Hospitalismus
Unter Hospitalismus versteht man alle negativen Begleitfolgen eines längeren Krankenhaus- oder Heimaufenthalts. Es gibt zwei Arten des Hospitalismus:
Infektiöser Hospitalismus
Infektion innerhalb eines Krankenhauses oder Heimes mit Bakterien oder Viren. Besonders während einer Operation, bei Dauerkatheter, bei mangelnder Hygiene, bei Nachlässigkeit mit medizinischen Geräten und bei mangelnder Desinfektion. (Staphylokokken)
Psychischer Hospitalismus
Auch als Hospitalismus-Syndrom; Hospitalschaden, Deprivationssyndrom, anaklitische Depression oder Deprivation bezeichnet.
Bei Babys oder Kleinkindern, die ihre Mutter oder eine andere Bezugsperson über Wochen und Monate entbehren müssen. Besonders Frühgeborene oder kranke Babys sind gefährdet, weil sie sofort nach der Geburt von der Mutter weggenommen und medizinisch versorgt werden. - Anfangs anaklitische Depression (Anlehnungsdepression) mit anhaltendem Weinen, Schreien, Nahrungsverweigerung und mangelndem Augenkontakt. In diesem Stadium können die Erscheinungen noch revidiert werden. Hält die Trennung von der Bezugsperson länger an, kommt es zum psychischen Hospitalismus mit Apathie (Leidenschaftslosigkeit, Teilnahmslosigkeit), Kontaktstörungen (ähnlich dem Autismus), motorischer Verlangsamung, Nahrungsverweigerung (bis hin zum Tod), leerem Blick, fehlendem Geborgenheitsgefühl, mangelndem Genesungswunsch und Jaktation (auch: Jactatio; Kopfwackeln, Körperschaukeln oder -wiegen, bis hin zur Selbstverletzung). Die Kinder wiegen sich stundenlang hin und her, schlagen mit dem Kopf gegen die Wand, lassen monoton Gegenstände fallen oder andere Stereotypien. Der Grund für dieses Verhalten ist vermutlich, dass die Patienten irgend etwas spüren müssen (und sei es Schmerz!) und sich durch das Schaukeln selbst stimulieren. - Auch später in der Familie oder im Heim sind Kinder oder Jugendliche mit Hospitalismus durch Überforderung gefährdet; denn an sie werden leicht Erwartungen gestellt, die sie nicht erfüllen können.
- Die beste Therapie ist die Vorbeugung durch andauernde Nestwärme, Kuscheln, Liebe und Vertrauen, besonders zärtlicher Körperkontakt.
Gegen die Entwicklung von Hospitalismus richtet sich das "Rooming in", das Eltern gestattet, bei ihrem Kind im Krankenhaus zu übernachten. Bei Frühgeborenen wird häufig gleich nach der Geburt das "Bonding" durchgeführt, d. h., dass die Neugeborenen sofort ihren Müttern auf den Bauch gelegt werden (zärtlicher Körperkontakt!).
Siehe auch:
Deprivation, Deprivationssyndrom, anaklitische Depression, Jaktation (jactatio corporis, jactatio capitis), Pagodenwackeln, Kopfwackeln, Rooming in, Bonding