Hare-Niemeyer-Verfahren
Das Hare-Niemeyer-Verfahren, auch Quotenverfahren mit Restausgleich nach größten Bruchteilen genannt, wird zur Auszählung der Sitzverteilung bei Verhältniswahlen verwendet. Das nach dem britischen Juristen Thomas Hare und dem deutschen Mathematikprofessor Horst Niemeyer benannte Verfahren ist seit 1985 das vorgeschriebene Auszählungsverfahren bei der Wahl zum Deutschen Bundestag. Bei der Verteilung werden die gesamt zu vergebenen Sitze mit der Zahl der pro Partei abgegebenen Stimmen multipliziert und daraus der Quotient mit den insgesamt abgegebenen Stimmen gebildet. Der ganzzahlige Anteil gibt nun an, wieviele Sitze die Partei im ersten Durchgang erhält. Die noch verbleibenden Sitze werden in der Reihenfolge der höchsten Nachkommareste vergeben. Bei gleichen Nachkommaresten entscheidet das Los des Wahlleiters. Berücksichtigt werden dabei nur die Stimmen der Parteien, die an der Wahlauszählung teilnehmen.Partei | Stimmen | Quot. | Sitze | |
---|---|---|---|---|
A | 216 | 37,24 | 37 | |
B | 310 | 53,45 | 53 | |
C | 22 | 3,79 | 3 | +1 |
D | 32 | 5,52 | 5 | +1 |
Ein Beispiel: Zu vergeben sind 100 Sitze, die auf vier Parteien (A, B, C und D) zu verteilen sind. Insgesamt wurden 580 Stimmen abgegeben, die sich wie in der Tabelle angegeben verteilen. Dadurch ergibt sich folgende Sitzverteilung: Im ersten Durchgang erhält Partei A 37, Partei B 53, Partei C 3 und Partei D 5 Sitze. Aufgrund der Nachkommareste werden die übrigen zwei Sitze an C und D vergeben.
Das Hare-Niemeyer-Verfahren verhält sich, im Gegensatz zu dem bis 1985 verwendeten d'Hondtschen Höchstzahlverfahren (in der Schweiz Hagenbach-Bischoff-Verfahren), welches größere Parteien begünstigt, neutral auf die Größe der Parteien.
Beim Hare-Niemeyer-Verfahren können einige Paradoxien auftreten. Beim Alabama-Paradoxon kann eine Partei einen Sitz verlieren, wenn bei gleichem Wahlergebnis mehr Sitze verteilt werden. Diese Paradoxien können durch Anwendung des Verfahrens nach St. Lague-Schepers vermieden werden, das in der Vielzahl aller Fälle die gleichen Ergebnisse wie Hare-Niemeyer liefert, unlogische Sprünge (Alabama-Paradoxon) aber vermeidet. Weitere Paradoxien sind das Parteizuwachsparadoxon (engl.: New State Paradox) und das Wählerzuwachsparadoxon (engl.: Population Paradox).Paradoxien