Levirat
Levirat (von lat.-neulat. levir, Schwager), auch: Schwagerehe, Notehe (Gunkel), Jebamoth (hebr.: יבמות, jewamôth, Schwagerehe, nach: יבם, jawam, Schwager), Bezeichnung der Heiratsverbindung einer Witwe mit dem Bruder oder eines anderen nahen Verwandten ihres verstorbenen Ehemannes im Alten Testament und darüber hinaus bei Naturvölkern (Anthropologie).Ziel ist die Zeugung weiterer Nachkommen (und Erben) für den Namen des Verstorbenen, um seine Linie und seinen Besitz abzusichern. Oft ist bei einem Levirat eine erneute Hochzeit nicht von nöten, da die Frau als weiterhin mit ihrem verstorbenen Gatten verheiratet betrachtet wird. Die aus einer solchen Verbindung stammenden Kinder gelten als legitime Nachfolger und Erben des verstorbenen Gatten, obwohl er nicht deren Genitor ist.
Das Levirat (und die Verplichtung dazu) hatte im Judentum Rechtskraft. Die wichtigsten Belegstellen sind (GEN 38), LEV 18,15, DTN 25,7.9 und RU 1,15. Alttestamentliche Beispiele für die Schwagerehe finden sich auch in der Geschichte von Onan, Tamar und Juda und im Buch Ruth 4,5. Im Islam war das Levirat ebenfalls gebräuchlich. Zu beachten ist allerdings, dass diese Gesetze aus einer Zeit stammen, in der die Polygynie nichts ungewöhnliches war. Mit Durchsetzung der Einehe verschwand auch das Levirat aus dem Judentum.
Während die zumindest teilweise matrilinear organisierte altisraelitische Gesellschaft die Schwagerehe kannte, kommt diese Institution hiernach ausschließlich in streng patrilinearen Systemen vor und ist mit der Polygynie und der Brautgabe eng verbunden. In einigen Gesellschaften mit Levirat steht der Gedanke der posthumen Fortsetzung der Linie für Männer, die keine Söhne zeugten, im Zentrum. In Allianzgesellschaften ist das Levirat eher eine Strategie zur Erhalten existierender Heiratsbeziehungen zwischen Verwandtschaftsgruppen (Lineages) über den Tod der Ehegatten hinaus.
Das Levirat unterscheidet sich grundsätzlich von der beispielsweise bei den Nuern praktizierten Geistheirat, bei der der stellvertretende Ehemann die Frau tatsächlich heiratet (wenn auch im Namen eines Anderen). Bei einer Leviratsheirat in diesem Stamm wurden die nötigen Rituale bereits vom legalen Ehemann durchgeführt - der Bruder geht als stellvertretender Ehemann keine neue Heirat ein, er tritt nur in eine bereits bestehende Familie ein. Die Witwe wird auch nach der Leviratsheirat als Frau des Verstorbenen bezeichnet. Die Kinder aus einer solchen Verbindung sind legale Mitglieder der Familie des Verstorbenen und nicht ihres sozialen Vaters, obwohl dieser in den meisten Fällen ihr Genitor ist.
Das so genannte Junior-Levirat ist eine besonders häufige Form des Levirats. Hierbei heiratet die Witwe den jüngeren Bruder ihres verstorbenen Ehegatten. Eine andere Sonderform des Levirats ist das so genannte Antizipatorische Levirat. Hier wird dem jüngeren Bruder sexuellen Zugang zur Ehefrau seines noch lebenden älteren Bruders zugestanden. Das antizipatorische Levirat kann auch als Grenzfall der fraternalen Polyandrie beziehungsweise der Polykoitie betrachtet werden. Antizipatorisches Levirat kommt nur noch bei den Jat in Nordindien), den Comanchen und den Shoshonen vor.
Literatur
siehe auch: Ehe, Eheform, Frau im Alten Testament, Geistheirat, Sororat, Witwe, Witwenkonkubinat