Glazialmorphologie
Zum Aufbau der Gletscher
Gletscher bestehen grundsätzlich aus einem Nährgebiet und einem Zehrgebiet, wobei, wie der Name schon sagt, ersteres in Höhenlagen liegt, in denen Schnee fällt, der sich in einer sogenannten Firnmulde verdichtet bis Gletschereis entsteht. Der Gletscher endet unterhalb der Schnee- oder Firnlinie als Gletscherzunge im Zehrgebiet, wo das Eis schmilzt (=Ablation).
Gletschereis entsteht, wenn oberhalb der Firnlinie Schnee fällt, der durch oftmaliges Auftauen und Gefrieren (=Regelation) eine körnige Struktur annimmt, die Firn genannt wird. Diese Schneeform enthält schon viel weniger Luft und Kristalle als frischer Schnee, nämlich nur mehr etwa 50 %. (im frischen Schnee sind mehr als 90 % Luft enthalten). Der Vorgang setzt sich mit der Bildung von Firneis fort, das unter dem Druck neuer Schneemassen entsteht und nur noch 20 - 30 % Luft enthält. Wird dieses noch weiter verdichtet, entsteht schließlich das Gletschereis mit der typischen blauen oder grünlichen Färbung, in dem durch oft jahrtausendelange Prozesse der Luftanteil auf unter 2 % reduziert wird.
Gletscheroberflächen sind meist durch zahlreiche Spalten zerrissen, die durch die Bewegung des Gletschers entstehen, die wiederum durch die Regelation ermöglicht wird. Querspalten finden sich dort, wo der Gletscher über Hindernisse wie beispielsweise riesige Felsblöcke, die unter dem Eis begraben sind, fließt oder wenn der Untergrund steiler wird, das Gletschereis fließt dann an der Oberfläche schneller und reißt auf. Randspalten finden sich dort, wo der Gletscher in der Mitte schneller fließt als am Rand und so das Eis dort aufreißt, ähnlich den Wasserverwirbelungen, die bei Flüssen am Rand auftreten, Randkluften hingegen entstehen, wenn das Gletschereis bedingt durch die Aufheizung des umliegenden Gesteins am Rande des Gletschers verstärkt abschmilzt. Längsspalten befinden sich meist an der Stirnseite des Gletschers, im Bereich der Gletscherzunge, wo er breiter wird und das Eis mehr Platz hat sich nach links und rechts auszubreiten und sich somit auffächert.
Gletscher transportieren viel Gestein mit sich und vor sich her (und lagern es auch ab), das man Moränen nennt. Im Unterschied zu den Ablagerungen des Wassers sind die Gesteinsmaterialien in Moränen ungeschichtet, das heißt, man findet auch plattige Bestandteile in beliebiger Lage, auch senkrecht vor.
Gemäß der Lage zum Gletscher unterscheidet man eine ganze Reihe von Moränen. Oberflächen- und Innenmoränen sind beweglich, da sie vom Eise getragen werden. Sie entstehen durch Anlagerung von niederstürzendem Schuttmaterial auf die Gletscheroberfläche und in Spalten oder durch Ansammlung von einzelnen mitgeführten Gesteinstrümmern beim Abtauen der Gletscher. Ihre Existenz endet mit dem Abschmelzen der Gletscher. Der Gesteinsschutt fällt dann zu Boden, wird anderen Moränen zugeordnet oder vom Schmelzwasser abtransportiert. Oberflächen- und Innenmoränen gibt es nur bei Talgletschern, weil nur von den überragenden Berggipfeln beziehungsweise Talflanken Steinschlag niedergehen kann. Die anderen Moränen werden zum Teil auch transportiert, überdauern aber den Gletscher und sind ein Indiz für das Vorhandensein einstiger Eisströme.
Seitenmoränen begleiten schon im oberen Teil eines Trogtales den Gletscher. Er lagert das auf ihn niederstürzende Gestein seitlich ab und schiebt es talwärts. Dabei ordnet sich der Schutt zu Wellen an die das strömende Eis flankieren. Beim Zusammenfluss von Gletscherzungen werden die am inneren Rand liegenden Seitenmoränen zur Mittelmoräne vereinigt. Sie trennt die aus den verschiedenen Ursprungsgebieten stammenden Eisströme voneinander und bleibt als Schuttwall im Gletscher erhalten. Während sich bei einem Fluss die einmündenden Wasser sehr schnell vermischen, fließt das Gletschereis bei den sogenannten zusammengesetzten Gletschern nebeneinander her.
Die Endmoräne (=Stirnmoräne) ist ein Schuttwall am Ende des Gletschers, halbkreisförmig die Gletscherzunge umgebend. Voraussetzung für die Bildung einer solchen Moräne ist jedoch, dass der Gletscher über längere Zeit am gleichen Platz hält, dass er stationär ist. Stößt der Gletscher immer wieder vor, wird die Endmoräne gestaucht und zusammengeschoben (Stauchmoräne). Der dem Gletscher zugekehrte Hang ist hier steiler als die Außenseite des Moränenwalls. Zieht sich der Gletscher zurück, können mehrere Moränenwälle entstehen, wenn längere Haltephasen eingeschaltet sind. Endmoränen wirken wie Staudämme (sie sind oft bis zu 200 m hoch), viele Seen des Alpenvorlandes und der Alpen sind zusammen mit der ausschürfenden Kraft der Gletscher entstanden, weil sich die Becken mit Wasser gefüllt haben. Die Grundmoräne (Untermoräne) findet man an der Unterseite eines Gletscherstroms, wo besonders viel Gesteinsmaterial transportiert wird. Der Schutt stammt von der Oberfläche des Gletschers, wo er durch allmähliches Hinuntersinken den Grund des Eisstromes erreicht oder direkt von dem Material, das der Gletscher aus dem Untergrund herausschrammt. Die Gesteinsstücke der Grundmoräne sind intensiver kantengerundet als die aus anderen Moränen, auch ist der Anteil an feinen Körnergrößen höher, jedoch finden sich auch große Felsbrocken (Findlinge). Aus dem vom Gletscher selbst fein zerriebenen Gesteinsstaub und durch äolische Verfrachtung entsteht aus dem Moränenmaterial oft Löß, ein staubartiger, fein zerriebener Sand. Schmelzwasser bildet im Gletscher Systeme von Kanälen, Rinnen und Schächten unter dem Eis, es vereinigt sich am Grund des Gletschers und tritt dann am Gletschertor wieder zu Tage. Meist ist es mit Luft vermischt, sodass es eine weiße Farbe besitzt und schäumt, es wird daher Gletschermilch genannt. Außer durch Schmelzen kann der Gletscher auch durch Abbrechen von Eisbrocken an Substanz verlieren, dies geschieht, wenn der Gletscher in einen See oder ins Meer mündet. Man nennt diesen Vorgang Kalben. Ein Gletscher wächst, wenn im Nährgebiet mehr Wasser in Form von Schnee fällt als im Zehrgebiet Eis schmilzt, der Gletscher dringt vor. Überwiegt die Ablation, geht der Gletscher zurück, er wird zuerst dünner, schließlich weicht auch das Gletscherende zurück. Durch das Dünnerwerden verlieren manchmal Eisteile den Zusammenhang mit der Gletscherzunge, man nennt diese dann Toteis.