Leib-Seele-Problem
Das Leib-Seele-Problem stellt die Frage nach dem Zusammenhang zwischen körperlichen (Leib, Körper) und geistigen Vorgängen (Geist, Denken, Seele, Bewusstsein).Die Grundfragen sind dabei folgende:
- Wie kommt die Welt in unseren Kopf?
- Wie wird ein Gedanke zur Tat?
- Existiert unser Geist (oder unsere Seele) auch unabhängig von unserem Gehirn?
- Gibt es eine eigenständige mentale Substanz = Geist?
- Ist Geist nur die Information, die in unserem Gehirn aufgenommen, gespeichert, verarbeitet und ausgegeben wird?
- Der Idealismus meint, die physikalische Welt um uns herum sei nur eine geistige Vorstellung und existiere nur in unseren Köpfen.
- Der Dualismus meint, Geist und Materie seien zwei verschiedene Substanzen, die an bestimmten Stellen miteinander kommunizieren können.
- Der Materialismus (oder auch Physikalismus, Monismus) meint, es gebe nur Materie und Energie. Geist sei keine eigenständige Substanz, sondern nur eine Eigenschaft von Materie und Energie.
Seit die Biologie, v.a. die Neurobiologie im 20. Jhd. begann, sich mit ähnlichen Fragen zu beschäftigen, gibt es eine lebhafte Debatte zwischen Philosophen und Neurobiologen.
Auch die KI Forschung ist dabei, die Diskussion zu versachlichen und entscheidend zu beeinflussen.
Durch die Arbeiten auf den verschiedensten Wissenschaftsgebieten verlagert sich das Problem weg von einer mehr theoretisch philosophischen Diskussion hin zu praktischen, experimentell überprüfbaren und anwendungsorientierten Einzelfragen.
Rene Descartes hat das Leib-Seele-Problem in der neuzeitlichen Philosophie aufgeworfen, indem er zwar den dualistischen Standpunkt vertrat, dass es zwei Substanzen gibt - res extensa (Materie) und res cogitans (Bewusstsein) nämlich. Aus empirischen Gründen sah er sich jedoch zur Annahme einer Wechselwirkung zwischen beiden genötigt.
Die gegenseitige Beeinflussung findet seiner Meinung nach nicht direkt statt, sondern durch die Vermittlung eines feinen, stoffartigen Fludiums, der Lebensgeister (spiritus animales) nämlich, die sich in den Nervenbahnen bewegen und die der Seele Stöße erteilen oder von ihr solche empfangen. Eine wichtige Rolle spielt für Descartes in diesem Zusammenhang auch die Zirbeldrüse: Descartes hielt sie für die Schnittstelle zwischen Materie und Geist.
Diese "Brücke", die Descartes vom Leib zur Seele schlug, rief jedoch schon bald Kritiker auf den Plan, die nach alternativen Erklärungen suchten. Die philosophiegeschichtlich ersten waren die Okkasionalisten Arnold Geulincx und Nicholas Malebranche. Sie lehrten, dass Gott bei der Gelegenheit (occasio) menschlicher Empfindung wie menschlicher Handlung die Kluft zwischen Leib und Seele überbrückt. Beide sind dabei von der Unmöglichkeit einer Wechselwirkung zwichen Leib und Seele überzeugt, da Leib und Seele völlig heterogene Substanzen seien. lehren, dass Gott bei der Gelegenheit (occasio) menschlicher Empfindung wie menschlicher Handlung die Kluft zwischen Leib und Seele überbrückt. Malebranche spricht von "assistentia supernaturalis". Beide sind dabei von der Unmöglichkeit einer Wechselwirkung zwichen Leib und Seele überzeugt, da Leib und Seele völlig heterogene Substanzen seien.
Spinoza erarbeitete mit seiner Theorie vom psychophysischen Parallelismus einen weiteren Lösungsansatz zur Lösung der Probleme des cartesianischen Dualismus. Dazu bediente er sich einer vollständig einheitlichen Deduktion nicht nur aller materiellen, sondern auch aller geistigen Erscheinungen. Der Kernbegriff in Spinozas Theorie ist dabei derjenige der Substanz; aus ihr leitet er sein ganzes philosophisches Lehrgebäude ab. Die seelischen und die körperlichen Vorgänge sind dieselben Vorgänge an der Substanz - einerseits unter dem Attribut der Ausdehnung, andererseits unter dem Attribut des Denkens. Für sich betrachtet stellen einerseits seelische, andererseits körperliche Vorgänge nach Spinozas Ansicht in sich geschlossene Reihen dar, die völlig voneinander isoliert parallell laufen.
In Leibniz´ Lehre von der prästabilierten Harmonie ist das individuelle Bewusstsein die fundamentale Element. Leibniz nennt sie Monade (griech. monas). Sie ist stets mit einem Organismus verbunden, dessen Seele sie darstellt.
Ludwig Feuerbach meint, das Leib-Seele-Problem aufheben zu können, indem er herausstellt, dass dieses Problem ja allererst durch eine künstliche Isolierung von Körper und Seele zustande gekommen sei.
Für Friedrich Nietzsche ist der Leib das Primäre: "Leib bin ich ganz und gar, und nichts außerdem; und Seele ist nur ein Wort für ein Etwas am Leibe. Der Leib ist eine große Vernunft, eine Vielheit mit Einem Sinne, ein Krieg und ein Frieden, eine Herde und ein Hirt. Werkzeug deines Leibes ist auch deine kleine Vernunft, mein Bruder, die du 'Geist' nennst, ein kleines Werk- und Spielzeug deiner großen Vernunft. 'Ich' sagst du und bist stolz auf dies Wort. Aber das Größere ist - woran du nicht glauben willst - dein Leib und seine große Vernunft: die sagt nicht Ich, aber tut Ich."
Pierre Teilhard de Chardin meint, dass das Bewusstsein in der Materie angelegt ist und dass es aber erst durch die Evolution der Lebensformen in steigendem Maße zur Entfaltung kommt.
Für Vertreter der analytischen Philosophie sind viele Probleme der klassischen Philosophie, insbesondere der Metaphysik, auf verfehlten Sprachgebrauch zurück zu führen. Das gilt auch für das Leib-Seele-Problem, das nach ihrer Ansicht auf einem Kategorienfehler beruht.
Jeder Mensch ist ein Sonderfall - jeder Mensch ist von seiner eigenen und einzigartigen Lebensgeschichte geprägt. Ein Computer kann keine menschliche Geschichte oder menschliche Erfahrung haben.
Computer haben keinen menschlichen, biologischen Körper. Er lasst sich höchstens mechanisch nachbauen. Also kann es im Gegensatz zur Mensch- und Tierwelt nicht zu biologischen Prozessen wie zB Evolution oder Selektion kommen.
Der Mensch ist in einer Gesellschaft sozialisiert. Ein wichtiger Teil davon ist die Wahrnehmung des eigenen Körpers (Bewusstsein) und der Körper anderer Menschen.
Zur Sozialisation gehören zB auch biologische Bedürfnisse wie zB Durst. Die Maschine hat auch Bedürfnisse, jedoch keine biologischen.
Menschen haben Emotionen und Körpergefühl. Maschinen haben höchstens eingebaute ähnliche, künstliche Emotionen.
Ein Maschine kann nicht wie das komplexe menschliche Gehirn funktionieren; die Erfahrungen die ein Gehirn sammelt sind einzigartig.
Weitere Analogien mit Schnittstellen zwischen informationsverarbeitendem System und funktioneller Endstrecke zeigen sich im Immunsystem und im Hormonsystem.
Entscheidende Beiträge zum Körper-Geist Problem kann die Biologie durch die vergleichende Sinnesphysiologie bieten. Viele Tierarten habe andere oder schärfere Sinne als der Mensch. Auch hier tritt dann die Frage auf: Wie die Informationen der Außenwelt im Gehirn der Tiere aufgenommen, weiterverarbeitet und gespeichert wird.
Die Biologie zeigt, auf welchen verschiedenen Ebenen die Verschaltung zwischen Sinneszellen, Nervensystem und beispielsweise den Muskeln funktioniert. Sie zeigt, dass der einfache, schnelle Reflexbogen neben hochkomplexen und sehr langsamen geistigen Verarbeitungsschritten in ein und demselben Organismus nebeneinander existiert.
Die Biologie zeigt durch ihren evolutionären Ansatz auf, dass sich das menschliche Nervensystem als Träger des Geistes sowohl ontogenetisch als auch phylogenetisch aus einfacheren Vorstufen entwickelt hat.
Außerdem gibt die Biologie eine Hinweis auf die Hauptfunktion des menschlichen Geistes: Er soll uns helfen, in unserer Umwelt besser zurechtzukommen und zu überleben.
Ansätze dieser Thematik lassen sich auch in der psychophysischen Wahrnehmungsforschung, genauer in der dimensionalen Psychophysik finden. Gustav Theodor Fechner veröffentlichte 1860 die zweibändigen "Elemente der Psychophysik" und begründete damit die experimentelle Psychologie. Seine Forschungen in diesem Bereich waren eindeutig durch die Beschäftigung mit dieser metaphysischen Frage motiviert (Kap. II), wobei sie jedoch nicht als Rechtfertigung bzw. Zurückweisung einzelner metaphysischer Punkte dienen sollte. Die ganze Lehre teilt sich auf in eine innere und äußere Psychophysik, wobei erstere das direkte empirische Gegenstück zur Leib-Seele-Problematik darstellt.
Viele chemische Stoffe können direkt in die Abläufe unseres Gehirns eingreifen und damit auch unser Denken beeinflussen. Die Forschungen auf diesem Gebiet haben neue Einsichten in das Verhältnis zwischen Körper und Geist gebracht.
Auch die Untersuchung von Drogen zeigt die enge Wechselwirkungen von Chemie und Denkinhalten.
Stoffe die direkt unser Gehirn beeinflussen können sind zb Coffein, Schokolade, Zucker, Alkohol, Antidepressiva, Schlafmittel, Schmerzmittel, Cannabis, Antipsychotika , Lithium , L-Dopa
Testosteron, Thyroxin , Östrogene, Adrenalin
Analogien des Körper-Geist Problems
Eine häufig gebrauchte Metapher zur Veranschaulichung des Problems ist die von Software und Hardware im Computer. Wenn man es genau betrachtet, finden sich Wechselwirkungen zwischen geordneter Information und der Materie bereits auf ganz einfacher Ebene:
Die Analogien finden ihre Grenzen in der Betrachtung höherer geistiger Funktionen, wie dem Wechselspiel zwischem bewußten und unbewußten Denken, sowie im Konzept des freien Willens.Relevante Wissenschaftsgebiete
Philosophie
Das Leib-Seele-Problem ist ein klassisches Problem der abendländischen Philosophie. Bereits seit der griechischen Antike herrschte im Abendland die Auffassung vor, der Mensch habe einen Körper und eine Seele.
Im Computerzeitalter bekommt das Leib-Seele Problem eine neue Aktualität: Was unterscheidet den Menschen von intelligenten Maschinen?Biologie
Bereits in der Zusammenarbeit von Nukleinsäuren und Proteinen in jeder lebenden Zelle kann man eine Analogie zum Körper-Geist Problem erkennen: In den Nukleinsäuren steckt die Information ( der Bauplan) und in den Aminosäuren die wirksame Funktion. Es ist bis heute nicht geklärt, über welche der beiden Stoffarten die Entwicklung des ersten Lebens lief. War es eine Nukleinsäurewelt oder eine Aminosäurewelt.Psychologie
Pharmakologie
Medizin
Informatik
Literatur
Einführungen in das Problem
Originaltexte für wissenschaftlich interessierte Anfänger
Sonstige
Siehe auch:
Dualismus -- Idealismus -- Materialismus -- Information -- Materie -- Leib -- Geist -- Seele -- Nervensystem -- Okkasionalismus -- Wille -- Gehirn -- Bewusstsein -- Neurobiologie -- Sinnesorgan -- Erkenntnistheorie -- Epiphänomen -- KI -- DescartesWeblinks