Gordion
Gordion war die Hauptstadt des Phrygerreichs und wurde 1895 von den Gebrüdern Gustav und Alfred Koerte wiederentdeckt. 1900 führten diese erste Grabungen am Siedlunghügel durch und erforschten einige Tumulus-Gräber in der Umgebung. Seit 1950 wird der Fundplatz systematisch und fast ohne Unterbrechung unter der Leitung von Archäologen der Universität Pennsylvania ausgegraben.Gordion liegt ca. 80 km westlich des heutigen Ankara am Fluss Sangarios (heute Sakarya), in der Nähe der Stelle, an der der Porsuk in diesen mündet. Unmittelbar an Gordion vorbei führt die alte Königsstraße, die spätestens in persischer Zeit, vermutlich aber schon früher gebaut wurde. Die Oberstadt ist auf einem 40-70 Meter hohem Hügel errichtet. Spuren der Unterstadt wurde bei einem Survey Mitte der 90er Jahre entdeckt.
Der Hügel wurde bereits in der Kupferzeit besiedelt, wie einige Tiefengrabungen ergeben haben. Darauf folgen Schichten der Frühen und Mittleren Bronzezeit. In der Späten Bronzezeit gehörte Gordion zum Reich der Hethiter. Auch diese Periode der Besiedlungsgeschichte des Hügels ist erst sporadisch erforscht. Zu Beginn des 12. Jh. v. Chr. wurde Gordion durch die hethitisch geprägten Bewohner verlassen. Einem kurzen - wohl nur wenige Jahrzehnte dauernden - Hiatus folgte dann eine Wiederbesiedlung durch neue Bevölkerung, deren Keramik teilweise Parallelen zur Keramik der gleichzeitigen Schicht VIIIb1 von Troja aufweist. Es sind aber auch andere, eventuell alt-anatolische Elemente bei den neuen Bewohnern anzutreffen. In geringem Umfang könnte auch - die Befunde sind z.Z. widersprüchlich - in der frühen Phase hethitische Traditionen fortgeführt worden sein. Mehrere Schichten dieser früh-eisenzeitlichen Besiedlung sind unterschieden worden. Diese Phase geht dann ohne kulturellen Bruch in die älterphrygische Besiedlungsphase über. Nur diese und die Nachfolgenden Phasen sind bisher gründlich untersucht.
In der älterphrygischen Phase, die kurz nach 700 v. Chr. endet, wurden viele prächtige Gebäude in Megaron-Form gebaut. Vor dem Hauptraum befand sich ein halb abgetrennter Vorraum. Ein "Palast" konnte nicht identifiziert werden, denn keines dieser Gebäude hebt sich von seinen Ausmaßen eindeutig von den übrigen ab. Vermutlich gehörten aber alle Bauten des Siedlungshügel zum Herrscher- bzw. Verwaltungsbezirk. Innen waren die Häuser teils sehr reich dekoriert, einige haben nachweislich ein Obergeschoss besessen. Durch die älterphrygische Oberstadt verliefen Mauern, deren Funktion noch nicht geklärt ist. Umgeben war die Oberstadt von einer mächtigen Mauer, deren Nordtor gut erforsch ist. Es handelt sich um eine Bastion, die ihre stärksten Parallelen in den Befestigungen von Troja VI hat. Das ist bemerkenswert, denn zwischen beiden Stadtmauern liegt ein halbes Jahrtausend. Auch wenn das Nordtor Gordions 4 Bauphasen hat und man die früheste für das 9. oder gar 10. Jh. v. Chr. annimmt, fehlen zeitliche und räumliche Bindeglieder zwischen der Befestigung von Troja VI und Gordion. Die phrygischen Bauten wurden zumeist in einer Art Fachwerkbau konstruiert: Holzbalken stützten Steinmauern und Lehmziegelaufsätze. Ein großes Projekt zur Neugestaltung der Oberstadt war mitten im Gange, als das älterphrygische Gordion völlig zerstört wurde. Aus assyrischen und griechischen Quellen wissen wir, daß die Kimmerier 697 oder 676 v. Chr. für die Zerstörung Gordions verantwortlich waren. Mit der Eroberung Gordions brach auch das Phrygerreich zusammen.
Nach der Zerstörung wurde Gordions Oberstadt bald neu gebaut. Dabei wurden die zestörten Gebäude der älterphrygischen Phase künstlich mit einer bis zu 10 Meter (!) dicken Schuttschicht bedeckt, auf der dann das neue "mittelphrygische" Gordion errichtet wurde. Dessen Gebäude ähneln denen der älterphrygischen Phase stark, teiweise weisen sie sogar die gleiche Ausrichtung auf. Der Übergang von der mittelphrygischen (ca. 700-550 v. Chr.) zur spätphrygischen Phase ca. 550-330) verlief ohne Bruch. Gordion kam zu Beginn der spätphrygischen Phase unter persische Herrschaft. Auf dem Siedlungshüge soll eine persische Garnision stationiert gewesen sein.
Da sich die Ausgrabungen lange Zeit auf die Erforschung der Siedlungsspuren um 700 v. Chr. konzentriert haben, ist das Gordion der persischen und hellenistischen Zeit wenig erforscht. In den letzten Jahren sind aber eine reihe keltische Artefakte ans Licht gekommen, die belegen, dass Gordion in hellenistischer Zeit von Galatern besiedelt worden war. In römischer Zeit verlor Gordion immer mehr an Bedeutung und wurde schließlich verlassen und vergessen, bis es Ende des 19. Jh. wiederentdeckt wurde.
Gordion besaß eine ausgedehnte Unterstadt, die sich sowohl östlich des Siedlungshügels als auch westlich, am anderen Ufer des Sangarios erstreckte. Sie ist bisher noch nicht erforscht.
In der Umgebung von Gordion gibt es über 100 Tumuli, Grabhügel mit Körperbestattung. Teils haben sie große Ausmaße und sehr reiche Grabbeigaben. Im größten dieser Tumuli, der auch mit Abstand die meisten Beigaben hatte, fanden Ärchäologen das Skelett eines etwa 60-70 Jahrigen Mannes. Da für Holzreste durch dendrochronologische Untersuchungen ein Fälldatum von ca. 718 v. chr. ermittelt wurde, könnte es sich um das Grab des berühmten König Midas handeln. Dieser ist sowohl aus assyrischen als auch griechischen Quellen gut bekannt. Er soll bei der Eroberung Gordions Selbstmord begangen haben. Neuste Untersuchungen legen aber ein etwas älteres Datum des Grabes nah, so dass fraglich ist, ob es sich tatsächlich um das Grab Midas handelt. Vermutlich ist es eher das Grab seines Vorgängers, der nach Griechischer Überlieferung Gordias hieß.
Englischsprachige Seite des Gordion Ausgrabungs-Projekts: Gordion Excavation ProjectWeblinks