht, und sie in seiner Argumentation mit den nationalsozialistischen Tätern auf eine Stufe gestellt.
Atheisten wie der Marburger Prof. Hans Schauer verwahrten sich zudem gegen Hohmanns generellen Vorwurf, die "Gottlosen" aller Couleurs seien das "Tätervolk", das für die Katastrophen des 20. Jahrhunderts verantwortlich sei.
Auch Kritiker aus der eigenen Partei wie Jürgen Rüttgers und Heiner Geißler warfen Hohmann daher vor, er habe sich antisemitischer Vorurteile bedient und diese damit verstärkt. Rüttgers und Geisler forderten daher seinen Ausschluss aus Fraktion und Partei. Hohmann wies den Zuspruch von antisemitischer Seite, die er nach seiner Rede erhielt, zwar zurück, weigerte sich aber, die zumindest missverständlichen Passagen seiner Rede eindeutig zurück zu nehmen. Zitat Hohmann in der ZDF-Sendung "Frontal 21":
Die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel maßregelte Hohmann am 3. November 2003, hielt jedoch weitergehende Konsequenzen zunächst nicht für nötig, sofern Hohmann sich nicht erneut im Sinne seiner kritisierten Rede äußere. Wegen der fortgesetzten öffentlichen Diskussion beantragte sie eine Woche später schließlich doch seinen Ausschluss aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und kündigte auch an, seinen Ausschluss aus der CDU zu betreiben.
Nachdem die Parteispitze der CDU in Bezug auf Hohmann zunächst keine weiteren Konsequenzen ziehen wollte, übernahm sie am 10. November 2003 die Position Merkels. Am 14. November 2003 beschloss die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hohmann auszuschließen. Mit 78 % stimmten zwar mehr Abgeordnete für den Antrag als die erforderlichen zwei Drittel, jedoch weniger als erwartet. Es war der erste Fraktionsausschluss eines Unions-Abgeordneten in der Geschichte des Deutschen Bundestages.
Nach dem Bekanntwerden seiner Rede erntete Hohmann nicht nur Kritik, sondern fand auch Zustimmung, besonders in den Internetforen seiner Partei und verschiedener Medien. Auch mehrere prominente Unions-Politiker nahmen Hohmann in Schutz, darunter der CSU-Bundestagsbgeordnete Norbert Geis, der ehemalige Berliner Innensenator Heinrich Lummer, der CDU-Fraktionschef im sächsischen Landtag, Fritz Hähle sowie der frühere ZDF-Journalist Fritz Schenk. Der ehemalige SED-Funktionär, der später SPD-, dann CDU-Mitglied war, rief die "Initiative Kritische Solidarität mit Martin Hohmann" ins Leben. Zudem initiierte er eine Anzeigenkampagne in der FAZ und anderen deutschen Tageszeitungen, in der ein Verbleib Hohmanns in Partei und Fraktion gefordert wurde. Zu den Unterzeichneren des Apells gehörten u.a. der liberal-konservative Historiker Prof. Arnulf Baring und der Münchner Verleger Herbert Fleissner (CSU), der u.a. die Werke des als Holocaust-Leugner verurteilten Autors David Irving herausgibt. Nicht alle Unterzeichner - so etwa Baring - verteidigten Hohmanns Rede, sahen aber sein verfassungsmäßiges Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt.
Ungeachtet der Kritik von Seiten zahlreicher Fachhistoriker sprach die CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld in Interviews mit der Wochenzeitung Junge Freiheit und dem Nachrichtenmagazin Focus von einer "Medienkampagne" gegen Hohmann.
Vereinzelt erhielt Hohmann sogar Lob von jüdischer Seite . Der orthodoxe Rabbiner Moishe Friedmann, der wegen seiner Leugnung des Existenzrechts Israels höchst umstritten ist, forderte den Bundestag auf, Hohmann zu rehabilitieren [1]. Auch der wegen seines Werks "Die Holocaust-Industrie" gleichfalls umstrittene Autor Norman Finkelstein fand nichts an der Rede auszusetzen. [1].
Eine Fortsetzung erfuhr die Affäre Anfang November 2003 als Hohmann dem ZDF-Magazin "Frontal 21" einen Brief von Brigadegeneral Reinhard Günzel präsentierte. Der Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK) zollte Hohmann darin auf Bundeswehr-Briefpapier Beifall für seine Rede. Da der General damit gegen das für die Bundeswehr geltende politische Neutralitätsgebot verstoßen hatte, wurde er am 4. November 2003 von Bundesverteidigungsminister Peter Struck umgehend in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Hohmann entschuldigte sich später bei Günzel damit, der Reporter habe ihm versprochen, er wolle den Brief nicht namentlich in der Sendung präsentieren und positiv über Hohmann berichten.
Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Fulda lehnte am 5. Februar 2004 die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Hohmann ab. Seine Rede habe ihrer Auffassung nach keine Volksverhetzung im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB dargestellt, da weder das Tatbestandsmerkmal des "Aufstachelns zum Haß" noch das des "Angriffs auf die Menschenwürde anderer" gegeben sei.
Die Hohmann-Affäre
Der Anlass
Zitate aus Hohmanns Rede
Hohmanns Argumentation
Die Folgen
Erst dieser Artikel machte die Medien und die breite Öffentlichkeit auf die Rede aufmerksam. Hohmann geriet sofort bundesweit unter heftige Kritik sowohl von Seiten der Medien als auch von Politikern anderer Parteien und schließlich auch der CDU. Die allgemeine Kritik
Kritische Stimmen von Historikern
Im gleichen Sinne argumentierte Prof. Wolfgang Benz, der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung in Berlin. Er verwies angesichts von Hohmanns Behauptung, man könne wegen der Beteiligung einzelner Juden an Erschießungskommandos der Tscheka die Juden insgesamt "mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen" auf die gleichlautende Argumentation der antisemitische Nazi-Propaganda:
Der Historiker Jörg Baberowski von der Berliner Humboldt-Universität warf Hohmann vor, die Gründe unterschlagen zu haben, warum relativ gesehen, viele Juden auf Seiten der Revolution gegen das zaristische Regime gestanden hatten: weil sie in Russland eine diskriminierte und verfolgte Minderheit waren, die seit Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts immer wieder staatlich geduldeten oder sogar propagierten Pogromen ausgesetzt waren. Baberowski machte aber auch deutlich, dass innerhalb der jüdischen Bevölkerung Russlands die Bolschewiki wiederum eine verschwindend kleine Minderheit dargestellt haben, eine Minderheit zudem, die sich ausdrücklich weder ethnisch noch religiös als Juden bezeichnet habe. Reaktionen in der der CDU
Diese Haltung Hohmanns führt schließlich zu seinem Ausschluss aus der CDU-Bundestagsfraktion und aus der Partei.Fraktionsausschluss
Parteiausschluss
Die hessische CDU leitete am 21. November ein parteiliches Untersuchungsverfahren gegen Hohmann ein, das am 20. Juli 2004 zu seinem Parteiausschluss führte. Hohmann, so die Begründung des Parteigerichts habe "schuldhaft und erheblich gegen die Grundsätze und die Ordnung der Partei verstoßen". Er habe in einer Rede "Judentum und Bolschewismus argumentativ verknüpft" und damit ein "anstößiges Klischee verwendet", das schon von den Nazis zur Rechtfertigung des Holocaust verwendet worden sei. Zudem habe sich Hohmann "nicht eindeutig" von der Rede distanziert und seiner Partei somit "schweren Schaden" zugefügt. Hohmann kündigte an, gegen das Urteil des Parteigerichts Rechtsmittel einzulegen.Unterstützung für Hohmann
Hohmann und Günzel
Ermittlungen gegen Hohmann eingestellt
Literatur
Weblinks