Gleichgewichtssinn
Der Gleichgewichtssinn (engl. equilibrioception oder static sense) dient zur Feststellung der Körperhaltung und Orientierung im Raum. Er hat sein Zentrum im Innenohr und Kleinhirn, ist aber eng mit den Augen und anderen Sinnen sowie mit Reflexen verbunden.
Zum Gleichgewichtssinn gehört das Empfinden für oben/unten (Lotrichtung), für Drehungen, für Winkel bzw. Neigungen und Rhythmus sowie für Beschleunigungen in allen Richtungen (3D).
Das wichtigste Sinnesorgan für die Raumlage und ihre Regulation ist das Vestibulum (Vorhof oder Vestibularapparat). Es befindet sich beim Menschen und bei (allen?) Wirbeltieren in den Innenohren und wirkt bei unerwarteten Stößen oder Störungen des Gleichgewichts direkt auf die vom benachbarten Kleinhirn gesteuerten Reflexe. Andere Sinnesorgane sind in diese Regelkreise erst mit "Verspätung" eingebunden.
Das Vestibulum liegt direkt neben der Gehörschnecke (Cochlea) und ist ein Sensorium für Drehbewegungen, Beschleunigungen und die Lotrichtung. Man kann es auch als Zentrum für langsame Schwingungen deuten, während das Gehör für hohe und mittlere Frequenzen zuständig ist.
Das Gleichgewichtsorgan bildet mit der Cochlea einen Membransack und besteht aus den Bogengängen und dem Sacculum (kleiner Sack):
- Die jeweils 3 Bogengänge sind miteinander verbundene ringförmige Gefäße, die zum Teil mit Lymphflüssigkeit gefüllt sind. Bei Drehungen des Kopfes oder des gesamten Körpers fließt die Lymphe im jeweils betroffenen Bogengang wegen des Trägheitsgesetzes an eine andere Stelle. Dabei reizt sie Sinneshaare, die an der Innenseite der Bogengänge sitzen. Jedes dieser Sinneshaare ist mit einem Nerv verbunden und schickt die Reizung weiter ins Kleinhirn, das daraus die aktuelle Stellung im Raum ermittelt und an die Augenmuskeln und die Wirbelsäule weiterleitet.
- Teilweise sprechen die Bogengänge auch auf lineare Beschleunigungen an.
- Bei längeren Drehbewegungen vermindert die Reibung die Strömung der Lymphe in den Bogengängen. Diese Anpassung an die Drehung erlaubt die Orientierung im sich drehenden Bezugssystem, was z.B. für Klettertiere wichtig ist, aber auch für Artistik oder Tanz.
- Bei Aufhören der Drehbewegung rotiert die Flüssigkeit weiter und ruft den Eindruck einer entgegengesetzten Drehung hervor. Durch den Widerspruch zu anderen Sinneseindrücken kann Schwindelgefühl oder Desorientierung entstehen. Piloten müssen deshalb beim Instrumentenflug lernen, der Anzeige von Navigationsgeräten mehr zu trauen als ihrem Eindruck.
- Die auf die Schwerkraft ansprechenden Organe sind Sacculum und Utriculum - mit Sinneshaaren ausgekleidete Säckchen, in denen sich Otolithen (Steinchen aus Kalk) befinden. Ihr Druck auf die Härchen erzeugt die Empfindung für oben und unten.
- Die Organe im linken und rechten Ohr halten sich normalerweise im Funktionsgleichgewicht. Gemeinsam können sie die Lotrichtung auf 1-3° genau lokalisieren.
- Die Organe im linken und rechten Ohr halten sich normalerweise im Funktionsgleichgewicht. Gemeinsam können sie die Lotrichtung auf 1-3° genau lokalisieren.
- Weitere Beiträge zum Gleichgewichtssinn kommen
- Vom Gesichtssinn - zur Raumlage
- von der Muskulatur des Skeletts - bei Körperdrehungen und z.T. bei Beschleunigung
- vom Gesäß (in der Fliegersprachesprache das "Sitzfleisch") - bei Beschleunigungen vor allem in der Lotrechten
- vom Gehör - zur Schätzung von Geschwindigkeiten (z.B. durch Luftgeräusche), sowie
- vom Hautsinn, bzw. bei Vögeln über Luftbewegungen an den Federn.
Weblinks