Lomonossow
Die Stadt Lomonossow hieß bis 1948 Oranienbaum und trägt diesen Namen auch heute noch im Untertitel, vor allem seit aus Leningrad wieder Sankt Petersburg geworden ist. Im Wappen führt die Stadt deshalb einen Orangenbaum.
Der heutige Namensgeber, Michail Wassiljewitsch Lomonossow (1711 - 1765), war ein regelrechter Universalgelehrter. Er stammte aus einer armen Fischersfamilie, studierte unter anderem in Marburg, wo er eine Marburgerin heiratete, und in Freiberg (Sachsen), war Dichter, Naturwissenschaftler und Reformer der russischen Sprache. Er gründete Moskaus große Universität, die seinen Namen trägt, begründete Russlands Metallurgie, Geologie, Meteorologie, Geografie und Kartografie, engagierte sich auch als Geschichtsforscher, reorganisierte die Sankt Petersburger Wissenschaftsakademie und schuf die ersten Glasmosaike Russlands. In der Nähe des heutigen Lomonossow gründete er ein Farbglaswerk. Heute trägt Russlands berühmteste Porzellanfabrik in Sankt Petersburg seinen Namen.
Michail Lomonossows Privatbibliothek gelangte 1832 durch eine Schenkung der russischen Regierung an die Universitätsbibliothek Helsinki, was dann sehr lange Zeit in Vergessenheit geriet. Erst der jetzt in Charlottesville, Virginia, USA, lebende aus Moskau stammende russische Gelehrte Jewgenij Benjaminowitsch Beschenkowski (Eugene Benyaminovich Beshenkovsky) hat den Bücherschatz Lomonossows wiederentdeckt, im Jahre 2004 in vollem Umfange (etwa 10 000 Titel).
Oranienbaum entstand 1710 mit der Errichtung des Palastes und Parkkomplexes für Herzog Alexander Menschikow, einen engen Berater Peters des Großen und ersten Generalgouverneur von Sankt Petersburg. Es heißt, dass Menschikow die Ansiedlung nach den in der Orangerie des Schlosses gezüchteten Orangenbäumen benannte.
Die zahlreichen Paläste und Parks von Oranienbaum dienten bis 1917 als Sommerresidenzen der königlichen Familie und des Adels. Auch Kaiserin Katharina II. (die Große), die aus Deutschland stammte, hatte dort eine Sommerresidenz, den Chinesischen Palast. Das Innere und das Äußere sind von ausgesuchter Schönheit. Die Palastgebäude bieten eine sehr seltene Sammlung handwerklicher Kunst des 18. Jahrhunderts, darunter russisches und Meißner Porzellan, erlesenes Mobiliar und Emaillearbeiten. Katharina die Große holte zahlreiche Deutsche, auch aus Hessen, als "Kolonisten" in ihr neues Heimatland. Sie wurden zunächst in Oranienbaum in Kasernen untergebracht und dann auf ganz Russland verteilt. Einige durften im Sankt Petersburger Gebiet bleiben.
Berühmtester Sohn der Stadt ist der Komponist Igor Strawinsky. Berühmte Künstler, Schriftsteller und Komponisten wie Nekrasow, Schischkin und Mussorgski wohnten und arbeiteten hier. Häufige Besucher waren Djuma, Puschkin, Saltikow-Schedrin und Turgenjew.
Im Zweiten Weltkrieg wurde Lomonossow von den sowjetischen Truppen gegen die deutschen gehalten. Dadurch blieben die zahlreichen Kunstschätze der Stadt vor der Zerstörung bewahrt. Zur Zeit wird überall restauriert. Nach dem Kriege war Lomonossow durch seine maritimen Militäranlagen bis zur Perestroika von der Außenwelt abgeschnitten.
Heute ist vom Militär wenig zu sehen, dafür aber gibt es ein pulsierendes Zivilleben. Rund 500 Kleinbetriebe und einige wenige größere haben sich angesiedelt. Die Bürger hungern nach Kontakten zur Außenwelt. Lomonossow unterhält offizielle Partnerschaften mit zwei amerikanischen Städten und einer finnischen Stadt. Das besondere Interesse aber gilt Deutschland. Viele Bürger lernen Deutsch. An der Schule ist Deutsch nach Englisch die wichtigste FremdspracheGeschichte und wirtschaftliche Entwicklung