Hisab al-dschabr wa-l-muqabala
Unser heutiges Wort Algebra geht auf die lateinische Übersetzung ("ludus algebrae almucgrabalaeque") eines um 825 entstandenen arabischenen mathematischen Lehrbuchs von Muhammad ibn Musa al-Chwarizmi namens "hisab al-jabr wal-muqabalah" zurück. Auf Deutsch kann man das ungefähr mit "Wissenschaft der Reduktion und des gleichzeitigen Aufhebens" übersetzen.Das Buch wird meist als Geburtsstunde der klassischen Algebra, der Wissenschaft vom Lösen von Gleichungen, angesehen. Es prägte für Jahrhunderte den Charakter der Algebra als praktische Wissenschaft ohne axiomatische Fundierung.
Das Werk ist ein gutes Beispiel für die Bedeutung der Araber für die Entwicklung der heutigen Mathematik: im wesentlichen sammelten sie das Wissen der Griechen und anderer Völker des Ostens und brachten es zu einer Synthese. Auch dieses Buch war die Brücke zwischen der Antike und der abendländischen Kultur. Es hatte größeren Einfluss als das Werk des Diophant, obwohl es inhaltlich weniger bot und als reine Wortalgebra auf Formeln verzichtete. Al-Khwarizmi stützte sich hier hauptsächlich auf Brahmagupta, kannte aber wahrscheinlich auch die entsprechenden griechische Arbeiten.
Der Höhepunkt der arabischen Algebra wurde zwar erst mit Omar Chayyams Algebra "Über die Beweise für die Probleme von al-jabr und al-muqabalah" ("Auflösung kubischer Gleichungen mit Hilfe von Kegelschnitten") erreicht, allerdings wurde Al-Khwarizmis Buch bei den Arabern und später auch im mittelalterlichen Europa zum Standardwerk für die Behandlung linearer und quadratischer Gleichungen.
Das Buch ist in 3 Teile gegliedert:
Inhalt
Nach den Aussagen des Autors enthält das Buch alles was "aus der Arithmetik überaus brauchbar ist, was Menschen bei Vererbungsangelegenheiten brauchen, bei Teilungsproblemen, bei Rechtstreitigkeiten, im Handel, und überhaupt bei allen gegenseitigen Beziehungen; oder auch bei der Landvermessung, beim Graben von Kanälen, bei geometrischen Berechnungen und verschiedenen anderen Dingen".
In den Gleichungen werden keine Symbole verwendet, sondern diese werden stets verbal ausgedrückt. Alle Gleichungen werden auf 6 Standardtypen zurückgeführt (a,b,c sind dabei nicht-negative Koeffizienten; nur positive Lösungen werden betrachtet):
Jeder Gleichungstyp wird nach einer Regel gelöst, welche geometrisch bewiesen wird.
Der Autor gibt auch die Operationen an, mit deren Hilfe man Probleme auf eine seiner 6 Standardformen bringt:
- al-jabr (Vervollständigen, Wiederherstellen, Ganzmachen) - Beseitigung der negativen Ausdrücke
- '''al-muqabalah (Ausgleich) - Zusammenfassung der Ausdrücke gleicher Potenz je Seite
Obwohl die dargestellte Methode umständlich war, konnten damit alle in der Praxis vorkommenden quadratischen Gleichungen gelöst werden.
Die 6 Gleichungstypen waren jahrhundertelang das Kernstück der Algebra. Erst Michael Stifel ließ 1544 negative Koeffizienten zu und konnte so die Anzahl der Gleichungstypen verringern. Und ebenfalls erst um diese Zeit (ca. Mitte des 16. Jahrhunderts) konnte man in Europa kubische Gleichungen lösen (vgl. hierzu Geronimo Cardanos "Ars magna sive de regulis algebraicis", Niccolo Fontana Tartaglia, Scipione del Ferro).Überlieferung
Das Werk ist in einer arabischen und in mehreren lateinischen Übersetzugen erhalten.