Leopold II. (Belgien)
Leopold II. (* 9. April 1835, Brüssel - † 17. Dezember 1909, Schloss Laeken, Brüssel, eigentlich Louis Philippe Marie Victor) folgte seinem Vater Leopold I auf den Thron und war von 1865 bis 1909 König der Belgier. Er galt als hervorragender Diplomat und Geschäftsmann. Das bemerkenswerteste an seiner Regentschaft waren seine Aktivitäten im Kongo, wo er den Unabhängigen Kongostaat gründete, dessen Besitzer er ab 1885 eine Zeitlang war. In dieser Zeit wurden - unter Einsatz von Gewalt - vor allem Elfenbein und Gummi exportiert. Schätzungen zu Folge sind dabei rund zehn Millionen Einwohner des Kongo gestorben. (Diese Zahl stammt von dem amerikanischen Autor Adam Hochschild, s. Literatur, und ist in der Höhe umstritten.) 1908 wurde der Kongo Eigentum des belgischen Staates und im Zuge dessen in Belgisch-Kongo umbenannt.
Leopold trat bereits in in jungen Jahren der belgischen Armee bei.
Am 22. August 1853 heiratete er Marie Henriette Anne von Habsburg-Lothringen, Erzherzogin von Österreich (* 23. August 1836 in Pest, Österreich-Ungarn [heutiges Budapest, Ungarn]; † 19. September 1902 in Spa, Belgien), die Tochter von Erzherzog Joseph von Österreich (1776 - 1847, dem Sohn von Kaiser Leopold II, 1747 - 1792).
Dieser Verbindung entstammen vier Kinder:
Lebenslauf
Leopold zeugte außerdem zwei uneheliche Söhne - Lucien Philippe Marie Antoine (1906-1984) und Philippe Henri Marie François (1907-1914) - deren Mutter, seine Mätresse Blanche Zélia Joséphine Delacroix (1883-1948, aka Caroline Lacroix), er fünf Tage vor seinem Tod am 12. Dezember 1909 heiratete. Die Hochzeitszeremonie, die nach belgischem Recht nicht legitimiert war, fand im Palmenpavillon von Schloss Laeken statt.
Als Leopold am 17. Dezember 1909 starb, war er ein Paria, mit dem weder die anderen europäischen Monarchen noch seine Untertanen oder seine eigene Familie etwas zu tun haben wollten. Er hatte seine Töchter verstoßen, seine Geschwister hielten die Beziehung zu seiner Geliebten für eine Mesalliance und was die internationale Gemeinschaft angeht - die las "The Times" und war über den Völkermord im Kongo informiert. Auf den Thron folgt ihm sein Neffe Albert I nach. Leopold II. wurde in der königlichen Gruft auf dem Friedhof Laeken (Brüssel) beigesetzt.
1871 begann Henry Morton Stanley (eigentlich John Rowlands, 1841 - 1904) eine Expeditionsreise nach Afrika. Die Expedition wurde vom New York Herald bezahlt, seine Aufgabe wares, den berühmten David Livingstone zu finden - was ihm in der Nähe des Tanganyaka-Sees auch gelang. Stanley veröffentlichte seine Reisenotizen auch als Buch. Leopold II verfolgt seine Aktivitäten. 1874 brach Stanley zu einer zweiten Expedition auf, diesmal nach Zentralafrika . Er reiste 11.000 Kilometer weit, von Ostafrika bis zur Atlantikküste, u. a. auf dem Kongo-Fluss. Seine Reisenotizen wurden wieder im New York Herald und in Europa im Daily Telegraph veröffentlicht.
Leopold II las Stanleys Berichte, suchte seine Bekanntschaft und unterstützte und förderte ihn daraufhin. Dies kam Stanley zu Gute, der 1879 mit dem französischen Entdecker Pierre Savorgnan de Brazza um den Anspruch auf die Kongo-Region wetteiferte.
1878 gründete Leopold II das "Comité d'Études du Haut Congo (CEHC)" - das Komitee zur Untersuchung des Oberlaufs des Kongos. Er beschäftigt Stanley damit, die Untersuchungen durchzuführen. Während die offizielle Mission wissenschaftlicher oder philanthropischer Natur war, beauftragte er Stanley insgeheim damit, Land zu erwerben und Elfenbein mitzubringen. 1879 wurde das Komitee umbenannt in die "Association Internationale du Congo - Internationale Vereinigung des Kongos".
Stanley gründete einige Siedlungen, darunter Leopoldville (heute Kinshasa) und begann mit dem Bau einer Piste von der Mündung des Kongo entlang der Kongofälle, 200 km lang, bis Stanley Pool (heute Pool Malebo). Ab dort ist der Kongo schiffbar. Bei diesem Projekt kamen viele der zwangsweise rekrutierten Einheimischen um. Er schloss außerdem mit etwa 450 Stammesfürsten Verträge ab, in denen diese ihr Land Leopold II überschreiben. Stanleys rücksichtsloses Vorgehen wurde in England stark kritisiert und brachte ihm den afrikanischen Spitznamen Bula Matari ("der die Steine bricht") ein.
1884/85 fand in Berlin die Kongokonferenz statt, organisiert von Otto von Bismarck. Leopold II nahm nicht persönlich teil. Doch durch geschicktes Taktieren gelang es ihm, dass die 14 europäischen Staaten und die USA bestätigen, dass der "Etat indépendant du Congo" ins Privateigentum von Leopold überging. Der Staat war mit rund 2,34 Mio. Quadratkilometern über siebzig Mal so groß wie das Königreich Belgien. Am 5. Februar 1885 erklärte Leopold den Kongo zu seinem Privatbesitz.
Der Kongo gehörte nun Leopold II. Er heuerte Söldner an und beutete den Kongo aus. Zunächst wurde Elfenbein nach Europa geliefert. Bald kam Gummi hinzu, denn 1844 hatte Charles Goodyear ein Patent für die Vulkanisierung von Gummi erhalten und so konnten Reifen hergestellt werden - der Bedarf wuchs ständig.
1888 erließ Leopold drei Dekrete. Das erste verbot Waffenhandel, das zweite legte die Bedingungen für die Beschäftigung einheimischer Arbeiter fest und das dritte bildete die Basis für die Schaffung der Force Publique, einer Art Armee. Er überzeugte das Belgische Parlament, ihm 10 Millionen Franken vorzuschießen für seine Projekte im Kongo. Es wurde mit dem Bau einer Eisenbahn von der Flussmündung bis Stanley Pool begonnen. Sie wurde 1898 fertiggestellt.
1890 wurde auf der 33. Sitzung der Brüsseler Konferenz beschlossen, dass dem Sklavenhandel in Afrika ein Ende gemacht werden solle. Zunächst wurde nur Elfenbein nach Europa verschifft. Doch es gab - außer den später entdeckten Bodenschätzen - noch etwas im Kongo: Gummi. 44 Jahre nachdem Goodyear die Vulkanisierung des Kautschuks patentieren liess, erfand John Boyd Dunlop den Gummireifen. Er war angesichts der damaligen gepflasterten Straßen und den Schlaglöchern auf den Landstraßen ein riesiger Erfolg. Diese Erfindungen führten zu einer riesigen Nachfrage nach Gummi. Die Truppen des Königs pressten Gummirohstoff aus den Bewohnern des Kongo. Dörfer wurden überfallen und die Bewohner erhielten den Auftrag, eine bestimmte Menge Gummi zu sammeln, sonst wurde das ganze Dorf niedergebrannt. Wer zu fliehen versuchte, wurde erschossen. Als Beweis für den Verbrauch von Gewehrkugeln mussten die Truppen für jede verbrauchte Kugel die Hand des Opfers vorlegen. Die Hände wurden deshalb auch Lebenden abgehackt, irgendwie musste man ja verbrauchte Kugeln erklären.
Die Methoden, mit denen die Soldaten des Königs das Gummi erpressten, sind unter anderem nachzulesen in Joseph Conrads Buch Herz der Finsternis (veröffentlicht 1899). Conrad (1857 -1924) hatte als 1890 Kapitän eines Flussschiffes angeheuert. Er wurde jedoch schon bald nach seiner Ankunft krank - und was er mit ansehen musste, ließ ihn sobald wie möglich nach England zurückkehren. Unter anderem sah er, wie die Soldaten Körbe voller verwesender Hände zu ihren Stützpunkten schafften, zum Zählen. Er sah auch, wie an einem Stützpunkt die Köpfe von Hingerichteten auf Pfählen ausgestellt waren.
1891 führte der kanadische Entdecker und britische Militärkommandant William Stairs im Auftrag Leopold II. eine Expedition an, die Belgien die Kontrolle über die Kupfergebiete von Katanga sicherte.
Ab 1904 zeigten die Kampagnen einiger Missionare und Zeitungsmacher Erfolge, die die Missstände öffentlich anprangern. Große Zeitungen berichten regelmäßig, die Kirchen verurteilen die Behandlung der Bevölkerung. Initiiert wurde die Kampagne von Edmund Dene Morel, er hatte für eine Reederei gearbeitet, die im Auftrag Leopolds Waren von und nach dem Kongo brachte. Er wurde aufmerksam, weil die Schiffe aus dem Kongo vollbeladen waren mit Elfenbein und Kautschuk, auf dem Rückweg aber nur Waffen und Munition transportiert wurden. Das schien ihm ein seltsamer Warenaustausch. Er gab einen regelmäßigen Rundbrief heraus mit Berichten aus dem Kongo, die er von Missionaren und Reisenden erhielt.
1908 verurteilten gar die Regierungen Großbritanniens und der USA das Herrschaftssystem Leopolds. Auf Druck des Parlaments stimmte er einem Gesetz zu, dass aus dem Kongo eine Kolonie machte, "Belgisch-Kongo", und diesen Unabhängigen Kongostaat an Belgien überschreibt.
Selbst die Internetseite des belgischen Königshauses schreibt "Aufgrund der durch die Europäer in Afrika begangenen Exzesse wird der Ruf von Leopold sowie der seines überseeischen Werkes in Frage gestellt".
Zwischen 1880 und 1920 wurde die Bevölkerung des Kongo etwa halbiert - Adam Hochschild (s. Literatur) gibt an, dass mehr als zehn Millionen Menschen an Erschöpfung und Unterernährung starben oder Opfer von Mord und Krankheiten wurden. Er zählt alledings auch Kinder zu diesen 10 Millionen, die nie geboren wurden, weil ihre Eltern vorher starben. Die Zahl ist in dieser Höhe daher umstritten.
Siehe auch: Geschichte der Demokratischen Republik Kongo
Der Beginn der Regierungszeit Leopold II. ist geprägt von parlamentarischen Auseinandersetzungen über Wahlrechts- und Bildungsfragen.
Nach dem deutsch-französischen Krieg legte Leopold großen Wert auf die militärische Verteidigung als Voraussetzung für die Neutralität, doch die allgemeine Wehrpflicht konnte er erst auf seinem Totenbett am 14. Dezember 1909 durchsetzen.
Leopold setzte das Geld aus dem Kongo für Bauten ein. Er baute seine Residenz, das Laekener Schloss, um und legte im Schlosspark große Gewächshäuser an. Er ließ die Avenue Louise bauen, den Jubelpark mit Triumphbogen (zum 50. Geburtstag Belgiens 1881), die Avenue de Tervuren, die zum ebenfalls von ihm gebauten Afrikamuseum im etwa 10 km gelegenen Tervuren führt, sowie Bauten in Spa in den Ardennen, die Gileppe Talsperre und andere mehr.
1900 wandelte er diesen Besitz in eine königliche Schenkung um und übergab ihn dem Staat, der nun für den Erhalt aufkommen musste. In den Schenkungsbedingungen ist unter anderem festgelegt, dass das Volk nur während zweier Wochen im Jahr Zugang zu den königlichen Gewächshäusern hat, die es finanziert.
Viele prominente Schriftsteller beteiligten sich an der internationalen Verurteilung der Ausbeutung des Unabhängigen Kongostaates durch Leopold II. Die bekanntesten sind Sir Arthur Conan Doyle, Booker T. Washington sowie
Afrika
Kolonien - die Geburt einer Idee
Belgien ist ein kleines Land, im europäischen Machtgefüge unbedeutend. Man sagt Leopold II nach, er habe über seine Landsleute geurteilt: "Petit pays, petit esprit" - kleines Land, klein an Geist. In diesem kleinen Land hatte er zudem noch wenig Macht. In ihm entwickelte sich - vielleicht auch deshalb - ein starkes Interesse an Kolonien. Allerdings zu einem Zeitpunkt, wo die Welt schon weitgehend durch bestehende Kolonialmächte aufgeteilt war. Weder die belgische Regierung noch seine Untertanen schienen jedoch sehr an Kolonien interessiert und als konstitutioneller Monarch hatte er wenig Macht, seine Ideen durchzusetzen. Von seiner Krönung an versuchte er, das belgische Parlament von seiner Vision einer Kolonialmacht zu überzeugen. Er erlitt mehrere Niederlagen und suchte andere Wege. Stanley
1876-1885: Der Kongo, Landnahme
1876 finanzierte Leopold II eine internationale geographische Konferenz in Brüssel. Er schlug die Gründung eines gemeinnützigen Komitees vor zur "Verbreitung der Zivilisation unter den Völkern der Kongoregion durch wissenschaftliche Untersuchung, legalen Handel und Kampf gegen arabische Sklavenhändler". Die "Association internationale africaine" wurde gegründet, mit Leopold als Präsident. Er engagierte sich gegen den Sklavenhandel. Dazu rief er später die "Brüsseler Konferenzen" ins Leben, die den Sklavenhandel bekämpfen.1885-1908: Der Kongo-Freistaat
Verbrechen und Verlust des Kongo
Es gibt unterschiedliche Berechnungen, wie viele Menschenleben Leopolds Herrschaft geopfert wurden. Adam Hochschild spricht von 10 Millionen Menschen. Allerdings rechnet er dort auch ungeborenen Kinder ein, die nicht zur Welt kamen, weil ihre Eltern vorher starben. Viele Menschen wurden auch verstümmelt, konnten sich selbst und ihre Familie nicht mehr ernähren und starben an Unterernährung. Weitere Außenpolitik
Während des deutsch-französischen Kriegs 1870/71 spricht er sich für die Neutralität seines Landes aus und es gelingt ihm, sein Land aus den kriegerischen Handlungen herauszuhalten.Aktivitäten in Belgien
Schriften über Leopold II.
In neuerer Zeit hinzugekommen:
Der US-amerikanische Dichter Vachel Lindsay schrieb:
Grob übersetzt (wer kann die Übersetzung verbessern, vielleicht sogar gereimt?):
Literatur
Weblinks
Vorgänger: Leopold I | Liste der belgischen Regenten | Nachfolger: Albert I |