Kohlenstoffnanoröhre
Kohlenstoffnanoröhren, auch CNT (carbon nano tubes), sind mikroskopisch kleine röhrenförmige Gebilde (molekulare Nanoröhren) aus Kohlenstoff.Ihre Wände bestehen wie die der Fullerene oder wie die Ebenen des Graphits nur aus Kohlenstoff, wobei die Kohlenstoffatome eine wabenartige Struktur mit Sechsecken und jeweils drei Bindungspartnern einnehmen (vorgegeben durch die sp2-Hybridisierung). Der Durchmesser der Röhren liegt meist im Bereich von 150 Nanometern (nm), aber es wurden auch Röhren mit nur 0,4 nm Durchmesser hergestellt. Längen bis zu 20 Zentimetern wurden bereits erreicht.
Man unterscheidet zwischen ein- und mehrwandigen, zwischen offenen oder geschlossenen Röhren (mit einem Deckel, der einen Ausschnitt aus einer Fullerenstruktur hat) und zwischen leeren und gefüllten Röhren (z.B. mit Silber, flüssigem Blei, oder Edelgasen). Je nach Detail der Struktur ist die elektrische Leitfähigkeit innerhalb der Röhre metallisch oder halbleitend; es sind auch Kohlenstoffröhren bekannt, die bei tiefen Temperaturen supraleitend sind. Es wurden bereits Transistoren und einfache Schaltungen mit den halbleitenden Kohlenstoffnanoröhren hergestellt. Die Forschung sucht nun nach Möglichkeiten, komplexe Schaltkreise aus verschiedenen Kohlenstoffnanoröhren gezielt herzustellen.
Die mechanischen Eigenschaften von Kohlenstoff-Nanoröhrchen sind überragend:
CNTs haben eine Dichte von 1,31,4 und eine Zugfestigkeit von 45 Milliarden Pascal. Stahl hat eine Dichte von mind. 7,8 und eine maximale Zugfestigkeit von 2 Milliarden Pascal.
Daraus ergibt sich für CNTs rechnerisch ein mind. 135-mal besseres Verhältnis von Zugfestigkeit zu Dichte als für Stahl.
Für die Elektronikindustrie sind vor allem die Strombelastbarkeit und die Wärmeleitfähigkeit interessant: Erstere liegt schätzungsweise 1000-mal höher als bei Kupferdrähten, letztere ist bei Zimmertemperatur mit 6000 W/m×K beinahe doppelt so hoch wie die von Diamant (3320 W/m×K). Da CNTs auch Halbleiter sein können, lassen sich aus ihnen hervorragende Transistoren fertigen, die höhere Spannungen und Temperaturen und damit höhere Taktfrequenzen als Siliziumtransistoren aushalten. Erste experimentelle, funktionsfähige Transistoren aus CNTs wurden bereits hergestellt.
Ganze Bündel von Röhren wurden bereits zu Fäden oder Matten verarbeitet, die als Werkstoff verwendet werden sollen. Bündel von Nanoröhren, die in einem Elektrolyt elektrisch aufgeladen werden, können auch als Aktuator wirken.
Felder von parallel aufgestellten Nanoröhren lassen sich herstellen, und die prinzipielle Eignung als Bauteil für flache und selbstleuchtende Bildschirme wurde ebenfalls demonstriert: Dabei dienen die scharfen Spitzen der Nanoröhren als Quelle für Elektronen (winzige Elektronenkanone, Elektronenemitter, Kaltkathode schon bei relativ geringen Spannungen), die wie beim herkömmlichen Fernsehgerät gegen einen Leuchtschirm beschleunigt werden. Sie werden auch als Spitzen für schärfere Rastertunnelmikroskope verwendet, die bereits im Handel verfügbar sind und die Auflösung der RTM um den Faktor 10 verbessern.
Bisher noch nicht ausreichend erforscht sind gesundheitliche Effekte, die im Zusammenhang mit Kohlenstoffnanoröhrchen evtl. auftreten könnten. Eine Argumentation weist auf die längliche räumliche Struktur hin, die der von Asbest ähnelt. Studien, die auf Tierversuchen basieren, zeigen entgegengesetzte Ergebnisse, etwa in Bezug auf Entzündungsreaktionen im Lungengewebe von Mäusen. So wurden Mäusen im Versuch CNTs mit einer Konzentration injiziert, die 10.000-mal höher als die in der Umwelt zu erwartende war, ohne erkennbare Entzündungsreaktion. Trotz der anhaltenden Kontroverse, die in begrenztem Umfang auch die Öffentlichkeit zu erreichen beginnt, läuft derzeit (Anfang 2004) die großindustrielle Produktion von CNTs an.
Struktur der Nanoröhren
Kohlenstoffnanoröhren leiten sich von den Kohlenstoffebenen des Graphits ab, die zu einer Röhre aufgerollt sind:
Die Kohlenstoffatome bilden eine wabenartige Struktur mit Sechsecken und jeweils drei Bindungspartnern.
Röhren mit ideal hexagonaler Struktur haben eine einheitliche Dicke und sind linear; es sind aber auch geknickte oder sich verengende Röhren möglich, die fünfeckige Kohlenstoffringe enthalten.
Je nachdem, wie das Wabennetz des Graphits zur Röhre gerollt wird ("gerade" oder "schräg"), entstehen helikale (schraubenartig gewundene) und auch nicht spiegelsymmetrische, d.h. chirale Strukturen auf. In der Literatur wird zur Unterscheidung das Indizenpaar (n,m) verwendet und zwischen 3 Klassen unterschieden. Diese heißen im Englischen
armchair (mit (n,n), achiral, nicht helikal), zig-zag ((n,0), achiral, helikal) und chiral ((n,m), chiral, helikal). Die ersten beiden Namen beziehen sich auf das Aussehen der Kante einer nicht verschlossenen Kohlenstoffnanoröhre.
Mit dem Indizespaar läßt sich auch bestimmen, ob die Röhre ein Halbleiter ist. Wenn eine ganze Zahl ist, ist die Kohlenstoffnanoröhre metallisch, ansonsten halbleitend. Somit ist ein Drittel aller denkbarer Röhren metallisch, zu denen z.B auch alle armchair zählen.
Entdeckung und Herstellung
Mehrwandige Kohlenstoffnanoröhren wurden 1991 von Professor Sumio Iijima mit einem Elektronenmikroskop entdeckt.
Er hatte eine Lichtbogenentladung zwischen Kohlenstoffelektroden erzeugt. 1993 wurden die einwandigen Kohlenstoffnanoröhren entdeckt.
Sie können ebenfalls im Lichtbogen hergestellt werden, wenn man Katalysatoren zusetzt.
Der Nobelpreisträger Richard E. Smalley veröffentlichte 1996 ein Laserverfahren zur Herstellung von einwandigen Kohlenstoffnanoröhren. Dabei wird Graphit mit einem Laser abgetragen ("verdampft").
Außerdem entstehen Nanoröhren bei der katalytischen Zersetzung von Kohlenwasserstoffen; mit diesem Verfahren (engl. , kurz CVD) kann man ganze Felder von weitgehend parallen Röhren auf einer Unterlage aufwachsen lassen.
Jedes der drei Verfahren (Lichtbogen, Laser, Gaszersetzung) ist inzwischen so weit entwickelt, dass damit größere Mengen gleichmäßiger (in Durchmesser, Länge, Defekte, Mehrwandigkeit) CNTs hergestellt werden können. Man kann heute fertige Kohlenstoffnanoröhren von verschiedenen Herstellern (z.B. Zyvex) in Grammmengen kaufen.