Kreolen
Der Begriff Kreole ist in Lateinamerika entstanden und bezeichnete ursprünglich jeden in der Kolonie geborenen Nachfahren europäischer Siedler (zur Herkunft des Wortes siehe unten). In den südlichen USA (z. B. in Louisiana) und Teilen der Karibik ist dies heute noch so. Da in den Kolonien oft eine Vermischung der Bevölkerungsgruppen stattfand, übertrug sich der Begriff schnell auf alle nicht "reinblütigen" Menschen. In Brasilien, Guyana und vielen anderen, v.a. afrikanischen Ländern bezeichnet deshalb der Begriff heute jedoch Mischlinge mit europäischen und schwarzafrikanischen Eltern. Als Kreolen bezeichnet man aber auch Bevölkerungen fast rein afrikanischer Abstammung die eine Kreolsprache sprechen, vor allem in der Karibik, wenn es noch andere starke Bevölkerungsgruppen gibt, etwa Inder oder Indianer. Insgesamt ist der Begriff heute sehr "schwammig" und bezeichnet je nach Ort völlig verschiedene Gruppen. Der Begriff ist deshalb möglichst in der wissenschaftlichen Literatur zu vermeiden.Das Wort Kreole selbst leitet sich aus dem Spanischen ab: "Criollos" nannten die spanischen Konquistadoren und Kolonisatoren Südamerikas ihre Nachkommen, die sie außerehelich mit indianischen oder schwarzakrikanischen Sklavinnen oder Hausmädchen gezeugt hatten. Das Wort "criollo" wiederum leitet sich vom Verb "criar" ab, aufziehen, heranziehen, züchten. Criollos waren also "Zöglinge". In der Tat hatten die Criollos häufig einen Sonderstatus; sie waren keine Sklaven, hatten aber keinerlei oder nur sehr eingeschränkte Rechte an den Besitztümern der Herren. Nur selten, wenn der Kolonialherr selbst unverheiratet war oder mit seiner Ehefrau kinderlos blieb, konnte es vorkommen, dass der eine oder andere Criollo adoptiert wurde und sogar Besitzrechte bekam.
Der erste nachweislich auf dem Kontinent gezeugte Criollo bzw. Kreole war der Sohn von Hernán Cortéz mit der Indianerin Malinche, die ihm als Mätresse aber auch Übersetzerin diente.
Aus den Kreolen bzw. deren Nachkommen erwuchs im Laufe der Zeit eine Art Mittelschicht in den spanischen Kolonien; sie waren frei, meistens besitzlos, wurden jedoch auf den Landgütern nicht selten als Verwalter eingesetzt oder erlernten Handwerksberufe, gingen in den Handel oder genossen gar akademische Bildung. Vielen unter ihnen, denen solche Karrieren nicht vergönnt waren, bildeten dagegen ein "Subproletariat", d.h. lebten am Rande der Gesellschaft, weder von den weißen Herren, noch von den schwarzafrikanischen Sklaven oder indianischen Ureinwohnern akzeptiert.
Im 18. und 19. Jahrhundert stellten in den meisten Kolonien die Kreolen bzw. Mestize oder Mulatte zahlenmäßig die größte (z.B. in Kuba, oder auf Hispaniola oder zumindest in den Metropolen sehr große Bevölkerungsgruppe (wie in Mexiko oder Peru). Bei den Befreiungskämpfen gegen Spanien spielten die Kreolen eine wichtige Rolle. Zwar wurden die Befreiungskämpfe oft von der weißen Oberschicht geführt oder waren gar Sklavenaufstände wie in Haiti, die Kreolen aber versprachen sich durch die Loslösung von Spanien meist mehr wirtschaftlichen und politischen Einfluss und bildeten somit das "Fußvolk" bei den Erhebungen oder auch wichtige Wortführer. In der Dominikanischen Republik beispielsweise war einer der wichtigsten Wegbereiter der Unabhängigkeit (erste Hälfte des 19. Jh.) - neben den Weißen Pablo Duarte und Matias Ramon Mella der Mulatte Francisco del Rosario Sánchez.
In Lateinamerika wird mit dem Adjektiv "criollo", also "kreolisch", alles bezeichnet, was sich sowohl aus den spanischen als auch indigenen oder schwarzafrikanischen Kulturen ableitet, z.B. die "kreolische Musik" (Merengue, Salsa, Mambo, Milonga usw.) oder die "kreolische Küche" (eine Küche, die aus relativ einfachen, oft Eintopfgerichten besteht, die aber mit Gewürzen nicht spart).
Das Wort "criollo" existiert in einigen Ländern Lateinamerikas auch in noch einer anderen Bedeutung. Damit werden mitunter - leicht abfällig - Dinge bezeichnet, die nicht 100%ig funktionieren oder die improvisiert sind. Beispiel: In der Dominikanischen Republik fahren viele PKWs oder LKWs mit so genannten "mufler criollos", "kreolischen Auspuffen", Teilen, die nicht den Originalen entsprechen und für das jeweilige Fahrzeug über- oder unterdimensioniert sind.
Als "kreolisch" bezeichnet man auch die afrikanisch-französischen Mischsprachen in Haiti und den französischen Inseln der Kleinen Antillen.
In Nordamerika wurde aus dem Wort "criollo" schließlich "creol"; eine Bezeichnung zunächst für die Nachkommen der spanischen Einwanderer aber auch Mulatten (im Mississippi-Delta, Südstaaten), später allgemein für die Unterschicht. Elvis Presley nannte sich "King Creol", womit er seine Herkunft und Verbundenheit mit der Schicht der verarmten Weißen andeuten wollte und auch um seine Musik in die Tradition der Musik der Schwarzen bzw. Kreolen einzureihen.
Siehe auch: Mestizen, Garifuna, Kreolsprachen