Kiemenlochtiere
Kiemenlochtiere | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Klassen | ||||||||||||
|
Die systematische Stellung der Kiemenlochtiere ist heute jedoch umstritten: So werden neben den Chordatieren auch die Stachelhäuter (Echinodermata), zu denen z. B. die Seesterne (Asteroidea) oder Seeigel (Echinoidea) gehören, als stammesgeschichtliche Schwestergruppe in Betracht gezogen. Es gilt sogar zunehmend als wahrscheinlich, dass die Kiemenlochtiere keine monophyletische Gruppe bilden, d. h. nicht alle Nachkommen ihres gemeinsamen Vorfahrens umfassen. Weitere Angaben zu ihrem Verhältnis zu den anderen Gruppen der Neumünder finden sich im Abschnitt zur Stammesgeschichte am Ende dieses Artikels.
Table of contents |
2 Ernährung und Lebensraum 3 Fortpflanzung 4 Fossilien 5 Systematik 6 Stammesgeschichte 7 Literatur 8 Weblinks |
Kiemenlochtiere haben einen weichen wurmähnlichen, aber unsegmentierten Körper, der wie bei allen Bilateria zweiseitig symmetrisch aufgebaut ist und somit über eine eindeutig definierte Körperachse verfügt. Sie kommen in verschiedenen Farben von weiß bis dunkelviolett vor und können bis zu 2,50 m lang werden, andererseits finden sich aber auch nur millimetergroße Tiere. Charakteristisch ist die Gliederung des Körpers in drei Teile: Der vorderste Abschnitt ist der Kopflappen (Prosoma), der in der Klasse der Flügelkiemer (Pterobranchia) schildförmig geformt ist und daher auch als Kopf- oder Rostralschild bezeichnet wird. Darauf folgt ein kurzer Kragen (Mesosoma), in dem die Mundöffnung untergebracht ist und ein langer Rumpf (Metasoma). Die grundlegende Dreiteilung des Körpers setzt sich auch in der Leibeshöhle (Coelom) fort.
Insbesondere in der Klasse der Eichelwürmer (Enteropneusta) befinden sich im Rumpfabschnitt bis zu hundert für die Gruppe namensgebende Kiemenspalten, durch welche die Tiere atmen und an denen das durch den Mund eingesogene Wasser unter Rückhaltung der Nahrungspartikel wieder ausströmen kann. Sie verbinden den ersten Darmabschnitt, den so genannten Kiemendarm, mit der Außenwelt. Bei den Flügelkiemern dagegen sind entweder nur zwei paarig angelegte Kiemen vorhanden oder diese fehlen ganz.
Als Ausstülpung des Magens in den Mundlappen (Buccaltasche) entsteht bei den Eichelwürmern eine weitere charakteristische Struktur, das so genannte Stomochord. Früher galt es als möglicher Vorläufer des Notochords der Chordatiere. Da es mit diesem allerdings keine wesentlichen Gemeinsamkeiten aufweist und auch zu keinem Zeitpunkt als hydrostatisches Skelett dient, wird diese Ansicht heute wissenschaftlich kaum mehr vertreten.
Das offene Blutgefäßsystem der Kiemenlochtiere ist recht primitiv ausgebildet, nur im Kragen und Kopflappen befinden sich zwei echte Blutkanäle. Im Kopflappen liegt auch das sehr elementare "Herz", das lediglich aus einem einzigen zusammenziehbaren (kontraktilen) Blutgefäß besteht, das rückseitig (dorsal) ankommendes Blut in die bauchseitige (ventrale) Ader pumpt. Der Blutfluss ist also gerichtet (unidirektional).
Die Ausscheidung flüssiger Abfallstoffe geschieht hauptsächlich durch die Haut, darüberhinaus existiert ein Glomerulus genanntes Membransystem, in dem aus dem Herz einströmendes Blut nach und nach zu Urin gefiltert wird, der in die Leibeshöhle des Kopflappens entlassen wird und von dort durch eine Pore nach außen gelangt.
Das Nervensystem besteht im wesentlichen aus je einem bauchseitigen und rückseitigen Nervenstrang, die im Kopflappen und um den Darm herum ringförmig verbunden sind und Nervenenden in die Außenhaut (Epidermis) entsenden. Bei den Eichelwürmern verläuft der rückseitige Nerv in einer speziellen Falte im Kragen - dies wird manchmal als Homologie zum Rückenmark der Chordatiere angesehen.
Kiemenlochtiere können sich auf zwei verschiedenen Wegen ernähren: Entweder graben sie sich durch das Sediment des Meeresbodens, d. h. sie nehmen Bodenschlamm auf und verdauen den darin enthaltenen organischen Inhalt, in etwa wie ein Regenwurm, oder sie filtrieren frei im Wasser schwebende Nahrungsteilchen wie z. B. Algen. Sie leben daher meist in oder unterhalb der Gezeitenzone auf dem Grund des Meeres, zum Teil bis in Tiefen von 5000 Metern, und bilden dort oft U-förmige Wohnhöhlen. Nur wenige Arten leben im offenen Meer (pelagisch).
Kiemenlochtiere haben getrennte Geschlechter, die sich allerdings äußerlich kaum unterscheiden. Aus den befruchteten Eiern entwickeln sich meist erst bewimperte Larven, die den Larven der Stachelhäuter ähneln und aus denen sich die erwachsenen Tiere entwickeln. Bei manchen Arten geschieht die Entwicklung allerdings auch direkt, d. h. ohne ein dazwischengeschaltetes Larvenstadium.
Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung findet man auch die ungeschlechtliche: Dabei schnürt sich ein Jungtier in einem Knospung genannten Vorgang einfach vom genetisch identischen Elterntier ab. Daneben kann es auch vorkommen, dass ein Individuum einfach in zwei Teile zerfällt, die dann unabhängig voneinander fortbestehen.
Die ersten fossilen Funde von Kiemenlochtieren entstammen wahrscheinlich dem kanadischen Burgess-Schiefer, der im erdgeschichtlichen Zeitalter des Kambrium entstanden ist. Unumstrittene Fossilien aus der Klasse der Flügelkiemer sind aber auf jeden Fall aus dem Zeitalter des Ordoviziums bekannt. Eine heute ausgestorbene Gruppe von Kiemenlochtieren, die Graptolithen (Graptolithina) bilden sogar wichtige Leitfossilien für Ordovizium und Silur.
Man unterscheidet in der klassischen Systematik drei Klassen noch heute lebender Kiemenlochtiere, dazu kommen die ausgestorbenen Graptolithen.
Wie bereits zu Beginn erwähnt, gehen die Ansichten über die tatsächlichen stammesgeschichtlichen Verwandtschaftsverhältnisse der Kiemenlochtiere teils weit auseinander. Für eine Gruppierung mit den Chordatieren sprechen die Kiemenspalten und das rückenseitig eingefaltete Kragenmark, dagegen das Fehlen einer inneren Segmentierung (von der Dreiteilung wird hier abgesehen) und eines hinter dem After gelegenen Schwanzes. Mit den Stachelhäutern vereinigt die Kiemenlochtiere dagegen in erster Linie ihre Larvenform; auch molekulargenetische Befunde werden aber für eine Verwandtschaft als gegenseitige Schwestergruppen angeführt.
Auch ob es sich bei den Klassen der Kiemenlochtiere um natürliche Gruppen handelt, ist umstritten: So gelten nach neueren molekulargenetischen Befunden die Eichelwürmer nicht mehr als monophyletisches Taxon, das heißt, einzelne Untergruppen sind vermutlich näher mit den Flügelkiemern verwandt als mit anderen Eichelwürmern. Sollte sich dies als korrekt herausstellen, wäre die Stammform der Kiemenlochtiere (und damit vermutlich auch der Chordatiere) kein filtrierender Organismus, sondern eher ein wurmähnliches Lebewesen gewesen.
Selbst ob die Kiemenlochtiere selbst monophyletisch sind, ist umstritten. Nach einem Modell bilden die Eichelwürmer die Schwestergruppe der Stachelhäuter:
Anatomie
Ernährung und Lebensraum
Fortpflanzung
Fossilien
Systematik
Die Graptolithen (Graptolithina) bilden darüber hinaus eine wichtige Gruppe ausgestorbener Kiemenlochtiere; ihre Fossilien sehen wie spiralig aufgewundene kleine Sägeblätter aus. Es wird vermutet, dass dies eine Anpassung an das Schweben im freien Ozeanwasser (ihre pelagische Lebensweise) darstellt.Stammesgeschichte
Neumünder (Deuterostomia)
|--Chordatiere (Chordata)
|--N. N.
|--Flügelkiemer (Pterobranchia)
|--N. N.
|--Stachelhäuter (Echinodermata)
|--Eichelwürmer (Enteropneusta)
Ein modernes, aber nur auf morphologischen Daten basierendes Modell aus dem Jahr 2001 sieht die Kiemenlochtiere als vollkommen künstliches Taxon, dass nur nach primitiven Merkmalen zusammengewürfelt ist. Demnach werden dann nicht nur die Kiemenlochtiere, sondern auch einzelne Klassen aufgelöst und neu gruppiert: So bildet die Flügelkiemer-Familie Rhabdopleuridae dann die Schwestergruppe eines Pharyngotremata genannten Taxons, dass sich aus der Familie Cephalodiscidae und einem neuen Taxon Cyrtotreta zusammensetzt. Letzteres vereinigt dann die Eichelwürmer mit den Chordatieren.Neumünder (Deuterostomia)
|--Stachelhäuter (Echinodermata)
|--N. N.
|--Rhabdopleuridae
|--Pharyngotremata
|--Cephaldoscidae
|--Cyrtotreta
|--Eichelwürmer (Enteropneusta)
|--Chordatiere (Chordata)
Diese Darstellung widerspricht allerdings wiederum modernen genetischen Befunden. Die tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse müssen daher einstweilen als ungeklärt gelten.Literatur
Wissenschaftliche Literatur
Weblinks
Dieser Artikel befindet sich derzeit im Reviewprozess. Hilf mit, ihn zu verbessern!