Lebensweise
Die Graugans ist ein Zugvogel, der für gewöhnlich im Winter nach Süden zieht. In den letzten Jahrzehnten ist eine Tendenz zu beobachten, dass Graugänse immer weiter im Norden überwintern, besonders in den Niederlanden oder überhaupt in den nicht zu weit nördlich gelegenen Brutgebieten und dadurch zu Standvögelnn werden.
Begünstigt wird das durch eine intensivierte Landwirtschaft, die auch im Winter genügend Nahrung auf abgeernteten oder neu eingesäten Feldern bietet, den geringeren Jagddruck als in Südeuropa sowie eventuell den Klimawandel. Bis vor wenigen Jahrzehnten überwinterten noch fast alle Graugänse in den Marismas des Guadalquivirs und in Tunesien um den Ischkeul-See, sowie in Westalgerien. Wenn sie auf ihrem Zug sind, bilden sie eine charakteristische V-Formation.
Die Wanderungsrouten der Graugans sind nicht genetisch fixiert, sondern werden in den verschiedenen Teilpopulationen tradiert. Neben dem Zug in die Überwinterungsquartiere gibt es einen so genannten Mauserzug der nicht-brütenden Tiere zu bestimmten Mauserplplätzen.
Seit den sechziger Jahren hat sich das Oostvaardersplassen zum wichtigsten Mauserplatz Europas entwickelt. Abgesehen von Paarungs- und Brutzeit leben Graugänse in großen Schwärmen. Graugänse verpaaren sich bereits im Herbst des zweiten Kalenderjahres, aber brüten selten vor Erreichen des vierten Kalenderjahres.
Für gewöhnlich zeigen sie eine große Partnertreue, verpaaren sich jedoch bei Verlust des Partners neu. Die Brut beginnt je nach Standort Mitte März bis Ende April. Zum Brüten bauen sie Nester, in die sie gewöhnlich 4 bis 9 Eier legen, die eine weiße oder gelbliche Schale haben. Nach ca. 27 bis 29 Tagen schlüpfen die Jungen, deren Aufzucht etwa 50 bis 60 Tage dauert. Die Schwingenmauser der Elterntiere liegt so, dass sie etwas später als die Jungtiere wieder flugfähig werden, was das langsame Erlernen schwieriger Flugmanöver der Jungtiere, die ihren Eltern folgen, erleichtert.
Meist bleiben die Jungtiere bis zur nächsten Brut mit den Elterntieren zusammen und sind auch später oft bei diesen anzutreffen. Graugänse vermögen sich hauptsächlich am Ruf individuell zu erkennen. Auf großen Rastplätzen herrscht oft die ganze Nacht ein reges Rufen und Treiben, das dem Wiederfinden von Familienmitgliedern dient.
Ernährung
Graugänse leben von Pflanzen, sowohl Land- wie auch Wasserpflanzen, dabei hauptsächlich von kurzen Gräsernn und Kräutern, sowie Stauden, und Wurzeln, insbesondere auch Kartoffeln und Rüben. Für die Ernährung ist es wichtig, dass die Gebiete, in denen Graugänse Nahrung suchen, niedrig bewachsen sind, um so ihr Sicherheitsbedürfnis zu erfüllen, aber auch weil sie sich nur von kurzem Gras und Kräutern ernähren können. Dafür sind natürliche Weidesysteme mit großen Gräsern (Megaherbivoren) ideal.
Bestandsentwicklung
Von einem Tiefpunkt Anfang der 1970er Jahre, als die europäische Gesamtpopulation etwa 20.000 Tiere umfasste, hat sich der Bestand über etwa 170.000 Tiere Mitte der achtziger Jahre auf heute (2003) wohl über 250.000 Tiere erhöht.
Dabei kam es nicht nur zu einer dichteren Besiedelung traditioneller Brutgebiete, sondern auch zu einer deutlichen Ausweitung des Brutareals vor allem in Deutschland und in den Niederlanden.
Literatur
- Konrad Lorenz: Das Jahr der Graugans
- C. Linnaeus, Systema Naturae, 10. Ausgabe (1758), S. 123 - Erstbeschreibung der Art durch Carolus Linnaeus von 1758
- Erich Rutschke: Wildgänse, Lebensweise - Schutz - Nutzung, Berlin: Parey, 1997
- H. Kolbe, Die Entenvögel der Welt, 5. Aufl., Ulmer Eugen Verlag (1999) (nicht eingesehen) - ISBN 3800174421