Himmelsscheibe von Nebra
Die Himmelsscheibe von Nebra ist die älteste bekannte Himmelsdarstellung und evtl. auch die älteste astronomische Sternkarte der Menschheitsgeschichte. Sie wurde auf dem Mittelberg nahe der heutigen Kleinstadt Nebra in Sachsen-Anhalt gefunden und wird zur Zeit im Vorgeschichtlichen Museum in Halle (Saale) aufbewahrt. Sie wird auch als Mondscheibe bezeichnet.
Fakten und Vermutungen
Die grünlich schimmernde Scheibe hat einen Durchmesser von 32 Zentimetern und ist 2 kg schwer. Sie besteht aus Bronze, einer Legierung aus Kupfer und Zinn, und ist geschmückt mit Gold, das in Einlegetechnik ( = Tauschieren) auf dem Bronzeschild befestigt wurde. Damit beweist der Hersteller bzw. Künstler, dass er die Eigenschaften und das nötige Mischungsverhältnis der Metalle gut kannte. Sie wurde etwa zwischen 1800 v. Chr bis 1600 v. Chr erschaffen und ist damit heute cirka 3600 Jahre alt.
Gestaltung und Deutung der Scheibe
Die Herstellung der Himmelsscheibe zog sich vermutlich über mehrere Jahrzehnte hin.
Vermutungen über den Gebrauch der Scheibe im Kontext zu ihrem Fundort
Die Himmelsscheibe wurde in einer bronzezeitlichen Anlage auf dem 252m hohen Mittelberg bei Nebra oberhalb der Unstrut im Jahre 1999 von Raubgräbern in einer Steinkammer entdeckt. Der Fundort wurde mittlerweile von Archäologen genauer untersucht. Man geht davon aus, dass diese Anhöhe bereits seit 5000 v. Chr von Menschen genutzt wurde. Später wurde die Anlage mit einem kreisförmigen Wall umgeben. Nicht zuletzt aufgrund des Fundes der Himmelsscheibe wird die Anlage als Sternwarte gedeutet.
Vom Mittelberg aus hatte man in der Bronzezeit eine gute Sicht zum ca. 80 km entfernt liegenden Brocken im Harz, da man davon ausgeht, dass der Mittelberg in der Bronzezeit unbewaldet war. Mit Hilfe der Himmelsscheibe konnte man von hier aus anhand des Sonnenuntergangs exakt bestimmte Tage im Jahr feststellen. Hält man die Scheibe in westlicher Richtung, also in die Richtung des Brockens, so kann man anhand des linken Randes des oberen Horizontbogens den Tag der Wintersonnenwende, also den 21. Dezember ablesen. Am 21. Juni, dem Tag der Sommersonnenwende, geht die Sonne genau hinter dem Brocken unter, was der rechte Rand des oberen Horizontbogens der Himmelsscheibe markiert. Am 1. Mai geht die Sonne vom Mittelberg aus gesehen hinter dem Kyffhäuser unter. (Siehe dazu auch die beigefügte Skizze)
Aufgrund dieser ersten Deutungen und Erkenntnisse geht man davon aus, dass diese Himmelsscheibe nicht eine einfache Darstellung des Himmels ist, sondern dass sie speziell für astronomische Zwecke, genauer kalendarische, hergestellt wurde. Der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, Harald Müller, bezeichnet sie sogar als die "weltweit älteste konkrete Abbildung des Sternenhimmels" (lt. National Geographic Deutschland, Januar 2004).
Die Forschung vermutet, dass die Himmelsscheibe um 1600 v. Chr. vergraben wurde, als einer der goldenen Horizontbögen verloren gegangen war und somit eine kultische und auch astronomisch sinnvolle Nutzung nicht mehr in Frage kam. Die Deutung, dass die Scheibe auch als Kultgegenstand von besonderem Wert zu interpretieren ist, wird dadurch bestärkt, dass sie zusammen mit zwei Zeremonienschwertern, einem Meißel, zwei Beilen und zwei Spiralarmreifen vergraben wurde.
Da man in etwa 20 km Entfernung von der Fundstelle in Nebra auch das älteste Sonnenobservatorium Europas bei Goseck im Landkreis Weißenfels aus der Zeit um etwa 5000 v. Chr entdeckt hat, liegt die Vermutung nahe, dass das Wissen auf der Scheibe sogar schon Generationen davor durch Beobachtungen bekannt war.
Nach der Meinung von Prof. Schoppe soll die Bronzescheibe aber lediglich ein Schildbuckel einer Rüstung gewesen sein: Dafür sprechen die Beifunde (zwei Schwerter und zwei Beile), die typische "Unterarm"-Größe und die etwa 40 Löcher am Rand, die der Befestigung mit Riemen gedient haben sollen.
Siehe auch: Sonnenobservatorium von Goseck
Bedeutung des Fundes für die Geschichtswissenschaft
Die Besonderheit der Himmelsscheibe von Nebra ist vor allem in zwei Punkten zu sehen:
Damit gewinnt die gesamte Region im Vergleich zu den angesehenen Hochkulturen dieser Epoche, etwa Ägypten, Mesopotamien, die Minoer auf Kreta oder die Mykener in Griechenland, an Gewicht. Es liegt die Vermutung nahe, dass es gar einen regen Fernhandel zwischen all diesen Hochkulturen gegeben hat, mit dem nicht nur Waren in die jeweils anderen Gegenden transportiert wurden, sondern auch Wissen und Kulte.
Entdeckung
Am 23. Februar 2002 wurde von der schweizerischen Polizei die nach ihrem Fundort Nebra benannte Himmelsscheibe während einer fingierten Verkaufsaktion in Basel sichergestellt.
Finder
Henry W. und Mario R. hatten schon am 4. Juli 1999 auf dem 252 m hohen Mittelberg im Ziegelrodaer Forst bei Nebra in einer Wallanlage mit einem Metalldetektor die Scheibe gefunden und später Hehlern für 32.000 DM verkauft. Sie wurden im September 2003 in Naumburg vor Gericht gestellt und erhielten eine viermonatige Bewährungsstrafe bzw. eine zehnmonatige Freiheitsstrafe. Strafmildernd wurden die Geständnisse vom Gericht gewertet.
Hehler
Die Hehler waren eine Frau und ein Mann, die auch im September 2003 in Naumburg verurteilt wurden. Sie erhielt eine Haftstrafe von einem Jahr auf Bewährung und muss 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Er wurde zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und 5.000 Euro Geldstrafe verurteilt.Forschungsprojekt bis 2010
In einem groß angelegten Forschungsprojekt wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft 3,3 Millionen Euro in die weitere Untersuchung der historischen Hintergründe in der Bronzezeit investieren. Ab September 2004 werden sechs Jahre lang 24 frühbronzezeitliche Bauten untersucht. Dazu gehören zwölf so genannte Kreisgrabenanlagen in Sachsen-Anhalt, unter anderem in Egeln, Belleben und Bad Dürrenberg. Zudem werden zwölf Höhensiedlungen untersucht, zentrale befestigte Orte, die vor 4.000 bis 3.500 Jahren auf Anhöhen errichtet wurden. Dazu gehört auch der Fundort der Himmelsscheibe auf dem 252 Meter hohen Mittelberg bei Nebra.Literaturhinweise
Weblinks
Pressemeldungen:
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