Lotte H. Eisner
Lotte H.(enriette) Eisner (* 1896 Berlin , † 1983 Paris) war eine deutsch-französische Filmhistorikerin.Die Tochter eines jüdischen berliner Kaufmanns studierte Kunstgeschichte, alte Geschichte und Archäologie in Berlin und München. Seit 1927 schrieb sie Kritiken und Reportagen für den Filmkurier, die damals rennomierteste deutsche Filmzeitschrift und war damit eine der ersten Filmkritikerinnen. 1933 emigrierte sie nach Frankreich. Nachdem die Deutschen Frankreich 1940 erobert hatten, mußte sie sich verstecken, wurde aber aufgespürt und im Konzentrationslager Gurs in Südfrankreich interniert. Von 1945 bis 1975 war sie Chefkonservatorin der Cinémathèque Francaise. Hier machte sie sich besonders um den Aufbau des Filmmuseums verdient, für das sie in der ganzen Welt Kostüme, Fotos, Drehbücher Ausstattungsgegenstände, Kameras und vieles mehr zusammentrug. Das Museum wurde im Juni 1972 im Palais de Chaillot in Paris eröffnet.
Bekannt ist Eisner vor allem durch ihr berühmtes Buch "Die Dämonische Leinwand", über den expressionistischen deutschen Stummfilm. Das Buch erschien 1952 zuerst auf französisch, 1955 dann auf Deutsch. Ihre 1964 auf französisch veröffentlichte Monographie über Friedrich Wilhelm Murnau brauchte immerhin schon 15 Jahre bis zu einer vollständigen deutschen Ausgabe (die Ausgabe von 1967 im Velber Verlag ist stark gekürzt). Ihr profundes Buch über Fritz Lang erschien zuerst 1976 in einer dürftigen und gekürzten englischen Übersetzung, 1984 in einer vorzüglichen französischen Ausgabe und hat es bisher immer noch nicht zu einer deutschen Ausgabe gebracht und das, obwohl es auf Deutsch geschrieben ist. (Im Herbst 2004 soll es im belleville-Verlag, München, endlich erscheinen... )
Eisner setzte sich seit den sechziger Jahren sehr für die Regisseure des neuen deutschen Films ein und wurde von diesen als eine Art geistige Mutter verehrt. Werner Herzog (1984): "Die Eisnerin, wer war das für den neuen deutschen Film ? Wir sind eine Generation von Waisen, es gibt keine Väter, allenfalls Großväter, auf die wir uns beziehen konnten, also Murnau, Lang, Pabst, die Generation der zwanziger Jahre. Es ist ja seltsam, daß die Kontinuität im deutschen Film durch die Barbarei der Nazi-Zeit und die darauf folgende Katastrophe des zweiten Weltkriegs derart radikal abriß. Der Faden war zuende, eigentlich vorher schon. Der Weg führte ins Nichts. Da klaffte eine Lücke von einem ganzen Vierteljahrhundert. In der Literatur und in anderen Bereichen war das keineswegs so dramatisch spürbar. Deshalb hat uns Lotte Eisners Anteilnahme an unserem Schicksal, also an dem der Jungen, eine Brücke in einen geschichtlichen, einen kulturgeschichtlichen Zusammenhang geschlagen." Herzog machte 1979 auch einen Film über sie, "Die langen Ferien der Lotte H. Eisner", in dem sie ausführlich ihr Leben erzählt. Postum erschien 1984 ihre Autobiographie unter dem von Heinrich Heine entlehnten Titel "Ich hatte einst ein schönes Vaterland".