Indogermanen
Indogermanen ist im deutschsprachigen Raum die Bezeichnung für die Sprechergemeinschaft, die Träger der (angenommenen) indogermanischen Ursprache war, auf die sämtliche indogermanische Sprachen zurückgehen.
Table of contents |
2 Methodik 3 Kurgan-Theorie 4 Anatolien-Hypothese 5 Out-of-Iran-Hypothese 6 Literatur 7 Siehe auch |
Durch vergleichende Sprachforschung entdeckte man Ende des 18. Jahrhunderts, dass sehr viele Sprachen in Europa und dem vorderen Orient von einer gemeinsamen Ursprache abstammen (indogermanische oder Indoeuropäische Sprachen). Der Name „indogermanische Sprachen“, den 1823 der Forscher H.J. Klaproth prägte, sollte die östlichste (indo-arisch) mit der westlichsten Sprache (germanisch) verklammern, zwischen denen alle anderen Sprachen lagen. Nach heutigen Erkenntnissen ist diese Bezeichnung nicht ganz korrekt. So fand man zum Beispiel zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Tarim-Becken (Chinesisch-Turkestan) Schriftrollen, die eine bislang unbekannte Sprache – das Tocharische – enthielten, das als Kentum-Sprache Verwandtschaft unter Anderem mit dem Keltischen oder Germanischen zeigte.
Zu den indogermanischen beziehungsweise indoeuropäischen Sprachen (dieser Terminus wird außerhalb Deutschlands verwendet) zählen zum Beispiel: Keltisch, Germanisch, Italisch, Slawisch, Baltisch, Albanisch, Griechisch, Armenisch, Iranisch oder Indisch (Indoarisch). Auch längst ausgestorbene Sprachen wie zum Beispiel Hethitisch, Illyrisch, Phrygisch, Tocharisch oder Thrakisch zählen hierzu. Daneben mag es einige Sprachen geben, die unwiderbringlich verschollen sind, weil weder schriftliche noch mündliche Überlieferung von ihnen berichtet.
Die indogermanische Ursprache konnte mit rein sprachlichen Forschungen teilweise rekonstruiert werden. Durch Untersuchung der in der Sprache vorkommenden Pflanzen und Tiere versucht man, die Urheimat ihrer Träger, der Indogermanen beziehungsweise Indoeuropäer, zu ermitteln. Trotz zahlloser Forschungsansätze bleibt das Ergebnis umstritten, d.h. niemand kann mit Gewißheit sagen, ob jemals ein Volk als Träger der indogermanischen Sprache existiert hat. Noch weniger vermag man zu sagen, welcher „Rasse“ ein derart hypothetisches Volk einst angehörte. Ethnisch völlig unterschiedliche Stämme könnten Träger der gleichen Sprache gewesen sein, denn Sprache sagt nichts über „Rasse“ aus. Hier befanden sich die Nationalsozialisten, die die Indogermanen und Arier für sich vereinnahmten, mit ihrer absurden Rassenlehre im wissenschaftlichen Abseits.
Bei der Erforschung der Kultur der Indogermanen interessiert man sich heute vor allem für die Sozialordnung und deren Widerspiegelung im Bereich der Mythologie und Religion. Einzige Basis hierfür ist die teilweise erschlossene indogermanische Ursprache, da eindeutige materielle Funde bis heute nicht vorliegen.
Beispiele: Die Franzosen sind Nachfahren der "Kelten", "Germanen" und "Normannen". Das Proto-Französische ist jedoch Latein, aber die Römer, die Latein gesprochen haben sind nicht die Vorfahren der Franzosen.
Hebräisch ist schon seit vorchristlicher Zeit ausgestorben. Ivrit ist eine Kunstsprache, die mit der Gründung des Staates Israel geschaffen wurde. Proto-Ivrit würde Hebräisch approximieren. In Unkenntnis der historischen Fakten könnte jemand, der nur Proto-Ivrit kennte, keinen Zusammenhang zwischen den antiken Juden und Proto-Ivrit herstellen.
Für archäologische Kulturen gilt das gleiche wie für Protosprachen: Die Archäologie ordnet ihre Funde zu Horizonten. Horizonte mit ausreichender, umfangreicher Datenlage werden Kulturen genannt. Eine Kultur ist ein Konstrukt und eine Arbeitshypothese, die die Verursacher der Horizonte nur approximiert. Behauptungen, das die Kultur eine Sippe, ein Volk, eine Nation, ein Reich oder ein Staat gewesen sei, sind, wenn dies historisch nicht untermauert werden kann, notwendigerweise spekulativ, wenn auch plausibel.
Natürlich versuchen Sprachwissenschaftler, die eine Protosprache beschreiben, auch archäologische Evidenzen für diese Protosprache zu finden, und natürlich versuchen Archäologen, die eine Kultur beschreiben, in Ermangelung historischer Daten sprachwissenschaftliche Evidenzen zu finden. Dies ändert nichts daran, dass die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Protosprachen und Kulturen prinzipiell hypothetisch ist, so dass zwar allgemein von Gesellschaften gesprochen werden kann, die Sprechergemeinschaft der linguistischen Protosprache und Träger der archäologischen Kultur gewesen sein müssen, jedoch nicht behauptet werden kann, diese Gesellschaften seien ein Volk oder eine Nation gewesen.
Die Unkenntnis oder das Ignorieren dieser wissenschaftstheoretischen Problematik führt immer wieder dazu, dass nationalistische Ideologien sowohl Sprachwissenschaft wie Archäologie für sich vereinnahmen können.
Insbesondere sollte man wissen, dass die in diesem Artikel erwähnten Theorien, jede für sich, auf völlig verschiedenen Annahmen beruhen. Damit schließen sich die Theorien, obwohl sie sich zu widersprechen scheinen keineswegs gegenseitig aus. Ferner wird der Begriff Volk in diesem Artikel und in fast allen Berichten über Sprachwissenschaft oder Archäologie nur umgangssprachlich und vorwissenschaftlich verwendet und hat mit der Wirklichkeit, die durch die Theorien beschrieben werden soll, nichts zu tun.
Dieser Hypothese zufolge lebten die Indogermanen im 5. vorchristlichen Jahrtausend als kriegerisches Hirtenvolk in Südrussland, einige Archäologen identifizieren sie mit dem Kurganvolk. Sie wären nach Klimaverschlechterungen in ihrer Heimat zwischen 4400 und 2200 v. Chr. in mehreren Schüben west-, süd- und ostwärts gezogen. Die sog. Streitaxtleute bzw. Schnurkeramiker wären eine der Auswanderungswellen des Kurganvolks. Auf diesen Wanderungen hätten sie u.a. auch Mitteleuropa erreicht und sich mit den dort ansässigen Menschen (Bandkeramiker, Megalithkultur) vermischt.
Aus der Vermischung von Indogermanen und nicht-indogermanischer Urbevölkerung sowie durch isolationsbedingte Auseinanderentwicklung erklärten sich die verschiedenen indogermanischen Volks- und Sprachgruppen, wie die Kelten, Germanen, Slawen, Romanen, Griechen, Iranier, Inder, Balten, Armenier, Hethiter, Thraker u.a.
Überblick
Früher untergliederte man die indogermanischen Sprachen in Kentum-Sprachen (zu lat. centum = hundert) und Satem-Sprachen (u.a. altindoarisch satam = hundert), um so Nachbarschaften oder Verwandtschaften auszudrücken. Diese Abgrenzung verliert immer mehr an Bedeutung gegenüber einer neueren Einteilung in west- und ostindogermanische Sprachen.
Bei der Erschließung des Herkunftgebietes der Indogermanen gibt es eine ganze Reihe von Theorien. Sie verfolgen im wesentlichen zwei Richtungen: Die eine Fraktion von Wissenschaftlern behauptet, dass die Indogermanen in Mitteleuropa entstanden sind und damit die Urbevölkerung des Kontinents bilden würden. Diese These war – aus bekannten Gründen – besonders in der Nazizeit sehr beliebt. Die andere These, der heute viele Wissenschaftler zuneigen, ist die so genannte „Kurgan Theorie“ (s. unten). Sie geht von erobernden Steppenvölkern aus dem südrussischen Raum aus.Methodik
Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft und die Sprachtypologie erschließen durch Vergleich verschiedener Sprachen so genannte Protosprachen. Die Benennung dieser Protosprachen ist ziemlich willkürlich und erfolgt z. B. durch Auswahl von ein oder zwei der Vergleichssprachen. Das sogenannte Indogermanische ist die Protosprache vieler verschiedener Sprachen, die von Europa bis Indien und China gesprochen wurden. Eine Protosprache ist ein Konstrukt und eine Arbeitshypothese. Als reale Sprache hat es sie nie gegeben. Sie beschreibt lediglich einen Teilbereich der realen Sprache, die es gegeben haben muss. Behauptungen, dass die Sprechergemeinschaft dieser realen Sprache, die durch das Konstrukt Protosprache nur approximiert wird, eine Sippe, ein Volk, eine Nation, ein Reich oder ein Staat gewesen seien, sind, wenn dies historisch nicht untermauert werden kann, notwendigerweise spekulativ, wenn auch plausibel. Kurgan-Theorie
Von der Mehrheit der Wissenschaftler wird die Kurgan-Theorie favorisiert. Das Kurganvolk, von der unteren Wolga und aufgrund der vorhandenen Wörter eine in erster Linie patriarchalisch organisierte Hirtengesellschaft, die den Pflug kannte, das Pferd als Reittier nutzte und mit Sicherheit nicht am Meer beheimatet war.Anatolien-Hypothese
Bei der Anatolien-Hypothese wird Ostanatolien als Ausgangspunkt der indoeuropäischen Wanderungen angenommen. Das Proto-Indoeuropäische hätte sich demnach friedlich mit der Entwicklung des Ackerbaus in Europa ausgebreitet. Out-of-Iran-Hypothese
Durch vergleichende Sprachwissenschaft des iranischen Wissenschaftlers Derakshani sollen bestimmte Wurzeln auf eine Sprache des Volkes der Arier zurückzuführen sein, das bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. im Hochland des Iran lebte und deren Nachweis archäologisch bislang nicht gelang. Von dort aus sollen sich die Arier als Proto-Indoeuropäer ausgebreitet haben. Literatur
Siehe auch