Goldener Schnitt
Der Goldene Schnitt (lat sectio aurea) ist ein bestimmtes Verhältnis zweier Zahlen, meist Längen von Strecken, das in der Kunst und Architektur oft als ideale Proportion und als Inbegriff von Ästhetik und Harmonie angesehen wird. Darüber hinaus tritt es auch in der Natur in Erscheinung und zeichnet sich durch eine Reihe interessanter mathematischer Eigenschaften aus. Weitere verwendete Bezeichnung sind harmonische Teilung, stetige Teilung und göttliche Teilung (lat proportio divina).
Ein möglicher Grund für die Beliebtheit des Goldenen Schnittes ist in seinem hohen Grad an Irrationalität zu sehen. Das bedeutet, dass er sich von allen Verhältnissen kleiner ganzer Zahlen, wie beispielsweise 2:3 oder 3:4, deutlich abhebt, was in bestimmten ästhetischen Zusammenhängen erwünscht sein kann. Sicher wurde und wird er oft auch unbewusst und ohne exakte Maßkontrolle intuitiv gewählt, um rationale Längenverhältnisse zu meiden.
Die folgende Abbildung vergleicht verschiedene Rechtecke mit prominenten Seitenverhältnissen in der Umgebung von φ. Angegeben ist jeweils das Verhältnis von Höhe zu Breite und der entsprechende Zahlenfaktor:
Typische Einsatzgebiete (von links nach rechts):
In der Geometrie spielten in der Vergangenheit Konstruktionsverfahren eine wichtige Rolle, die nur mit Zirkel und Lineal auskommen. Für die Teilung einer Strecke im Verhältnis des Goldenen Schnittes gibt es eine Fülle derartiger Verfahren. Hier seien exemplarisch einige erwähnt.
Definitionen und Grundeigenschaften
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1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, ...,Geometrisches
Vergleich mit anderen Teilungsverhältnissen
Konstruktionen mit Zirkel und Lineal
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Das Pentagramm, eins der ältesten magischen Symbole der Kulturgeschichte, steht in einer besonders engen Beziehung zum Goldenen Schnitt. Es erscheint in einer Fülle von unterschiedlichen Interpretationen. Bereits vor 4000 v. Chr. tauchte es in der Euphrat-Tigris-Region auf. Bei den Pythagoräern stand es für die Suche nach der universalen Wahrheit. Die Stadt Jerusalem führte es etwa 300 bis 150 v. Chr. als offizielles Siegel. In Goethess Faust steht es für das Symbol gegen den Teufel. Auf der Spitze stehend ist es als Drudenfuß bekannt, der vor Hexen und bösen Geistern schützen soll. Auf militärischen Gerätschaften der früheren UdSSR, sowie der USA und China ist es als gefüllter Stern zu sehen und auch auf den Flaggen vieler Staaten. Ferner ist es in der Esoterik ein oft verwendetes Symbol.
Zu jeder Strecke und Teilstrecke im Pentagramm findet sich ein Partner, der mit ihr im Verhältnis des Goldenen Schnitts steht. In der Abbildung sind alle drei möglichen Streckenpaare jeweils blau (längere Strecke) und orange (kürzere Strecke) markiert. Sie lassen sich über das oben beschriebene Verfahren der stetigen Teilung nacheinander erzeugen. Im Prinzip ist es in das verkleinerte Pentagramm fortsetzbar, das man in das innere Fünfeck zeichnen könnte, und damit auch in alle weiteren. Stünden die beiden Strecken in einem Verhältnis ganzer Zahlen, müsste dieses Verfahren der fortgesetzten Subtraktion irgendwann Null ergeben und damit abbrechen. Die Betrachtung des Pentagramms zeigt aber anschaulich, dass das nicht der Fall ist.
Für den Beweis, dass es sich um den Goldenen Schnitt handelt, beachte man, dass neben den vielen Strecken, die aus offensichtlichen Symmetriegründen gleich lang sind, auch CD=CC' gilt. Ursache ist, dass das Dreieck C'CD zwei gleiche Winkel besitzt, wie man durch Parallelverschiebung der Strecke CC' erkennen kann, und daher gleichschenklig ist. Nach dem Strahlensatz gilt:
Ein Goldenes Rechteck lässt sich in ein Quadrat und ein weiteres Goldenes Rechteck teilen. Durch wiederholte Teilung erhält man eine Figur, in die sich eine logarithmische Spirale einzeichnen lässt, die Goldene Spirale. Sie wird oft, wie in nebenstehender Abbildung, durch eine Folge von Viertelkreisen approximiert. Ihr Radius verändert sich bei jeder 90°-Drehung um den Faktor φ. Die schneckenförmigen Kalkgehäuse einiger Tierarten haben eine ähnliche Steigung, wie beispielsweise das des Nautilus. Bei vielen Tierarten ist die Steigung jedoch eher geringer.
Hippasos von Metapont (um 450 v. Chr.), der dem Geheimbund der Pythagoräer angehörte, entdeckte bei seinen Untersuchungen am Fünfeck, dass das Verhältnis von Kantenlänge zu Diagonale nicht durch ganze Zahlen darstellbar war. Dieses Ergebnis stand im Widerspruch zu der Überzeugung der Pythagoräer, dass die Welt sich vollständig durch ganze Zahlen beschreiben lassen müsse. Ironischerweise fand sich nun die Widerlegung dieser Ansicht ausgerechnet im Pentagramm, dem Symbol der Pythagoräer. Hippasos entdeckte damit das Phänomen der irrationalen Zahlen anhand der Inkommensurabilität von Strecken, sowie zwei Größen, die im Verhältnis des Goldenen Schnittes stehen. Unbestätigten Berichten zufolge verbreitete er seine Entdeckung entgegen den Regeln seines Geheimbundes in der Öffentlichkeit und wurde daher zur Strafe ertränkt.
Die erste genaue Beschreibung des Goldenen Schnittes stammt von Euklid (325 - 270 v. Chr.), der darauf über seine Untersuchungen an den platonischen Körpern und dem Fünfeck beziehungsweise dem Pentagramm stieß. Er bezeichnete dieses Verhältnis als "proportio habens medium et duo extrema", was heute mit "Teilung im inneren und äußeren Verhältnis" übersetzt wird.
Später beschäftigte sich der Franziskanermönch Luca Pacioli di Borgo San Sepolcro (1445 - 1514), der an der Universität von Perugia Mathematik lehrte, mit Euklids Arbeiten. Er nannte diese Streckenteilung Göttliche Teilung. Sein gleichnamiges Buch "De Divina Proportione" führte zur Wiederentdeckung des Goldenen Schnittes in der Renaissance, insbesondere in der Malerei. Leonardo da Vinci (1451-1519), der 7 Jahre lang sein Schüler in Mailand war und sein Buch illustrierte, verwendete möglicherweise als erster den Begriff "sectio aurea".
Die Bezeichnung Goldener Schnitt wurde erstmals 1835 von Martin Ohm (1792-1872; Bruder von Georg Simon Ohm) benutzt, und zwar im 2. Band seines Werkes "Die reine Elementar-Mathematik, weniger abstrakt, sondern mehr anschaulich".
Frühe Hinweise auf die vermutlich unbewusste Verwendung des Goldenen Schnittes stammen aus der Architektur. Nach Angaben des griechischen Geschichtsschreibers Herodot wurde die Cheops-Pyramide so konstruiert, dass der Flächeninhalt jeder der vier Seitenflächen gleich dem Quadrat der Pyramidenhöhe ist. Daraus ergibt sich, dass die Höhe der Seitenfläche zur Hälfte der Basiskante im Verhältnis des Goldenen Schnittes steht. Andererseits wurde nach jüngeren Vermessungen die These aufgestellt, dass das Verhältnis 2 : π an anderer Stelle die tatsächlichen Maße noch besser widerspiegelt.
In der griechischen Antike wurden viele Beispiele für die Verwendung des Goldenen Schnittes gefunden wie beispielsweise bei der Vorderfront des 447-432 v. Chr. unter Perikles erbauten Parthenon-Tempels auf der Akropolis. Da zu diesen Werken keine Pläne überliefert sind, ist nicht bekannt, ob diese Proportionen bewusst oder intuitiv gewählt wurden.
Auch in späteren Epochen finden sich zahlreiche Anwendungsbeispiele goldener Proportionen, wie beispielsweise die Königshalle in Lorsch (770 n. Chr.) und der Dom von Florenz.
Der Architekt und Maler Le Corbusier (1887-1965) entwickelte ab 1940 ein einheitliches Maßsystem basierend auf den menschlichen Maßen und dem Goldenen Schnitt. Er veröffentlichte es 1949 in seiner Schrift "Der Modulor", die zu den bedeutendsten Schriften der Architekturgeschichte beziehungsweise -theorie gezählt wird. Für seine Anwendung mathematischer Ordnungsprinzipien erhielt er 1933 von der Universität Zürich den Titel doctor honoris causa der mathematischen Wissenschaften.
Inwieweit die Verwendung des Goldenen Schnittes in der Kunst zu besonders ästhetischen Ergebnissen führt, ist letztlich eine Frage der jeweils herrschenden Kunstauffassung. Viele Künstler setzten ihn bewusst ein, bei vielen Werken wurden Kunsthistoriker erst im Nachhinein fündig. Diese Befunde sind jedoch angesichts der Fülle von Kandidaten für den Goldenen Schnitt beispielsweise in einem reich strukturierten Gemälde oft umstritten.
Der Goldene Schnitt findet sich in zahlreichen Skulpturen griechischer Bildhauer, wie dem Apollo von Belvedere, der Leochares (um 325 v. Chr.) zugeschrieben wird, oder den Werken von Phidias (5. Jhd. v. Chr.). Auf letzteren bezieht sich auch die heute oft übliche Bezeichnung φ für den Goldenen Schnitt, die von dem amerikanischen Mathematiker Mark Barr eingeführt wurde. Die ebenfalls gelegentlich verwendete Bezeichnung τ bezieht sich dagegen auf das griechische Wort "tome" für "Schnitt".
Eine zweite Blüte erlebte der Goldene Schnitt in der Kunst erst wieder in der Renaissance. In der Malerei wurde er von Raffael, Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer (zum Beispiel beim Selbstbildnis von 1500 und beim Kupferstich Melancolia I von 1514) eingesetzt.
Künstler der Neuzeit, die den Goldenen Schnitt einsetzten, sind beispielsweise Mondrian, Paul Signac und Georges Seurat.
Auch in der Fotografie wird der Goldene Schnitt zur Bildgestaltung eingesetzt, wie beispielsweise von dem französischen Fotograf Henri Cartier-Bresson
Im Buchdruck wurde früher gelegentlich die Nutzfläche einer Seite, der so genannte Satzspiegel, so positioniert, das das Verhältnis von Bundsteg zu Kopfsteg zu Außensteg zu Fußsteg sich wie 2:3:5:8 verhielt. Diese Wahl von Fibonacci-Zahlen approximiert den Goldenen Schnitt.
Künstler und Handwerker benutzten zur Konstruktion beziehungsweise zur Überprüfung des Goldenen Schnittes oft einen so genannten Goldenen Zirkel. Er bestand oft aus einem Zirkel, dessen beide Schenkel x-förmig nach oben zu einem zweiten Zirkel verlängert waren, und dessen Schenkellängen so gewählt waren, dass das Verhältnis der beiden eingestellten Abschnitte den Goldenen Schnitt bildete. Andere Instrumente hatten die Form eines Storchschnabels.
Der Goldene Schnitt wird gelegentlich näherungsweise in Strukturkonzepten von Musikstücken gefunden. So hat Béla Bartók ihn häufig verwendet. Seine Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug enthält ihn in vielfältiger Weise. Beispielweise wählte er für die Länge des ersten und des zweiten der beiden Sätze die Längen von 2457 und 3975 Achtelnoten. Die bei ganzen Zahlen unvermeidliche Abweichung vom Goldenen Schnitt entspricht nur einem Bruchteil einer Achtelnote.
Da in der Musik der Wohlklang von Tönen auf ihrem rationalen Frequenzverhältnis beruht, spielt der Goldene Schnitt in den Tonleitern allenfalls in der experimentellen Musik eine Rolle. Selbst unter den Tonintervallen, deren Frequenzverhältnis aufeinanderfolgenden Fibonacci-Zahlen entspricht, ragt lediglich die Quinte mit 3:2 heraus. Die große Sexte mit 5:3 und die kleine Sexte mit 8:5 sind dagegen eher von mittlerer Bedeutung für die Musik.
Dagegen wird der Goldene Schnitt gelegentlich im Musikinstrumentenbau verwendet. Insbesondere beim Geigenbau soll er für besonders klangschöne Instrumente bürgen.
Im 19. Jahrhundert war die Ansicht weit verbreitet, der Goldene Schnitt sei ein göttliches Naturgesetz und in vielfacher Weise auch in den Proportionen des menschlichen Körpers realisiert. So nahm Adolf Zeising 1854 in seinem Buch "Neue Lehre von den Proportionen des menschlichen Körpers" an, dass der Nabel die Körpergröße im Verhältnis des Goldenen Schnitts teile, und der untere Abschnitt werde durch das Knie wiederum so geteilt. Ferner scheinen die Verhältnisse benachbarter Teile der Gliedmaßen wie beispielsweise bei Ober- und Unterarm sowie bei den Fingerknochen ungefähr in diesem Verhältnis zu stehen. Eine genaue Überprüfung ergibt jedoch Streuungen des Verhältnisses im 20-Prozent-Bereich. Oft enthält auch die Definition, wie beispielsweise die Länge eines Körperteils exakt zu bestimmen sei, eine gewisse Portion Willkür. Ferner fehlt dieser These bis heute eine wissenschaftliche Grundlage. Es dominiert daher weitgehend die Ansicht, dass diese Beobachtungen lediglich die Folge gezielter Selektion von benachbarten Paaren aus einer Menge von beliebigen Größen sind.
Das spektakulärste Beispiel für die Realisierung des Goldene Schnitts in der Natur findet sich bei der Anordnung von Blättern (Phyllotaxis) und in Blütenständen mancher Pflanzen. Bei diesen Pflanzen teilt der Winkel zwischen zwei aufeinanderfolgenden Blättern den Vollkreis von 360° im Verhältnis des Goldenen Schnittes, wenn man die beiden Blattwurzeln durch eine Parallelverschiebung eines der Blätter entlang der Pflanzenachse zur Deckung bringt. Es handelt sich um den Goldenen Winkel von etwa 137,5°.
Beispiele sind die Sonnenblume, Kohlarten, Kiefernnadel an jungen Ästen, Zapfen, Agaven, viele Palmen- und Yuccaarten und die Blütenblätter der Rose, um nur einige zu nennen.
Ursache ist das Bestreben dieser Pflanzen, ihre Blätter auf ausreichenden Abstand zu halten. Es wird vermutet, dass sie dazu an jeder Blattwurzel einen Inhibitor produziert, einen speziellen Wachstumshemmer, der im Planzenstamm vor allem nach oben, in geringerem Umfang aber auch in seitlicher Richtung diffundiert. Dabei bilden sich in verschiedene Richtungen bestimmte Konzentrationsgefälle aus. Das nächste Blatt entwickelt sich an einer Stelle des Umfangs, wo die Konzentration minimal ist. Dabei stellt sich ein bestimmter Winkel zum Vorgänger ein. Würde dieser Winkel den Vollkreis im Verhältnis einer rationalen Zahl m/n teilen, dann würde dieses Blatt genau in die gleiche Richtung wachsen wie dasjenige n Blätter zuvor. Der Beitrag dieses Blattes zur Konzentration des Inhibitors ist aber an dieser Stelle gerade maximal. Daher stellt sich ein Winkel mit einem Verhältnis ein, das alle rationalen Zahlen meidet. Die Zahl, die in diesem Sinne die irrationalste aller Zahlen ist, ist nun aber gerade der Goldene Schnitt (siehe unten). Da bisher kein solcher Inhibitor isoliert werden konnte, wird auch die These diskutiert, dass diese Vorgänge in analoger Weise durch Konzentrationsverteilungen von Nährstoffen gesteuert werden.
Der Nutzen für die Pflanze könnte darin bestehen, dass auf diese Weise von oben einfallendes Sonnenlicht optimal genutzt wird, eine Vermutung, die bereits Leonardo da Vinci äußerte. Allerdings gibt es auch Pflanzen dieser Art, deren Organisation keine Maximierung der Lichtausbeute erfordert. Bei anderen Pflanzen wiederum treten Blattspiralen mit anderen Stellungswinkeln auf. So wird bei manchen Kakteenarten ein Winkel von 99,5° beobachtet, der mit der Variante der Fibonacci-Folge 1, 3, 4, 7, 11, ... korrespondiert. In Computersimulationen des Pflanzenwachstums lassen sich diese verschieden Verhaltensweisen durch geeignete Wahl der Diffusionskoeffizienten des Inhibitors provozieren.
Bei vielen nach dem Goldenen Schnitt organisierten Pflanzen bilden sich in diesem Zusammenhang so genannte Fibonacci-Spiralen aus. So bilden die Schuppen eines Fichtenzapfens 5 Spiralen in die eine Richtung und 8 in die andere. Bei einer Ananas mittlerer Größe sind 8 und 13 Spiralen zu sehen. Gelegentlich ist sogar noch ein dritter Spiraltyp zu erkennen. Spiralen dieser Art sind besonders gut zu erkennen, wenn der Blattabstand im Vergleich zum Umfang des Pflanzenstammes besonders klein ist. Sie werden nicht von aufeinander folgenden Blättern gebildet, sondern von solchen im Abstand n, wobei n eine Fibonacci-Zahl ist. Solche Blätter befinden sich in enger Nachbarschaft, denn das n-fache des Goldenen Winkels Ψ ist ungefähr ein Vielfaches von 360° wegen
wobei m die nächst kleinere Fibonacci-Zahl zu n ist. Da jedes der Blätter zwischen diesen beiden zu einer anderen Spirale gehört, sind n Spiralen zu sehen. Ist n/m größer als φ so ist das Verhältnis der beiden nächsten Fibonacci-Zahlen kleiner und umgekehrt. Daher sind in beide Richtungen Spiralen zu aufeinander folgenden Fibonaccizahlen zu sehen. Der Drehsinn der beiden Spiralentypen ist dem Zufall überlassen, sodass beide Möglichkeiten gleich häufig auftreten.
Besonders beeindruckend sind Fibonacci-Spiralen in flachen Blütenständen wie beispielsweise bei Sonnenblumen, Gänseblümchen und Disteln. Pflanzenarchitektonisch entsprechen den einzelnen Samen Blätter, wobei jedes einzelne einem eigenen Kreis um den Mittelpunkt des Blütenstandes zugeordnet werden kann, so als hätte man einen Pflanzenstamm mit seinen Blättern wie ein Teleskop zusammengeschoben. Wachtumstechnisch aufeinander folgende Samen liegen daher räumlich weit auseinander, während direkte Nachbarn wieder einen Abstand entsprechend einer Fibonacci-Zahl haben. Im äußeren Bereich von Sonnenblumen zählt man 34 und 55 Spiralen, bei größeren Exemplaren sogar 55 und 89. Die Abweichung vom mathematischen Goldenen Winkel, die in diesem Fall nicht überschritten wird, beträgt weniger als 0,01 Prozent.
Der Goldene Schnitt lässt sich natürlich auch über radiärsymmetrische fünfzählige Blüten konstruieren wie beispielsweise bei der Glockenblume, der Akelei und der (wilden) Heckenrose. Der Abstand der Spitzen von Blütenblättern nächster Nachbarn zu dem der übernächsten steht wie beim regelmäßigen Fünfeck üblich im diesem Verhältnis. Das betrifft natürlich auch Seesterne und andere Tiere mit fünfzähliger Symmetrie.
Darüber hinaus wird der Goldene Schnitt auch im Verhältnis der Längen aufeinander folgender Stängelabschnitte mancher Pflanzen vermutet wie beispielsweise bei der Pappel. Auch im Efeublatt stehen die Blattachsen a und b (siehe Abbildung) ungefähr im Verhältnis des Goldenen Schnittes. Diese Beispiele sind jedoch umstritten.
Seit langem ist bekannt, dass die Umlaufzeiten mancher Planeten und Monde in Verhältnis kleiner ganzer Zahlen stehen wie beispielsweise Jupiter und Saturn mit 2:5 oder die Jupitermonde Io, Ganymed und Europa mit 1:2:4. Solche Verhältnisse stabilisieren diese Bahnen langfristig gegen kleinere Störungen. Erst 1964 wurde entdeckt, dass auch hinreichend irrationale Verhältnisse, wie sie beispielsweise im Fall 1:φ vorliegen würden, stabilisierend wirken. Derartige Bahnen werden KAM-Bahnen genannt, wobei die drei Buchstaben für die Name der Entdecker A. N. Kolmogorov, V. I. Arnold und J. Moser stehen.
Der Goldene Schnitt tritt auch bei den Quasikristallen der Festkörperphysik in Erscheinung, die 1984 von D. Shechtman und seinen Kollegen entdeckt wurden. Dabei handelt es sich um Strukturen mit fünfzähliger Symmetrie, aus denen sich aber nicht wie bei Kristallen üblich streng periodischen Kristallgitter aufbauen lassen, wie bereits Kepler erkannte. Entsprechend groß war die Überraschung, als man bei Röntgenstrukturanalysen Beugungsbilder mit fünfzähliger Symmetrie fand. Diese Quasikristalle bestehen strukturell aus zwei verschieden rhomboedrischen Grundbausteinen, mit denen man den Raum zwar lückenlos füllen kann jedoch ohne globale Periodizität. Beide Rhomboeder setzten sich aus den selben rautenförmigen Seitenflächen zusammen, die jedoch unterschiedlich orientiert sind. Die Form dieser Rauten lässt sind nun dadurch definieren, dass ihre Diagonalen im Verhältnis des Goldenen Schnittes stehen.
In der mathematischen Literatur bezeichnet man den Goldenen Schnitt mit einer Verhältniszahl oder τ. Aus der oben angegeben Definition folgt
Der Zusammenhang zwischen dem Goldenen Schnitt und der Folge der Fibonacci-Zahlen an erschließt sich unmittelbar über deren Bildungsgesetz an+1=an+an-1. Danach gilt für das Verhältnis aufeinander folgender Fibonacci-Zahlen
Der Goldene Schnitt ist eine irrationale Zahl, das heißt er lässt sich nicht als Bruch zweier ganzer Zahlen darstellen. Von großer Bedeutung für seine Rolle in der Kunst und in der Natur ist seine besondere Eigenschaft, in gewissen Sinne die irrationalste aller Zahlen zu sein. Diese Eigenschaft äußert sich darin, dass er sich besonders schwer durch rationale Zahlen approximieren lässt. Das ist beispielsweise bei der ebenfalls irrationalen Kreiszahl π nicht der Fall. Sie lässt sich durch den Bruch 22/7 mit einer Abweichung von nur 0,04% approximieren. Einen derartig geringen Fehler würde man im allgemeinen erst bei einem sehr viel größeren Nenner erwarten.
Der Goldene Schnitt lässt sich direkt aus der Forderung nach maximaler Irrationalität konstruieren. Um das zu verstehen, betrachte man das folgende Verfahren zur Approximation beliebiger Zahlen durch einen Bruch am Beispiel der Zahl π. Wir zerlegen diese Zahl zunächst in ihren ganzzahligen Anteil und einen Rest, der kleiner als 1 ist: π=3+Rest. Der Kehrwert dieses Restes ist eine Zahl, die größer als 1 ist. Sie lässt sich daher wiederum zerlegen in einen ganzzahligen Anteil und einen Rest kleiner 1: π=3+1/(7+Rest). Verfährt man mit diesem Rest und allen folgenden ebenso, dann erhält man die so genannte unendliche Kettenbruchdarstellung der Zahl π
Im obigen Kettenbruch erscheint vor jedem Pluszeichen eine ganze Zahl. Je größer diese Zahl ist, umso kleiner ist der Bruch, in dessen Nenner sie steht, und umso kleiner ist daher auch der Fehler, der entsteht, wenn der unendliche Kettenbruch vor diesem Bruch abgebrochen wird. Die größte Zahl im obigen Abschnitt des Kettenbruchs ist die 15. Das ist der Grund, warum 22/7 eine derart gute Approximation für π darstellt.
In Umkehrung dieser Argumentation folgt nun, dass die Approximation besonders schlecht ist, wenn die Zahl vor dem Pluszeichen besonders klein ist. Die kleinste zulässige Zahl dort ist aber die 1. Der Kettenbruch, der ausschließlich Einsen enthält, hält daher von allen rationalen Zahlen maximal Abstand, und ist in diesem Sinn die irrationalste aller Zahlen. Für den Goldenen Schnitt gilt nun aber φ=1+1/φ (siehe oben), und daraus ergibt sich durch wiederholte Anwendung
Zahlen, deren unendliche Kettenbruchdarstellung ab irgend einer Stelle nur noch Einsen enthält, bezeichnet man als noble Zahlen. Der Goldene Schnitt ist damit auch die nobelste Zahl.
Pentagramm
Ersetzt man AC=AB+BC und beachtet die Gleichheit der auftretenden Teilstücke, so erhält man genau die obige Definitionsgleichung für den Goldenen Schnitt.Goldene Spirale
Historisches
Architektur
Kunst
Musik
Biologie
Proportionen des menschlichen Körpers
Botanik
Astronomie
Physik
Mathematische Eigenschaften
Herleitung des Zahlenwertes
und daraus die quadratische Gleichung
mit einer Lösung
Die zweite Lösung der quadratischen Gleichung ist negativ und ergibt deshalb als Verhältniszahl keinen Sinn.Zusammenhang mit den Fibonacci-Zahlen
Sofern dieses Verhältnis gegen einen Grenzwert φ konvergiert, muss daher für ihn gelten
Diese Beziehung gilt aber gerade für den Goldenen Schnitt, wie der Vergleich mit der ersten Gleichung des vorangehenden Abschnitts zeigt.Der Goldene Schnitt als irrationalste und nobelste aller Zahlen
Man kann nun zeigen, dass man die Brüche, mit denen man π optimal approximieren kann, genau dann erhält, wenn man diesen Kettenbruch an irgendeiner Stelle abbricht. Je nach Abbruchstelle erhält auf diese Weise die Zahlen 3, 22/7, 333/106, 355/113, ..., die rasch gegen π streben. Für alle diese Brüche gilt, dass es keinen Bruch mit einen kleineren Nenner gibt, der π besser approximiert.
Das heißt, der Goldene Schnitt φ ist die irrationalste aller Zahlen. Bricht man diese Kettenbruchzerlegung an irgendeiner Stelle ab, so erhält man stets einen Bruch aus zwei aufeinanderfolgenden Fibonacci-Zahlen.Weitere mathematische Eigenschaften
sin(π/10) = (φ-1)/2 (π/10 ist die Hälfte des Winkels in der Spitze des Pentagramms.)
.Literatur
Weblinks
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