Kassandra (Christa Wolf)
Kassandra ist der Titel eines Buches der ostdeutschen Schriftstellerin Christa Wolf. Der Roman erzählt die Geschichte des Trojanischen Krieges aus der Perspektive der Kassandra.
Nach Aussage der Autorin entstand die Idee zu "Kassandra" eher zufällig. Als eine der wenigen Autorinnen der DDR hatte Wolf die Möglichkeit, ins westliche Ausland - genauer: nach Griechenland - zu reisen. Sie verpasste aber ihren Flug nach Athen und musste in Berlin übernachten. In Ermangelung anderer Literatur begann sie, die Orestie von Aischylos zu lesen. Fasziniert von der Person der Kassandra begann sie Forschungen über sie und das alte Griechenland anzustellen.
Die Entstehung der Figur Kassandra und des Buches beschreibt Christa Wolf in ihrem parallel dazu entstandenen Buch "".
Kassandra, die Tochter von König Priamos von Troia und seiner Frau, Königin Hekabe, wird von Apollon umworben und mit der Sehergabe beschenkt. Da sie sich seiner Liebe verweigert, wird sie von ihm bestraft, indem er ihr den Fluch auferlegt, dass niemand ihr glauben werde. Zu ihrem Vater hat sie eine liebevolle Beziehung, so lässt er sie immer, im Gegensatz zu allen anderen ihrer Geschwister, im Zimmer bleiben, wenn er mit seiner Frau Hekabe eine Politische Besprechung hat. Priamos herrscht zusammen mit seiner Frau, wobei man aber auch sagen könnte, dass er ihr die Macht größtenteils überlässt, dass Hekabe mehr Königin ist, als Priamos König. In Punkto Erziehung jedenfalls war Hekabe immer die strenge Mutter. Im Rahmen der entwürdigenden Entjungferungszeremonie begegnet sie zum ersten mal Aineias, der sie zu sich nimmt, sie aber nicht entjungfert. Sie verliebt sich in Aineias. Sie wird später von Panthoos, - „Panthoos der Grieche“ genannt – dem ersten Apollonpriester, nachdem er sie zur Priesterin geweiht hat, entjungfert. Doch immer wenn Panthoos zu ihr kommt, um mit ihr zu schlafen, stellt sie sich vor, es sei Aineias.
Anchises, der Vater des Aineias, lehrt Kassandra die Geschichte vom ersten Schiff, und dass Panthoos als Beutestück mitgebracht worden sei. Zur gleichen Zeit wird das Zweite Schiff ausgesandt, mit dabei Anchises und Kalchas der Seher, um die vom Spartaner Telamon entführte Hesione, Priamos' Schwester, nach Troia zurückzuholen. Das Unternehmen scheitert, denn inzwischen ist Hesione die Frau von Telamon und der Seher Kalchas kehrte nicht zurück, wobei Anfangs ungewiss ist, ob er von den Griechen gefangengenommen worden ist oder ob er aus freier Wahl zu den Griechen übergelaufen ist, was sich später bewahrheitet.
Kurz darauf taucht Paris auf, der sich als Bruder der Kassandra herausstellte. Kassandra erfährt von Arisbe, der Mutter von Aisakos, einem Halbbruder Kassandras, dass Paris von Priamos einem Hirten gegeben wurde um ihn umzubringen, da Hekabe vor seiner Geburt träumte, sie würde eine brennende Fackel gebären und Kalchas der Seher ihr daraus prophezeite, Paris würde Troia in Flammen setzen. Der Hirte brachte es jedoch nicht übers Herz ihn umzubringen und setzte ihn aus, worauf Paris bei Hirten aufwuchs. Paris musste auf Geheiß des Zeus, unter den Göttinnen Aphrodite, Athena und Hera die Schönste bestimmen. Er entschied sich für Aphrodite, da sie ihm die schönste menschliche Frau, Helena, die Frau des Königs Menelaos von Sparta versprochen hatte. Paris wird Anfangs von seinen Brüdern verspottet, da sein Name Tasche, Beutel heißt, von Kassandra aber geliebt, wie sie nur früher einmal Aisakos geliebt hat. Aisakos hat sich selbst das Leben genommen, da seine geliebte Frau Asterope im Kindbettfieber starb, Kalchas jedoch sagte, dass er von Artemis in einen schwarzen Tauchvogel mit rotem Hals verwandelt wurde.
Zu dieser Zeit kommt Menelaos nach Troia und während des Mahls des letzten Abends kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Paris, von Eumelos angestiftet, und Menelaos, in der es um Helena geht. Noch im Speisesaal bekommt Kassandra einen Anfall und wird daraufhin von ihren Geschwistern für wahnsinnig erklärt, doch sie ist nicht echt wahnsinnig, denn sie schützt sich mit ihrem Wahnsinn vor dem Schmerz, da sie den Untergang Troias voraussieht. Menelaos verlässt Troja, und das dritte Schiff fährt aus, an dessen Spitze Paris. Kassandra wird durch Hilfe von Arisbe wieder gesund. Das dritte Schiff kehrt zurück, jedoch ohne Paris, denn der macht mit Helena, die er entführt hat, da man ihm Hesione verweigerte, einen Umweg über Ägypten. Nach Monaten kommt er mit einer verschleierten Person, die er als Helena vorgibt zurück, doch Kassandra bemerkt sofort, dass es nicht Helena ist, aber sagt niemandem etwas davon, weil Priamos es ihr verboten hat.
Im Frühjahr beginnt dann der Krieg. Gleich am ersten Tag wird Kassandras Bruder Troilos von Achill brutal getötet, seitdem nennt Kassandra ihn immer „Achill das Vieh“. Briseis, die geliebte Gattin des Troilos verliert beinahe den Verstand, und wird auf ihr Wunsch zu ihrem Vater, Kalchas, also zu den Griechen gebracht. Aineias hilft Kassandra über den Tod ihres Bruders hinweg und zwischen den beiden entwickelt sich eine zärtliche und leidenschaftliche Liebe. In der Beziehung findet Kassandra die lang vermisste Erfüllung ihrer Wünsche und Sehnsüchte. Er kann aber nicht bei ihr bleiben, und geht am nächsten Morgen fort. Kassandra bespricht jetzt häufig ihren Kummer bei Anchises, wo sich einige Troerinnen und Sklavinnen der Griechen treffen. Hekabe darf an den Sitzungen des Rats nicht mehr teilnehmen. Polyxena, eine Schwester Kassandras verliebt sich in Andron, den Offizier des Eumelos, beginnt ein Verhältnis und wird schwanger von ihm, verliert jedoch das Kind. Kassandra hört auf zu Anchises zu gehen und zieht sich in den Tempel zurück. Inzwischen zerbröckelt Priamos immer mehr, je mehr er das Königsein betont. Sie trifft auf Agamemnon, welcher ihr Schmuck schenkt, weil sie Iphigenie gleiche. (Agamemnon hat seine Tochter, Iphigenie geopfert, weil ihm Kalchas prophezeit hatte, nur so würde Wind aufkommen, damit die Seefahrer aus Aulis nach Troia segeln konnten.) Kassandra geht wieder zu Anchises, um mit ihm über Eumelos zu sprechen, der immer mehr Priamos auf eine falsche Art beeinflusst und beherrscht. Hektor besiegt im Zweikampf den großen Aias, worauf Achill ihn zum Zweikampf auffordert, wo er Hektor umbringt, und darauf so viel Gold fordert wie des Hektors Leiche wiegt, oder Polyxena. Briseis kommt zurück und versteckt sich in den Höhlen der Ida-Bergen, wo Arisbe lebt und wo Kassandra am liebsten auch hin möchte. Polyxena muss zu Achill. Aineias kommt zurück und bringt Amazonen (Kriegerinnen) mit, an der Spitzte Penthesilea, die auf der Seite Troias kämpfen wollen. Myrine, eine Amazone, die zu einer guten Freundin von Kassandra wird, wird schwer verletzt und wurde von den Troerinnen versteckt. Panthoos wird von den Amazonen getötet. Achill tötet Penthesilea und nach ihr wurden sämtliche Amazonen getötet, mit Ausnahme von Myrine, die gut versteckt ist.
Kassandra erfährt vom Plan der Tötung des Achill, indem Polyxena ihn in den Tempel locken soll, unter Vorwand einer Vermählung, und dort Paris mit einem Speer an der Ferse getroffen werden soll. (Der einzige schwache Punkt des Achill ist seine Ferse) Kassandra ist gegen diesen Plan im Interesse Polyxenas, worauf Priamos zornig wird und sie einsperren lässt. Als sie wieder frei kommt, ist Achill getötet und hat im Sterben Odysseus den Schwur abgenommen, dass Polyxena an seinem Grab geopfert werden soll. Kassandra lebt jetzt auch in den Höhlen und versucht zusammen mit den andern Frauen und Anchises, die dort sind, die Zeit vor dem Untergang zu genießen. Im ersten Frühling schickte Priamos nach ihr, weil sie Eurypylos, einen neuen Verbündeten heiraten soll, dieser starb jedoch am Tag nach der Hochzeitsnacht und Kassandra kehrte zu den Höhlen in den Ida-Bergen zurück und gebärt dort später Zwillinge.
Paris stirbt und sie geht nach Troia für die Totenfeier und sieht, wie schlecht es Troia geht. Eines Abends hat sie auf der Stadtmauer eine Unterhaltung mit Aineias. Aineias besteht darauf, dass Kassandra mit ihm Troia verlässt, um ein neues Leben anzufangen. Kassandra will nicht mit ihm gehen, da sie davon ausgeht, dass die neuen Herren allen, die überleben, ihr Gesetz diktieren. Diese neuen Gesetze würden Aineias dazu zwingen, bald ein Held zu werden, und einen Helden kann sie nicht lieben. Sie entscheidet sich für den Tod. Aineias flüchtet, der Zusammenbruch kommt schnell, denn die Troer holen gegen Kassandras Willen das Pferd in die Stadt hinein. In der Nacht werden alle Troer getötet. Polyxena wird auf dem Grab von Achill geopfert, Kassandra von dem kleinen Aias vergewaltigt und mit ihren Zwillingen und Marpessa (ihre Dienerin) von Agamemnon gefangengenommen und nach Mykene geführt. Dort wird sie von Klytaimnestra, Agamemnons Frau, ermordet.
Kassandra ist die Geschichte einer Außenseiterin, einer an die Oberschicht gefesselten Frau in einem Staat, der sich zu einem ausgeprägten Patriarchat entwickelt, in einem kriegführenden Staat, wo die Männer ihren Gegnern immer ähnlicher werden und die Frauen nichts mehr zu sagen haben.
Es ist die uralte Geschichte einer Frau, die zum Objekt gemacht werden soll. Sozial gebunden an die herrschende Oberschicht, emotional gefesselt an ihren Vater, an die Geschichte und Gegenwart des Königshauses, erlebt sie einen schweren, langwierigen Prozess der Loslösung. Und entscheidet sich für sich und damit für den Tod, indem sie Aineias nicht folgt.
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