Konventionalismus
Der Konventionalismus (lateinisch conventio : Übereinkunft, Zusammenkuft) bezeichnet einen philosophischen Standpunkt, nach dem wissenschaftliche Begriffe, Gesetze, Prinzipien, Theorien, Hypothesen und anderes vornehmlich oder zumindest teilweise auf freier Übereinkunft (Konvention) der Wissenschaftler beruhen. Die Wahl der Grundbegriffe und Grundgesetze eines Wissensgebietes ist hiernach weniger durch den objektiven Untersuchungsgegenstand selbst bestimmt als vielmehr durch subjektive Aspekte wie Bequemlichkeit, Einfachheit, Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit.
Als Begründer des Konventionalismus gilt der französische Mathematiker und Physiker Henri Poincaré. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die maxwellsche Theorie des elektromagnetischen Feldes nicht eindeutig auf mechanische Modellvorstellungen reduzierbar war, sondern auf vieldeutige Weise mit derartigen Vorstellungen in Verbindung gebracht werden konnte, kam er zu der Ansicht, dass die grundlegenden Axiome, Begriffe und Ideen der theoretischen Naturwissenschaft wie auch der Mathematik keine Widerspiegelung objektiv-realer Gegebenheiten seien, sondern lediglich konventonelle Festsetzungen zur bequemen und zweckmäßigen Ordnung des Erfahrungsmaterials, das aus Experimenten gewonnen werden konnte.
Aus der Krise der Physik am Ende des 19. Jahrhunderts, dem "allgemeinen Zusammenbruch der Prinzipien", zog er subjektiv-idealistische Schlussfolgerungen. Diese bestanden darin, dass er annahm, dass die Prinzipien nicht irgendwelche Kopien, Abbilder der Natur, nicht Abbildungen von irgend etwas außerhalb des menschlichen Bewusstseins Liegendem, sondern Produkte des Bewusstseins seien. Agnostizistische Auffassungen waren die Konsequenz dieser Denkweise: In der Wisssenschaft könne man die wahre Natur der Dinge, das Wesen von Erscheinungen wie Wärme, Licht, Leben und anderes nicht erkennen.
Der Konventionalismus tritt seitdem immer wieder in Erscheinung, nicht nur bei der philosophischen Durchdringung der Mathematik und der theoretischen Naturwissenschaften, sondern auch in anderen wie der Logik und Linguistik. Aus der Tatsache, dass bestimmte Sachverhalte mit gleicher Berechtigung durch verschiedene (euklidische und nicht euklidische) Geometrien, durch verschiedene (zwei- und mehrwertige) Logiken, durch verschiedene Sprachen und anderes beschreibbar sind, wird die These abgeleitet, dass jede wissenschaftliche Erkenntnis wesentlich auf Konventionen beruhe.
Elemente des Konventionalismus sind vielfach in philosophischen Richtungen der Neuzeit enthalten, so im Neupositivismus (bei Eduard Le Roy(1870-1954), Rudolf Carnap und anderen) im Pragmatismus und im Operationalismus. Der radikale Konventionalist Kazimierz Ajdukiewicz vertritt die Auffassung, dass alle Urteile des Menschen durch die Erfahrungsdaten noch nicht eindeutig bestimmt sind, sondern auch von dem uns gewählten Begriffsapparat abhängen. Durch eine andere Wahl des Begriffsapparats könne das Weltbild der Menschen geändert werden.Zum Begründer des Konventionalismus Henri Poincaré und seinen Tendenzen
Zu den verschiedenen Formen des Konventionalismus