Grafschaft Flandern
Die Grafschaft Flandern ist ein historisches Territorium auf dem Gebiet der heutigen Staaten Belgien und Frankreich.
Table of contents |
2 Entstehung der Grafschaft Flandern 3 10. bis 14. Jahrhundert 4 Burgundische und habsburgische Herrschaft 5 Neueste Geschichte |
Flandern war in ältester Zeit von belgischen
Stämmen, Morinern, Atrebaten und Menapiern, bewohnt und gehörte nach deren Unterwerfung durch Cäsar zu der römischen Provinz Belgica secunda. Nachdem das Land unter die Herrschaft der Franken gekommen war, bildete die Lys, ein Nebenfluss der Schelde, die Grenze zwischen Neustrien und Austrasien, und nach der Teilung von Verdun 843 kam der nördliche und südwestliche Teil Flanderns, obschon vorzugsweise niederländischsprachig, zu Frankreich, der südöstliche aber, obschon vorzugsweise französischsprachig, zum heiligen römischen Reich.
Die Benennung Flandern kommt seit dem 7. Jahrhundert vor und umfasste ursprünglich nur das Gebiet von Brügge und Sluis (municipium flandrense), dessen Grafen den Namen Flandern gegen Ende des 9. Jahrhundert auch über den nordfranzösischen Küstenstrich, den sie als Mark zur Beschützung gegen die Normannen erhielten, und später auch über einige angrenzende deutsche Besitzungen ausdehnten. Der erste jener Markgrafen ist Balduin I., Eisenarm, ein französischer Ritter, welcher die Tochter Kaiser Karls des Kahlen, Judith, entführte, aber dennoch 862 von demselben jene neugeschaffene Mark als Lehen erhielt und so den Grund zur Größe seines Hauses legte. Er starb 879.
Der Sohn Balduins I, Balduin II., der Kahle (879-918), befestigte Brügge, Ypern und St. Omer gegen die Normannen.
Dessen Sohn Arnulf I (918-966) nahm seinen Sohn Balduin III (der die ersten Webereien in Flandern einführte) und nach dessen Tod seinen Enkel Arnulf II (gestorben 989) zum Mitregenten an. Des letzteren Sohn Balduin IV., Schönbart (989-1036), riss 1006 Valenciennes, eine Stadt des heiligen römischen Reiches, an sich, wurde daher von Kaiser Heinrich II bekriegt, erhielt aber durch Vertrag 1007 Valenciennes, Stadt und Burggrafschaft Gent, Wucheren und die zeeländischen Inseln (das so genannte Reichsflandern) von Kaiser Heinrich II. zu Lehen. Sein Sohn Balduin V., der Fromme (1036-67), führte mehrere Kriege gegen Kaiser Heinrich III, welcher der Machterweiterung der Markgrafen Einhalt tun wollte, behauptete sich jedoch, besiegte die Friesen und vermehrte seine Besitzungen durch Erwerbung der zum Herzogtum Niederlothringen gehörigen Gebiete zwischen der Schelde und Dender (des Landes Aalst), Tournais, der Hoheit über das Bistum Cambrai, welchem die Grafschaft Flandern bis zur Gründung des neuen Bistums Arras in kirchlicher Hinsicht unterstellt war, und der Grafschaft Hennegau. Nach seinem Tod erhielt sein jüngerer Sohn, Robert I., der Friese, die Länder an der Mündung des Rheins und der Waal und die zeeländischen Inseln, während die Hauptländer, Flandern und Hennegau, an den Erstgeborenen, Balduin VI., den Guten (1067-70), fielen. Nach dem frühen Tode des letzteren kam es zu längeren Kämpfen um die Erbfolge zwischen Balduins Witwe Richildis und Robert dem Friesen, welche damit endigten, dass Robert Flandern, dagegen der Sohn Balduins VI., Balduin (I.), Hennegau erhielt, während ein Teil von Friesland an Gottfried von Lothringen kam. Roberts I. Sohn und Nachfolger Robert II (1093-1111) machte den ersten Kreuzug mit und führte zahlreiche Kämpfe mit seinen Nachbarn und mit dem Kaiser. Sein Sohn Balduin VII., mit dem Beil (oder der Strenge), so genannt wegen der Strenge, mit welcher er die Landfriedensbrecher bestrafte, starb 1119 kinderlos und hinterließ das Land seinem Vetter, dem dänischen Prinzen Karl I, dem Guten, dessen Mutter eine Tochter Roberts I. war, der jedoch wegen seiner Strenge in Handhabung der Gesetze schon 1127 zu Brügge ermordet wurde.
Der von den Ständen auf Betrieb Ludwigs VI. von Frankreich zum Grafen berufene Sohn Roberts von der Normandie, Wilhelm Clinton (Clito), machte sich durch
Willkür verhasst und verlor im Kampf gegen den von den Ständen berufenen Landgrafen Dietrich von Elsass, einen Seitenspross des alten flandrischen Hauses, Sohn Gertruds, der Tochter Roberts des Friesen, 1129 das Leben, worauf Dietrich Elsass seinem jüngeren Bruder, Simeon, überließ, von Flandern Besitz nahm und einen Krieg mit Hennegau führte. Er starb 1168. Sein Mannesstamm erlosch schon mit seinem Sohn Philipp, welcher Vermandois gewann,
dagegen das später so genannte Artois 1180 als Mitgift seiner Nichte Isabelle von Hennegau an den König Philipp August von Frankreich überließ; Philipp, der sich um die materielle Wohlfahrt von Flandern in Bezug auf Handel und Industrie unleugbare Verdienste erworben hatte, starb 1191 vor St.-Jean d'Acre an der Pest. Nun wurden durch die Vermählung seiner Schwester und Erbin Margarete mit Balduin VIII (gestorben 1194) von der hennegauischen Linie der alten flandrischen Grafen Flandern und Hennegau wieder vereinigt.
Ihr Sohn Balduin IX, der Stifter des Lateinischen Kaiserreichs zu Konstantinopel, hinterließ 1205
zwei Erbtöchter, von denen die älteste, Johanna, Flandern, die jüngere, Margarete (genannt die Schwarze), Hennegau erhielt. Fast das ganze Jahrhundert hindurch dauerten Erb- und Thronstreitigkeiten, in welche sich bereits die Könige von Frankreich in eigennütziger Absicht einmischten. Nach Margaretes Tod 1279 erhielt von ihren Söhnen Johann Hennegau, Guido von Dampierre Flandern. Letzterer verband sich 1291 mit dem Kaiser Adolf von Nassau und mit England gegen Philipp IV., den Schönen, von Frankreich; doch vermittelte Papst Bonifazius VIII 1295 den Frieden.
König Philipp IV. von Frankreich fiel jedoch 1297 abermals in Flandern ein, eroberte den größten Teil des Landes, das er als französisches Lehen in Anspruch nahm, und nahm Guido und dessen Sohn Robert gefangen. Als jedoch Philipp IV. durch seinen Statthalter Jakob von Châtillon die Freiheiten der Flandrer unterdrückte, erhoben sich diese unter dem Vorsteher der Wollweber von Brügge, Pieter de Koninck (Pierre le Roi), vernichteten die französisch gesinnte Partei der Leliaerts und besiegten das überlegene französische Heer in der "Sporenschlacht" bei Kortrijk (Courtrai) am 11. Juli 1302. Sie wurden dann zwar
am 18. August l304 bei Mons-en-Puelle zwischen Lille und Douai geschlagen, erlangten aber gleichwohl einen Frieden, wonach Guido gegen Abtretung einiger Städte nach Flandern zurückkehren sollte. Da derselbe aber schon 1305 starb, folgte ihm sein Sohn Robert.
Dessen Enkel und Nachfolger Ludwig II (1322-46), zugleich Herr von Nevers und Rethel und somit der mächtigste unter allen Grafen von Flandern, gab 1336 durch seine Härte gegen die nach größerer Freiheit strebenden reichen und industriellen Städte Veranlassung zu dem allgemeinen Bürgeraufstand, welchen der kühne Genter Brauer Jakob van Artevelde mit englischer Unterstützung leitete. Zugleich wurde der Parteihass dadurch gesteigert, dass der Graf und der Adel an Frankreich, die Städte an England sich anschließen wollten. Aus seinem Land vertrieben, suchte Ludwig Hilfe bei Frankreich, konnte aber erst nach Arteveldes Tod (1345) zurückkehren und fiel 1346 in der Schlacht bei Crécy. Unter seinem leichtsinnigen Sohn Ludwig III, genannt von Maele, empörten sich die Städte, namentlich Gent und Brügge, die reichsten und mächtigsten derselben, von neuem. Ludwig belagerte Gent vergebens, schlug aber 1382 die Genter bei Roosebeke, wo auch deren Führer Phiipp van Artevelde, der Sohn Jakobs, fiel. Vermittelst englischer Hilfe trugen jedoch die Städter bei Dünkirchen einen Sieg über Ludwig davon, und 1384 kam durch Frankreichs Vermittlung ein Friede zu stande.
Ludwig starb 1384 als der letzte Graf von Flandern
aus dem Haus Dampierre. Durch die Vermählung seiner Erbtochter Margarete mit Philipp dem Kühnen aus dem Haus Burgund wurde das Land 1385 mit Burgund vereinigt und teilte seitdem die Schicksale dieses Reichs (siehe Burgundische Niederlande). Als nach dem Tod Karls des Kühnen von Burgund dessen Länder durch seine Erbtochter Maria von Burgund 1477 an das habsburgische
Haus fielen, suchte die französische Krone umsonst ihre alte Lehnshoheit über Flandern geltend zu machen; im Frieden von Madrid 1526 musste Frankreich auf seine Oberlehnshoheit über Flandern verzichten. Bei der Kreiseinteilung des deutschen Reichs ward Flandern zum burgundischen Kreis geschlagen.
Nachdem dieser jedoch an König Philipp II und damit an die spanische Linie des Hauses Habsburg gekommen war, erlitt er bedeutende Schmälerungen; die Generalstaaten erzielten im westfälischen Frieden 1648 das so genannte Holländisch-Flandern (Staatsflandern), und Ludwig XIV brachte durch den Pyrenäischen, Aachener, Nimwegener und Utrechter Frieden beträchtliche Teile von Flandern an sich (Dünkirchen, Lille, Douai, Valenciennes, Cambrai u. a.). Durch den Utrechter und den Rastatter Friedensschluss fielen die Reste der spanischen Niederlande wieder an das Haus Österreich (Österreichische Niederlande)
Seit 1794 wurede ganz Flandern gleich den übrigen österreichischen Niederlande der französischen Republik und später dem Kaiserreich einverleibt und bildete die Départements Lys (die jetzige Provinz Westflandern) und Escault
(die Provinz Ostflandern). Der Wiener Kongress teilte die beiden Provinzen dem neugebildeten Königreich der Niederlande zu. Durch die belgische Revolution von 1830 kamen Ost- und Westflandern an das neukonstituierte Königreich Belgien.
Im ersten Weltkrieg verlief die deutsch-französisch/britische Front quer durch Flandern. Durch den Stellungskrieg wurden viele Dörfer und Städte in dieser Region des eigentlich neutralen Belgien zerstört.
Heute gehören die beiden Provinzen zur belgischen Region Flandern, die französisch gewordenen Teile zur Region Nord-Pas de Calais.
Altertum und Frühmittelalter
Entstehung der Grafschaft Flandern
10. bis 14. Jahrhundert
Burgundische und habsburgische Herrschaft
Neueste Geschichte
Dieser Artikel basiert auf dem entsprechenden Eintrag in Meyers Konversationslexikon, 4. Auflage von 1888-90