Graffiti
aus Mainz, in Münster]]
Graffiti bezeichnet ursprünglich einen an eine Wand geschriebenen Text (z.B. in Pompeji). Heute werden damit umgangssprachlich vor allem die von Jugendlichen mittels Sprühdosen illegal oder legal hergestellten Bilder (pieces) bezeichnet. Als Oberbegriff beschreibt es neben den so genannten Tags und Pieces auch die Schablonengraffiti und politischen Graffiti und ist ein Teil der Straßenkunst (Street-Art).
Table of contents |
2 Graffiti heute 3 Terminologie 4 Motivation 5 Rezeption 6 Literatur 7 Siehe auch 8 Weblinks |
Herkunft des Wortes
Graffiti ist der Plural des italienischen Worts graffito, das seinerseits aus einem vulgärlateinischen Verb für „mit dem Griffel kratzen“ entstanden ist (graphium „Griffel“, griechisch γραφειν „schreiben“). Der Singular ist im Deutschen unüblich, so dass häufig auch von einem Graffiti (und nicht von einem Graffito) gesprochen wird. Wie die Geschichte der Bezeichnung zeigt, reicht die Graffiti-Tradition weit zurück.
Graffiti heute
. Es handelt sich hierbei jedoch um Ganzreklame für Chewan-Jeans]]
Eine moderne Graffiti-Tradition entstand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Damals waren die Pieces geheime Nachrichten/Mitteilungen von Gang- und Cliquenmitglieder. Die Schriftzüge wurden so verziert, verzogen und verändert, dass jeweils nur die Gangmitglieder wussten, was es hieß. Unterschrieben wurden die Pieces auch, aber da es illegal war, unterschrieb jeder nur mit seinem Spitznamen, den er zusätzlich noch unlesbarer machte. Später markierten (vor allem in den Ghettos) Gangs ihre Gebiete mit Pieces oder Tags – weniger aufwendigen Schriftzügen. Wenn eine Gang das Graffiti einer anderen übersprayte, hiess das „Krieg“ – und die Kriege zwischen Gangs verliefen nicht oft gewaltlos. Als Alternative zu der physischen Gewalt wurden dann auf Battles gekämpft. Dort trafen (und treffen sich auch heute) MCss (Master of Ceremony, Rapper), DJs, Breaker oder eben Writer (writen von englisch schreiben, ein Writer writet pieces). Obwohl die Graffitis von der erwachsenen Bevölkerung oft als Verunstaltung oder Sachbeschädigung von öffentlichem Eigentum angesehen werden, sollte man doch eine einfache Unterschrift (Tags) von den aufwendigen, kunstvollen Kunstwerken (Pieces) unterscheiden.
In der Hip Hop-Kultur bildet Graffiti eines der vier wesentlichen Elemente; der Graffiti schaffende Künstler wird allgemein als Writer bezeichnet. Oft werden mit den gesprühten Bildern auch Gebiete (Turfs, englisch für Revier) markiert. Es kann zwischen diversen Pieces unterschieden werden. Throw up oder Quickpiece, TtoB (Top to Bottom, englisch für „von oben bis unten“), und EtoE (End to End, englisch für „vom einen Ende bis zum anderen“, bezieht sich vor allem auf Eisenbahn-, U-Bahn- und Straßenbahnwagen), Blockbuster, Silverpieces etc. Weiter gilt eine Unterscheidung in Letters (Buchstaben, Schrift) und Characters (Bilder, meist im Stil von Comics-Figuren). Bildträger sind u.a. Außenwände von Häusern und anderen Gebäuden, Betonmauern von außerstädtischen Großbauwerken wie Autobahn- oder Kanalbrücken, aber auch nur zeitweilig ruhende Objekte mit großen Flächen wie Straßenbahnen und Eisenbahnwaggons.
Als professionelle Künstler konnten sich nur wenige Writer durchsetzen, wie beispielsweise der New Yorker Keith Haring oder Thomas Baumgärtel, die beide allerdings nicht der Hip-Hop-Kultur entstammen. Bekannte deutsche Writer sind Loomit, WON und DAIM, dessen Spezialität dreidimensionale Letters sind. Ihre Buchstaben haben auch keine Outlines um sich vom Hintergrund abzuheben.
Der Zusammenhang von Hip Hop und Graffiti ist nicht lückenlos. Graffiti gibt es länger als Hip Hop, und in den frühen 1980er Jahren waren Writer oft eher Punks, und auch heute sind es nicht die „modischen Discogänger“-Hip-Hopper, die selber Writer sind. Auch mit Hausbesetzern gibt es immer wieder Überschneidungen, was man dann an den farbenfrohen Fassaden sehen kann.
Terminologie
(2003), anlässlich der Veranstaltung Meeting Of Styles]]
Das Sprayen hat ein vielfältiges Sprach- und Technikrepertoire entwickelt:
; 3D-Style : Beim 3D-Style/-Stil wird die Outline weggelassen und die Konturen der Buchstaben werden allein durch Licht- und Schattensetzung definiert. Besonders durch die Entwicklungen von DAIM, Delta (Niederlande) und Erni (USA) ist mitlerweile der 3D-Style weltweit in der Graffiti-Szene akzeptiert.
; Background : Der Hintergrund des Pieces wird als Background bezeichnet. Ursprünglich bestand dieser meist aus Bubbles oder einfarbigen Flächen, heute werden oft auch ganze Bildkompositionene, Landschaften oder grafisch aufwändige Farbverläufe gesprüht.
; Blackbook : Ein Buch, das zum Skizzieren von Graffiti dient und in das häufig auch Fotos eingeklebt werden, nennt man Blackbook. Weitere Formen sind das Sketchbook, das nur Skizzen enthält und das Travel- oder Guestbook in das Bekannte des Sprühers zeichnen. Es findet keine klare Abgrenzung zwischen diesen Formen statt, so dass sich beispielsweise in einem Blackbook auch Bilder von anderen Sprühern befinden können.
; Blockbuster : Blockbuster sind grosse, eckige Styles, die häufig an Western-Typografie erinnern und auch für Außenstehende gut lesbar sind.
; Bombing : Bombing ist in der Sprayerszene ein Begriff für ein meist ohne großen Aufwand gemaltes Bild: hauptsächlich einfarbig ausgemalt mit Outlines. Die Zeit für ein Bombing ist auf wenige Minuten beschränkt, da dies eine illegale Handlung ist. Eine andere Bezeichnung für das Bombing ist Quickpiece.
; Bubbles : Bubbles sind runde blasen- oder kreisförmige Farbflächen, häufig im Background zu finden.
; Bubblestyle : Als Bubblestyle werden Pieces bezeichnet, die aus runden Elementen bestehen und aussehen, als seien sie aufgeblasen.
; Cans : Mit cans (englisch für Kannen) sind die Spraydosen gemeint, mit denen die Writer ihre Pieces malen.
; Caps : Caps sind die Sprühköpfe, die den Lack bei Entweichen aufgrund des Drucks in der Dose zerstreuen lassen. Es gibt mehrere unterschiedliche Arten von Caps: fatcpas, skinnycaps, NY-caps usw. Den Unterschied macht beispielweise die Dicke eines Striches aus. Bei Bombings wird meist ein Fatcap zum Ausmalen des Bildes benutzt, weil diese einen sehr dicken Strich haben.
; Character : Als Character werden figürliche Darstellungen bezeichnet, die oft auch Comics entommen sind, oder an diese angelehnt sind. Ein für seine Character berühmter Writer in Deuschland ist Can 2 aus Mainz.
; End to end (E2E) : Erstreckt sich auf die ganze Länge eines Zugwaggons, aber unterhalb der Fenster.
; Hall of fame : Halls of fame (englisch für Ruhmeshallen) sind Flächen, die meist legal zu besprühen sind und auf denen die Writer vor allen Dingen qualitativ hochwertige Pieces anbringen. Der eigentliche Unterschied zu anderen Flächen im öffentlichen Raum ist, dass zu den Hall Of Fames Writer kommen, um die Werke zu betrachten und nicht die Werke zu den Writern kommen (wie beispielsweise besprühte Züge an den Bahnhöfen), häufig liegen sie sogar im Verborgenen. Bekannte Hall Of Fames in Deutschland sind bzw. waren zum Beispiel Bunker (Dortmund), Mauerpark (Berlin) und Live Music Hall (Köln). Hall Of Fames haben oft eine lange Tradition und dienen als Battleort und Treffpunkt für Writer. Ist eine Hall Of Fame gut besucht und unter vielen Writern bekannt, wird sie oft auch von Künstlern aus aller Welt besucht.
; Highlights : Highlights ist die Bezeichnung für Lichtreflexe, die meist in Form von weißen Linien im Innenbereich der Buchstaben verwendet werden um das Bild plastischer erscheinen zu lassen.
; Line : Der Begriff line ist in der Graffiti-Szene eine Bezeichnung für Bahntrassen (Zuglinien).
; Lay-Up : Kleine Zugabstellanlagen werden von Writern als Lay-Ups bezeichnet, währden die offizielle Bezeichnung der Bahn dafür Kehranlage lautet. Oft sind dies Endhaltepunkte oder Knotenpunkte, an denen einzelne Züge zu Reinigungszwecken abgestellt werden und nach kurzer Zeit wieder herausgefahren werden.
; Outlines : Outlines ist die Bezeichnung für die unmittelbare Umrandung ein Graffiti-Schriftzuges. Diese unterteilt die einzelnen Buchstaben in ihrer Form. Desweiteren gibt es die Second Outline (auch Frameline genannt), die den gesamten Schriftzug umrahmt.
; Piece : Bezeichnung für ein aufwändiges, meist mehrfarbiges und großflächiges Graffiti. Es handelt sich dabei um die abgekürzte, ursprüngliche Bezeichnung für Masterpiece.
; Quickpiece : siehe Bombing
; Rooftop : Rooftops (englisch für Hausdach) sind Pieces auf Dachvorsprüngen.
; Spot : Spots (englisch für Platz) sind explizit ausgewählte Orte, die zum Malen eines Bildes geeignet sind/wären.
; Stencils : Als Stencil bezeichnet man Sprühschablonen.
; Tag : Ein Signaturkürzel. Wird unter anderem in der amerikanischen Gang-Kultur als territoriale Markierung benutzt.
; Throw-Ups : Trow-Ups sind die Vorläufer von Bubblestyles und bestehen aus runden, wie aufgeblasen wirkenden Buchstaben, die meist ein- oder zweifarbig gestaltet und mit wenig Zeitaufwand erstellt werden.
; Top to Bottom (T2B) : Erstreckt sich auf die ganze Höhe eines Zugwaggons.
; Toy : Bezeichnung für einen unerfahrenen (schlechten) Graffiti-Künstler.
; Whole cars : Sind komplett bemalte Zugwaggons.
; Wildstyle : Als Wildstyles werden Bilder bezeichnet, die sehr kompliziert aufgebaut werden und deren Elemente wild verschlungen sind. Oft sind diese Bilder auch von erfahrenen Sprühern nicht lesbar. Als einer der Erfinder dieses Stils gilt Phase 2 aus New York.
; Yard : Ein Yard ist der Ort an dem Züge oder U-Bahnen über Nacht zur Reinigung und Wartung abgestellt werden.
In der Öffentlichkeit wird häufig die Annahme verbreitet, die Sprüher fänden ihre Motivation im "Reiz des Illegalen".
Welche Motivation wirklich ausschlaggebend ist, hat die Universität Potsdam untersucht.
Dabei kam es zu folgenden Ergebnissen:
Nicht desto trotz wird Graffiti als Stil oft von der Werbebranche eingesetzt, um Jugendliche anzusprechen – legal, und von Erwachsenen. Unter den Jugendlichen genießen Graffiti jedenfalls quer durch alle Jugendkulturen breite Zustimmung. Graffiti gilt als illegale „Untergrundaktion“ und damit unter Jugendlichen natürlich auch als Mutprobe.
Inzwischen werden gefasste Täter mehr und mehr selbst für die Beseitigung ihrer Schäden zur Verantwortung gezogen und zur Mitarbeit beim Entfernen der Farbe verpflichtet. Es wird behauptet, viele Täter kämen dadurch zur Einsicht und unterließen weitere Sachbeschädigungen dieser Art. Des weiteren kommt es immer wieder zu Verurteilungen zu hohen Geldstrafen.
Um jugendliche Sprayer aus der Illegalität herauszuholen, wird Graffiti häufig auch als Jugendprojekt angeboten. Hier hat sich in den 1980er und 90er Jahren besonders Barbara Uduwerella und ihr Verein Hip Hop Hamburg e.V hervorgetan. Ziel des Vereins ist es Graffiti zu entkriminalisieren und außergerichtliche Einigungen zu finden
Die Graffitiforschung beschäftigt sich mit dem sozialen und kunstgeschichtlichen Aspekt von Wandmalereien.
Dieser Forschungszweig sieht sich in der Tradition der Altertumsforscher, die vor ca. 300 Jahren begannen, antike Wandinschriften zu suchen, auszuwerten und zu publizieren. Der Begriff Graffitiforschung wurde erst ca. 1980 geprägt. Er setzte sich 1995 weltweit durch.
Die Graffitiforscher gehen von der Annahme aus, dass Graffiti eine Menetekel-Funktion erfüllen und als politisches Thermometer angesehen werden können, sofern transpersonale Zusammenhänge eine Rolle spielen. Dies ist besonders in politisch unsicheren Zeiten von Bedeutung.
Motivation
Zudem hat man festgestellt, dass Sprüher ein FLOW-Erleben beim Sprühen haben.
FLOW: Zustand des refflektionsfreien Aufgehens in einer Tätigkeit, die man trotz hoher Beanspruchung noch unter Kontrolle hat.
Diesen Zustand hat man sonst nur bei Extremsportlern wie z.B. Felskletterern festgestellt und er tritt überraschender Weise gleichermassen bei legal (Ruhm und Leistung) wie illegal (Grenzerfahrung) arbeitenden Writern auf. Gleichzeitig wurde aber bei Illegalen ein sehr hohes Mass an Besorgnis festgestellt, was dann wohl letztenendes auch zum "Umsteigen" auf legales Malen führt.Rezeption
Reaktionen der Öffentlichkeit
Hinterhof]]
Graffiti werden sehr kontrovers eingeschätzt: Die Mehrheit der erwachsenen Bevölkerung empfindet insbesondere die kurzen Tags (Signaturkürzel) als Verunstaltung. Strafrechtlich wird das unbefugte Bemalen von Wänden, Fensterscheiben, Zügen mit Sprühdosen als Sachbeschädigung eingestuft. Zivilrechtlich verpflichtet es die Schädiger zum Schadensersatz. Unerlaubte Graffiti an Gebäuden und öffentlichen Verkehrsmitteln verursachen nach Angaben des Zentralverbandes der Deutschen Haus- und Grundeigentümer pro Jahr Schäden von bis zu 250 Millionen Euro.Graffitiforschung
Literatur
Siehe auch
Weblinks