Kritischer Rationalismus
Der Kritische Rationalismus ist eine von Karl R. Popper begründete erkenntnistheoretische Position, die als Ausgangspunkt das fehlbare menschliche Wissen postuliert (Fallibilismus). Popper schuf mit dem Kritischen Rationalismus einen grundsätzlich neuen philosophischen Ansatz.
Im Sinne eines Paradigmenwechsels, also einer völlig neuen Grundlage der Art und Weise des Erkennens und Gewinnens von Wissen, könnte dieser philosophische Analyseprozess dazu führen, das wir die Methoden der Wissenschaft und Philosophie ein wenig verbessern, und damit auch politische und religiöse Vorstellungen sich ändern, vergleichbar mit Anpassungen zu Zeiten der Renaissance und der Aufklärung, wenn auch wohl nicht so umwälzend.
Dabei stellt er fundamentale Fragen zur Wissenschaftstheorie und hinterfragt
die Art und Weise der Theorien- und Methodenbildung in den Wissenschaften. Ziel ist dabei, den erkenntnistheoretischen Wert von Theorien, Methoden und Fortschritt in der Wissenschaft analysierbar und zugänglich zu machen. Daraus sollte schliesslich zu lernen sein, wie man es, falls nötig und möglich, besser machen kann. Es geht also um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage, was wir momentan unter Wissenschaft verstehen und ob der Ansatz, bei allen Variationen, schon grundsätzlich hinterfragt oder zumindest verfeinert werden muss.
Kommt bei dieser "Soll-Ist" Analyse ein neuer, vielleicht "besserer" erkenntnistheoretischer Ansatz heraus, so könnten und sollten wir ihn auch verwenden.
Das menschliche Wissen ist fehlbar und deshalb sind Bestätigungen einer Theorie nicht der richtige Weg, um Erkenntnisse zu gewinnen
Karl Popper verlässt sich nicht auf die bisherige Art der Theorienbildung, wonach der Wissenschaftler versucht induktiv aus Daten eine Theorie abzuleiten. Er stellt danach eine Theorie auf, wie sich die Realität in Bezug auf eine bestimmte Fragestellung verhalten könnte. Danach macht man Experimente und Analysen, um diese Theorie zu bestätigen.
Dies sieht Popper als grundsätzlichen Fehler an. Die Begründung dafür lautet, dass keine noch so große Zahl von Messungen und Bestätigungen eine sichere Erkenntnis der Wahrheit einer Theorie ermöglichen. Prägend ist für Popper die Newtonsche Physik, die vielfach bestätigt wurde. Gleichwohl enspricht sie nicht der Wahrheit sondern ist lediglich eine Annäherung an die Einsteinsche Physik. Durch bestimmte Beobachtungen lässt sich die Newtonsche Theorie widerlegen. Man kann also durch die Widerlegung einer Theorie, die bessere von zwei Theorien erkennen.
Aus diesem Grund strebt der kritische Rationalist danach, Experimente zu finden, in denen seine Theorie widerlegt werden kann. Überlebt sie das Experiment, so steigt die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit. Popper hat dabei das Instrument der Falsifizierung eingeführt, mit dem insbesondere der Fehler vermieden wird, unlogische Behauptungen in Theorien einfließen zu lassen. Er lehnt jede Behauptung ab, die sich nicht einmal dann widerlegen ließe, wenn sie unwahr wäre, die also nicht falsifizierbar ist. Nur falsifizierbare (angreifbare) Aussagen sind sinnvolle Aussagen, alles andere ist nicht angreifbar und damit für die Wissenschaft und die Philosophie wertlos, da keine Möglichkeit der Überprüfung besteht. Beispielsweise ist die Behauptung, dass es außerhalb des Sonnensystems einen Planeten gibt, auf dem nur pflanzenartige Lebewesen existieren, mit heutigen Mitteln nicht widerlegbar, und damit unsinnig.
Es gibt keine absolute Sicherheit eine "statische Wahrheit" vollständig erkannt zu haben, sondern nur die heute am besten haltbare "vermutete Wahrheit".
Mit Hilfe der Widerlegung soll jede aufgestellte Theorie aktiv angegriffen werden, und dies intensiv und immer wieder. Ist die Theorie im Moment nicht widerlegbar, so heisst das allerdings nicht, dass sie wahr ist. Es bedeutet, dass sie wahrscheinlich eher der Wahrheit entspricht oder der Wahrheit näher kommt als eine vorherige und bereits widerlegte Theorie. In diesem Erkenntnistheoretischen Prozess tastet man sich also förmlich an die Wahrheit heran, wird sie aber wohl nie ganz erreichen. In diesem Sinne ist das Streben nach Wahrheit und Erkenntnis ein dynamischer Prozess.
Dabei hält Popper, trotz seiner Schlussfolgerung, dass sie nie erkannt werden könnte, am Begriff einer absoluten Wahrheit fest und lehnt den Relativismus, d.h. die Abhängigkeit der Wahrheit von den Umständen, ab.
In brillianter Weise hat Popper sich einen Namen gemacht, indem er bewiesen hat, dass viele Kernaussagen des Marxismus bzw. Kommunismus nicht-angreifbar und damit unsinnig sind. Daher, und aus der Tatsache, dass seine Methodik auch auf viele in unserer Gesellschaft populäre Überzeugungen anwendbar ist, rührt auch eine gewisse Umstrittenheit Poppers.
In Scherenschleifer und Poeten beschreibt Hans Magnus Enzensberger den Zusammenhang von Handwerkern und Lyrikern: Beide müssen bestimmte Methoden anwenden (Ihr Handwerk) um ihr Ziel (eine wieder funktionierende Schere, ein gelungenes Gedicht) herzustellen.
Eine ähnliche Frage stellt Sir Karl Popper in Bezug auf die Wissenschaft, doch er geht noch einen Schritt weiter:
Er fragt nach dem Status Quo: Wie wird es heute gemacht? Wie wird Erkenntnis gewonnen?
Bezogen auf die Entwicklung der Gesellschaft und Politik antwortet der Kritische Rationalismus: Notwendige und drängenden Frage sollen systematisch gelöst werden, es ist nicht sinnvoll, nach einer irgendwie als "ideal" anzusehenden Gesellschaftsform oder einerm Idealzustand zu suchen. Man soll danach also die akuten Probleme analysieren und angehen. Dabei sollen die Probleme durch stufenweise Reformen Schritt für Schritt gelöst werden.
In der Politik und bezogen auf die Kontrolle politischer Prozesse schlägt der Kritische Rationalismus vor, die Art und Weise der Organisation der politischen Institutionen so zu gestalten, dass eine "eingebaute" (systemimmanente) Kontrolle Missbrauch verhindern kann. In dieser Hinsicht ergänzt der Kritische Rationalismus auch den Liberalismus.
Aus dem kritischen Rationalismus wurde von Paul Feyerabend ein Pluralismus der Theorien entwickelt, der allerdings eher auf Aussöhnung verschiedener Denkansätze, als auf Weiterentwicklung im Diskurs beruht.
Einleitung
Theorienbildung, Erkenntnistheorie
Hintergrund
Grundaussage des Kritischen Rationalismus
Welche Konsequenz zieht Popper aus der Fehlbarkeit des menschlichen Wissens?
Welche Relevanz haben die Fragen des Kritischen Rationalismus für den Fortschritt der Wissenschaft?
Relevanz für die Gesellschaft und deren Entwicklung
Relevanz bezogen auf Politische Institutionen und deren Kontrolle
Weitergehende philosophische Strömungen