Kasus
Dieser Artikel beschäftigt sich mit Kasus in der Grammatik, für den Kasus als Fall(recht), moralisches Exempel oder rhetorische Form siehe Kasuistik.Der Kasus (Plural: Kasus), auch der Fall, ist in der Grammatik eine Flexion eines Nomens (=Deklination). Er dient dazu anzuzeigen, in welcher Beziehung das Nomen zu anderen Wörtern im Satz steht.
Table of contents |
2 Kasus im Niederdeutschen 3 Kasus im Indogermanischen 4 Kasus in den Sprachen der Welt 5 Herkunft des Wortes |
Kasus im Hochdeutschen
Die hochdeutsche Sprache kennt vier Fälle (Kasus):
Beispielsweise ist in dem Satz
Die Frau das Subjekt (= Ergänzung im Nominativ),
ihrem Bruder das Dativobjekt (= Ergänzung im Dativ),
den Hut das Akkusativobjekt (= Ergänzung im Akkusativ) und des Mannes das Genitivattribut zu Hut.
Nur im Genitiv und im Dativplural findet sich noch eine Beugung des Substantives, d. h. eine Veränderung der Wortform durch das Anhängen einer Endung an den Wortstamm. Diese Beugung der Substantive ist ansonsten in der deutschen Sprache verlorengegangen. Der Dativ Singular Maskulinum und Neutrum wurde noch vor 100 Jahren in der Schriftsprache flektiert: dem Manne. In manchen festen Redewendungen ist dieser Stand noch erhalten: Im echten Manne ist ein Kind versteckt: Das will spielen. (Friedrich Nietzsche) Der Verlust der Endungen ist wiederum Ursache für den Zusammenfall von gleichlautenden Kasus, wie im Englischen und Niederdeutschen (s. unten). Das Deutsche ist auf lange Sicht auf dem Weg, auch den Genitiv als Objektskasus ("ich schäme mich seiner") und den Dativ zu verlieren und damit ein Kasussystem wie das Englische auszubilden (Sprachdrift). Bei den nicht mehr durch Endungen gekennzeichneten Fällen zeigen die Artikel den Kasus des entsprechenden Wortes an.
Kasus im Niederdeutschen
Die niederdeutschen Sprachen (Niederländisch und Niedersächsisch) kennen überwiegend nur drei Kasus: Nominativ, Genitiv und Objektiv.
Dies entspricht dem Kasus-System in der modernen englischen Sprache und den skandinavischen Sprachen. Der Objektiv vereint den Akkusativ und den Dativ. Dies gilt aber nicht für das Pronominalsystem in der niederländischen Schriftsprache. Dies unterscheidet für die 3. Person Plural die Formen hun (Dativ) und hen (Akkusativ).
Beispiele:
- De Fru kiekt den Mann an (Mann steht im Objektiv, im Hochdeutschen oder lateinischen würde das Wort Mann im Akkusativ stehen)
- (Die Frau guckt den Mann an./Femina hominem adspicit.)
- De Fru gifft den Mann Koken. (Mann steht im Objektiv, im Hochdeutschen oder Lateinischen würde das Wort Mann im Dativ stehen)
- (Die Frau gibt dem Mann Kuchen./Femina homini placentam dat.)
Kasus im Indogermanischen
Das Indogermanische kennt acht oder neun Fälle:
- Nominativ
- Genitiv oder Genetiv
- Dativ
- Akkusativ
- Ablativ
- Instrumental
- Allativ (umstritten)
- Vokativ
- Lokativ
Kasus in den Sprachen der Welt
Kasus | Bedeutung | Beispiel | Sprachen (Beispiele) |
---|---|---|---|
Abessiv | Abwesenheit von etwas | ohne das Haus | Finnisch |
Ablativ (1) | indirekter Fall | das Haus betreffend | Latein, Sanskrit |
Ablativ (2) | Wegbewegung | vom Haus weg | Finnisch |
Absolutiv | Subjekte intransitiver Verben; Objekte transitiver Verben | das Haus | Baskisch |
Akkusativ | direktes Object | das Haus | Deutsch, Esperanto, Latein, Russisch |
Adessiv | nahe bei | beim Haus | Finnisch |
Allativ oder Direktiv | Hinbewegung | zum Haus | Baskische Sprache, Finnisch |
Komitativ | Zusammen mit | mit dem Haus | Baskisch, Estnisch, Ungarisch |
Dativ | Richtung oder Empfänger; indirektes Objekt | dem Haus | Deutsch, Latein, Russisch, Hindi |
Dedativ (Respektiv) | Verwandtschaft | dem Haus verbunden | Quenya |
Delimitativ (lokaler Genitiv) | örtliche Zugehörigkeit | des Hauses, zum Haus gehörig | Baskisch |
Elativ | Herausbewegung | aus dem Haus heraus | Finnisch, Estnisch, Ungarisch |
Ergativ | Subjekt, das ein transitives Verb ausführt | das Haus | Baskisch, Samoanisch, Tschechisch, Inuktitut |
Essiv | Kennzeichnung einer Bedingung | wie das Haus | Finnisch, Mittel-Ägyptisch |
Genitiv (Genetiv) | Besitz, Beziehung | des Hauses | Deutsch, Latein, Russisch, Griechisch |
Illativ | Hineinbewegung | ins Haus | Finnisch |
Inessiv | Innen | im Haus | Baskisch, Finnisch, Estnisch, Ungarisch |
Instrumental oder Instruktiv | Kennzeichnung der Nutzung | durch das Haus | Baskisch, Russisch, Finnisch, Sanskrit |
Lokativ | Ort | am Haus | Klingonisch, Sanskrit, Lettisch |
Nominativ | Subjekt | das Haus | viele Sprachen, sofern kein Ergativ-Absolutiv-System vorliegt (Ergativsprachen) |
Obliquus (Oblik) | Umfassend | das Haus betreffend | Hindi |
Partitiv | Mengen | an Häusern | Baskisch, Finnisch |
Possessiv | Besitz | dem Haus gehörend | Baskisch, Quenya |
Postpositional | Kasus vor Postpositionen | Haus + Postposition | Hindi |
Präpositional | Kasus nach Präpositionen | Präposition + Haus | Russisch |
Prolativ (1) | Bewegung auf Oberfläche | durch das Haus | Estnisch, Finnisch |
Prolativ (2) | für oder anstelle von | fürs Haus | Baskisch |
Rektus oder Rectus | Subjekt; Objekt transitiver Verben in Ergativsprachen | das Haus | Sammelbezeichnung für Nominativ und Absolutiv |
Respektiv (Dedativ) | Beziehung | bezogen auf das Haus | Quenya |
Tendenzial | Richtung einer Bewegung | in Richtung Haus | Baskisch |
Terminativ | Ende einer Bewegung oder Zeit | bis zum Haus | Baskisch, Estnisch |
Translativ | Zustandswechsel | zum Haus | Finnisch, Ungarisch |
Vokativ | Anrede | Oh Haus! | Latein, Griechisch, Sanskrit, Tschechisch |
Herkunft des Wortes
Die Bezeichnung Kasus geht etymologisch auf die Darstellung der Kasusrelationen in der griechischen Grammatiktradition der Stoa zurück. Dort wurden nämlich Nomina als vom Verb 'abfallend' ('abhängig') aufgefasst und dargestellt (etwa wie noch heute in der Dependenzgrammatik). Dieses 'Abfallen' wurde mit ptosis (πτωσις) 'Fall' bezeichnet. Die Lehnübersetzung des Lateinischen hat sich bis heute erhalten.
Siehe auch: Rektion, Kasustheorie