Illegale Migration
Illegale Migration sind Wanderungsbewegungen, die außerhalb staatlicher Regulierungsversuche stattfinden. Dies ist das entscheidende Merkmal, denn anders als der Ausdruck irreguläre Migration suggeriert, folgt diese Migration durchaus Regeln: So werden Arbeitsmigrationsbewegungen beeinflusst durch Arbeitslosigkeit bzw. niedrigen Löhnen in den Herkunftsländern und der Nachfrage nach Arbeitnehmern bzw. höheren Löhnen in den Zielländern, Familiennachzug richtet sich nach der Verfügbarkeit von Wohnraum und der allegemeinen Höhe von Lebenshaltungskosten in Relation zum verfügbaren Einkommen usw. Illegale Migration hat viele Formen: Fluchtmigration tendiert eher zur Verlagerung des Lebensmittelpunkts aus der Herkunfts- in eine Zielregion, Arbeitsmigration hat vielfach die Form der Pendelmigration oder zirkulären Migration, bei der der Lebensmittelpunkt im Herkunftsland beibehalten wird. Auf diesem Gebiet kommt es auch häufig zu befristeten Migrationsprojekten, d.h. nach einer bestimmten Zeit kehrt der 'illegale' Migrant in sein Land zurück.
Illegale Migration ist eine Begleiterscheinung der globalen Netzwerkgesellschaft (Globalisierung) und findet statt in einem Geflecht migrationsauslösender, migrationslenkender und migrationsermöglichender Faktoren. Von entscheidender Bedeutung sind hierbei grenzübergreifende private, ethnische, kommerzielle und kriminelle Netzwerke, über die Informationen, Geld und andere Ressourcen zwischen Herkunfts- und Zielländern verlaufen. Dies führt zu grenzübergreifenden transnationalen sozialen Räumen, die Herkunfts- und Zielregionen von Migranten verbinden (vgl. Transnationalismus). Dominiert wird dieses Geschehen von einem kommerziellen Gebaren, welches sich an Angebot und Nachfrage orientiert: Faktoren wie die Notwendigkeit, immer ausgeklügeltere Grenzkontrollmaßnahmen umgehenzu müssen oder der Wunsch nach Bequemlichkeit und Schnelligkeit der Reise bestimmen die Preishöhe. Kriminelles Gebaren, z.B. welches Migranten gegenüber die bezahlte Dienstleistung nicht erbringt oder die 'Kunden' gar ausbeutet kommt eher selten vor, Schätzungen gehen von 20-25% aller Fällen aus, wobei sich gerade Einbindung in private und ethnische Netzwerke wiederum als wirksamer Schutz vor kriminellen Gruppen erweist.
Illegale Migration wird für die Staaten immer schwerer kontrollierbar. In der heutigen Weltgesellschaft fördern und erlauben Staaten bestimmte grenzübergreifende Wanderungsbewegungen (z.B. von Geschäftsleuten, Besuchern und Touristen), was es eben auch anderen ermöglicht, diese erlaubten Wanderungsmöglichkeiten 'zweckzuentfremden': Mehr und mehr Migranten und deren kommerzielle und kriminelle Dienstleister ("Schleuser", Menschenhändler) nützen solche scheinbar legalen Migrationsmöglichkeiten zur unerlaubten Einreise in die Zielländer von Migranten. Der unerlaubte Übertritt über die Grüne Grenze verliert zunehmend an Attraktivität wegen der immer höheren Kosten und des immer höheren Risikos, von der Grenzpolizei mithilfe von hochtechnisierten Geräten aufgespürt, anschließend verhaftet und zurückgeschoben zu werden. Vergleichbar ist die Situation an der "Blauen Grenze", dem Seeweg, wie die zunehmenden Todesfälle im Mittelmeer belegen. Hat man aber die EU-Außengrenze an einer Stelle überwunden, besteht aufgrund der europaweiten Reisefreiheit kein größeres Problem mehr, an den gewünschten Zielort zu gelangen.
Siehe auch: Grenzregime
Eine Schätzung der Größenordnung ist deshalb schwierig, weil die Migrationsbewegungen im Verborgenen ablaufen bzw. weil Migranten durch den Erwerb gut gefälschter Papiere oder die Verwendung echter Papiere auf fiktive Identitäten die 'illegale Natur' ihres Grenzübertritts immer besser tarnen. Für Deutschland kann jedoch eine Größenordnung von 500 000 bis 1 Million 'Illegaler' durchaus angenommen werden. Die Zahl ist deutlich gesunken, da mit dem EU Beitritt von Ländern wie Polen, Slowakei oder Ungarn zum 1.5.2004 deren Staatsangehörige im Unionsgebiet automatisch aufenthaltsrechtlich legalisiert wurden (Nähere Begründung siehe hier: Anlage 4 (Größenschätzung für Deutschland)). Aber auch weltweit dürften sich die unerlaubten Migrationsbewegungen verstärken.
In Deutschland zeigt die Politik derzeit keine Bereitschaft, diesen Tatsachen entsprechend zu handeln, wie die Abwesenheit des Themas im diskutierten Zuwanderungsgesetz ebenso belegt wie die ständige Verbindung mit Kriminalität bzw. Konzentration auf repressive Ansätze wie z.B. Aufrüstung des Bundesgrenzschutz oder die Bekämpfung von Schwarzarbeit durch Arbeitsamt und Zoll. Um diesem Problemkomplex aber angemessen und nachhaltig begegnen zu können, wären Initiativen auf fünf Ebenen zugleich erforderlich: 1. Ursachenbekämpfung, 2. Verbesserungen im Asyl- und Familiennachzugsbereich, 3. Einbeziehung vorhandener illegaler Migrationsbrücken in die politische Gestaltung der Zuwanderung z.B. aus demographischen Gründen, 4. Gewährung von zustehenden sozialen Rechten, v.a. im Bereich Gesundheit, Schulbesuch und Schutz vor Ausbeutung (was ohne Aufgabe des staatlichen Rechts auf Zuwanderungskontrolle möglich ist), 5. Schaffung von Legalisierungsmöglichkeiten für Härtefälle.
Siehe auch: Sans papiers, illegale Migranten
Begriffsklärung
Begleiterscheinung der globalen Netzwerkgesellschaft
Probleme für staatliche Kontrolle
Größenordnung
Politische Handlungsperspektiven
Literatur
Weblinks