Kapitalismuskritik
Das Wort Kapitalismuskritik bezeichnet die Kritik am Kapitalismus auf ökonomischen, sozialen und politischen Feldern. Diese Kritik kann in der Folge alternative, nicht unumstrittene Gesellschaftsentwürfe und Utopien beinhalten, mitunter aber auch nicht.
MaschinenstürmerInnen
Mit der Veränderung der Arbeitswelt durch die Industrialisierung kommt es in vielen Ländern zu einer Bewegung der Maschinenstürmer, deren Ziel es in erster Linie ist, ihre eigenen Lebensgrundlagen zu erhalten. In Deutschland richtet sich diese Bewegung in erster Linie gegen industrielle Erzeugnisse und weniger gegen die Maschinen oder den Kapitalismus an sich. Anarchistische Kapitalismuskritik bezieht sich häufig auf die radikaleren britischen Maschinenstürmer und deren Kampf gegen die Entfremdung - dabei gibt es auch Strömungen, die sich als Anarchisten bezeichnen, die aber den Kapitalismus bzw. den Markt befürworten (vgl. Anarchokapitalismus).
sozialistische Kapitalismuskritik
Von der Entfremdung durch die industrielle Revolution ausgehend formuliert sich die sozialistische Kapitalismuskritik. Mit ihren Schriften entwickeln Karl Marx (1818 - 1883) und Friedrich Engels (1820 - 1895) einen Ansatz zur kritischen Analyse der Machtverhältnisse. Dabei geht es um das Verhältnis zwischen den Unternehmern als Eigentümern an Produktionsmittel und den Arbeitern, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Dieser Ansatz wird in der Folge wissenschaftlich weiter ausgebaut. Die sozialistische Theorie stellt damit den am besten theoretisch fundierten Ansatz der Kapitalismuskritik dar.
Eine Grundlage des Kapitalismus ist demnach die Unterscheidung zwischen Tauschwert und Gebrauchswert von Waren und das Entstehen von Mehrwert dadurch, daß der Tauschwert deutlich über den Gesamtproduktionskosten liegt. Das ist nur möglich, wenn Arbeitskraft der ArbeiterInnen in einer Form ausgebeutet wird, in der sie für ihre Arbeit weniger Lohn verdienen als sie an Wert produzieren. Die Fixierung auf den Gewinn führt zu einer immer schnelleren Verwertung und stärkeren Ausbeutung. Aus ihr resultiert auch, daß das Kapital an sich zum Fetisch wird. Der Kapitalismus entzieht sich durch die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der ArbeiterInnen letztendlich die eigenen Grundlagen.
Geschichte ist nach Karl Marx als eine Folge von Klassenkämpfen zu verstehen. Dabei sind im Kapitalismus die Proletarier das revolutionäre Subjekt. Die aus den inneren Widersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise resultierenden und zyklisch wiederkehrenden Krisenerscheinungen würden notwendigerweise zum Zusammenbruch führen. In dieser Situation würde die sozialistische Revolution zu einer Übernahme der Macht führen. Ziel sei die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft, in der die Ungerechtigkeiten überwunden werden.
Im realexistierenden Sozialismus sollte dann mit dem Ansatz eines staatlichen Monopolkapitalismus diese Utopie umgesetzt werden, bei dem die Verfügung über die Produktionsmittel formal bei der Bevölkerung lag.
gewerkschaftliche Kapitalismuskritik
Die gewerkschaftlichen Ansätze der Kapitalismuskritk beziehen sich in der Regel auf die sozialistische Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse. Allerdings sind die Schlussfolgerungen und Forderungen aus gewerkschaftlicher Perspektive eher auf eine reformistische Umsetzung einer gerechten Gesellschaft bedacht. Dazu gehört im Sozialstaatsmodell das Konsensprinzip, nach dem Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften als Verhandlungspartner entsprechend dem Tarifvertragsgesetz in der Aushandlung von Tarifverträgen eine Sozialpartnerschaft eingehen und damit eine Verantwortung für eine friedliche gütliche Einigung in Konfliktfällen anstreben sollen. Dieser Ansatz zielt in erster Linie auf eine reibungslose Aufrechterhaltung der Produktion und eine Reglementierung wie auch Sanktionierung von Maßnahmen zur Durchsetzung von ArbeiterInneninteressen.
Gegen dieses Modell der Sozialpartnerschaft stehen kapitalismuskritische Ansätze syndikalistischer und sozialistischer GewerkschafterInnen, die allerdings in der Praxis selten zum Tragen kommen.
christliche Kapitalismuskritik
In der christlichen Soziallehre finden sich beim Versuch, christliche Positionen für das Zusammenleben in einer aufgeklärten Gesellschaft zu formulieren, ebenfalls kapitalismuskritische Positionen, die sich gegen die materialistischen Grundlagen der Modernen wendet. Besonders die Verelendung der Arbeiterschaft und die zunehmende Vergötterung des Geldes. Stärker richtet sich die Soziallehre gegen die ebenfalls materialistischen und offen atheistischen sozialistischen Ideen. Sie ist selbst antirevolutionär und sucht nach einem Konsens zwischen Kapital und Arbeiterinteressen unter christlichen Vorzeichen. Dazu gehört u.a. das Einfordern christlicher Werte, das Bewahren der Schöpfung, das Einsetzen für Arme und die Forderung nach Teilhabe für alle Menschen.
antifaschistische Kapitalismuskritik
Mit dem Aufkommen des Faschismus in Europa formiert sich eine besondere Form des Antikapitalismus, für die der Faschismus eine Extremform der bürgerlichen Herrschaft des Kapitals ist. Dieser in den 30er Jahren vor allem von Georgi Dimitroff (1882 - 1949) vorgetragene Ansatz findet vor allem im kommunistischen Widerstand Zustimmung.
Als Beleg für diesen Ansatz gilt insbesondere die Förderung der NSDAP durch die Großindustrie, insbesondere der Harzburger Front. Desweiteren wird das wirtschaftliche Engagement der IG Farben und vieler weiterer deutscher Betriebe in die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen und KZ-InsassInnen als Zeichen für die umfassendste und mörderischste Verwertung von Menschen im Kapitalismus gedeutet.
Nach der Befreiung Deutschlands und besonders in den 60er Jahren findet die antifaschistische Kapitalismuskritik sowohl wissenschaftlich als auch politisch einigen Zulauf. Wie Max Horkheimer formulierte: "Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen." Dabei kommt es auch zu Überdehnungen der Theorie, wie der Gleichsetzungen der US-Politik mit dem Nationalsozialismus im Antiimperialismus.
Die Kritik an diesem Ansatz bemängelt einerseits solche Überdehnungen und andererseits Verengungen der Kapitalismuskritik, in der Sexismus und Rassismus als Elemente des Faschismus unberücksichtigt bleiben. Alleine aus der kapitalistischen Verwertungslogik ist Auschwitz nicht abzuleiten.
Globalisierungskritik
In den aktuellen globalisierungskritischen Strömungen kommen unterschiedliche dieser Ansätze und weitere Argumentationen zusammen, u.a.:
Auch antisemitische Argumentationen kommen vor.
personalisierende und antisemitische Ansätze
Nicht als Kapitalismuskritik zu bezeichnen sind Ansätze, die einzelne Kapitalisten wie z.B. Axel Springer oder Bill Gates kritisieren, sich aber nicht gegen die ökonomischen Verhältnisse an sich wenden. Solche Ansätze haben eher einen verschwörungstheoretischen Charakter.
Eine Sonderform hiervon sind antisemitische und faschistische Ansätze. Mit dem Aufkommen der antisemitischen Bewegung im späten 19. Jahrhundert kommen solche Argumentationen in Mode. Formal sind sie als "antimodern" zu bezeichnen, weil sich in ihnen der Wunsch nach einer vormodernen ständischen Gesellschaftsordnung ausdrückt. Der Hass gegen die Moderne richtet sich besonders gegen die Juden, da diese nach der Aufklärung eine weitgehende rechtliche Gleichstellung erreichten und einzelne Juden, deren Vorfahren als Hofjuden Reichtum erworben haben, im Kapitalismus erfolgreich waren. Diese wurden als Prototypen des bösen Kapitalisten auserkoren und angegriffen. Der Wiener Sozialist Ferdinand Kronawetter bezeichnet diesen Antisemitismus als Sozialismus der Dummen.
Diese antisemitischen Argumente vertreten in der Folge auch faschistische Ideologen wie z.B. Otto Strasser oder Ernst Röhm. Sie propagieren einen Unterschied zwischen einem schaffenden Kapital, das in ihren Rassephantasien deutsch sei und einem raffenden (Börsen-)Kapital - entsprechend als jüdisch bezeichnet. So diffamieren Faschisten Juden als Spekulanten und machen sie besonders für die Weltwirtschaftskrise 1929 - 1933 verantwortlich. In der Propaganda wendet Goebbels diese Argumentation besonders gegen die ökonomische Vormachtstellung der USA und ein konstruiertes "Weltjudentum".
Siehe auch: Sozialismus, Marxismus, politische Ökonomie, Anarchismus, Gesellschaftskritik, Senke, Neoliberalismus