Glasharmonika
Die Glasharmonika ist ein 1761 von Benjamin Franklin entwickeltes Friktionsinstrument. Zur Tonerzeugung dienen verschieden große, ineinandergeschobene Glasglocken, die auf einer gemeinsamen waagerechten Achse lagern, die durch ein Pedal in Rotation versetzt wird. Gespielt wird die Glasharmonika durch das Berühren der Glockenränder mit einem feuchten Finger.Der Tonumfang der Glasharmonika beträgt zweieinhalb bis vier Oktaven, sie ist chromatisch gestimmt. Eine Variante ist die Klavierharmonika, die mit einer Tastatur und einer Mechanik zum Streichen der Gläser ausgestattet ist.
Es gibt zwei allgemein bekannte Möglichkeiten, Gläsern Töne zu entlocken: durch Anschlagen und durch Reibung mit angefeuchteten Fingerspitzen am oberen Rand. Gläser zu musikalischen Zwecken anzuschlagen ist sicherlich schon so lange gebräuchlich, wie es Glas gibt. Viele Quellen belegen solche Idiophone aus Glas vorwiegend im orientalischen Raum. Ein Beleg für europäische Glasidiophone findet sich in der Theorica musicae (Mld. 1492) von Fr. Gaffurius (Abb. 1). Im Rahmen der 'Pythagoräischen Experimente' wird dort im "Experimentum III" die Reaktion der unterschiedlichen Temperamente auf bestimmte Töne beschrieben.
Das erste bekannte vollwertige Musikinstrument aus Glas ist 1596 im Inventar der Sammlung von Schloss Ambras/Tirol (heute a-Wkm) aufgeführt: "ain Instrument von Glaswerch" in einem schön verzierten kleinen Kästchen mit einem chromatischen Umfang von drei Oktaven und einer Terz (F-a' ') - nach einer Beschreibung der Sammlung von Alois Primisser (Die Kaiserlich-Königliche Ambraser-Sammlung, Wien 1819, S. 219). Ein "Glasspiel" beschreibt Kircher in seinem 1673 erschienenen Werk Phonurgia nova (S. 190f.; Abb. 2), übersetzt "in unsere Teutsche Muttersprach" von Agathon Cario unter dem Titel Neue Hall-und Thonkunst (Nördlingen 1684). Die Form der abgebildeten, wassergestimmten Gläser würde eine Nutzung als Friktionsinstrument zulassen. Die Anordnung und geringe Anzahl der Gläser lässt jedoch eher auf eine beispielhafte Darstellung des Prinzips beziehungsweise eine Versuchsanordnung schließen als auf ein bestimmtes Musikinstrument. Den ersten eindeutigen Beleg für die Klangerzeugung mit geriebenen Gläsern findet man in der Anleitung, wie "eine lustige Weinmusica zu machen" sei, in den Deliciae physico-mathematicae (2. Tl., veröff. durch Daniel Schwenter, dem Autor des 1. Tl., Nbg. 1677, S. 147) von Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658):
Joh. G. Walther (WaltherL) berichtet vom "Glas-Spiel" unter dem Stichwort Verrillon (von frzanzösisch verre, "Glas"), seinem Bau und seiner Spielweise und nennt als Virtuosen den Schlesier Christian Gottfried Helmond. In Böhmen wurden die Gläserspiele als Verrophone bis ins 20. Jahrhundert hinein hergestellt und in Katalogen angeboten. In Joh. Ph. Eisels Musicus autodidactus (Erfurt 1738) ist ebenfalls ein "Verrillon" abgebildet und seine Handhabung beschrieben. Erstaunlicherweise beziehen sich Walther und Eisel nur auf angeschlagene Gläser, obwohl die Tonerzeugung durch Reibung längst bekannt war und die Gläser allgemein immer bessere Materialqualitäten aufwiesen. Unklar ist die von Carl Ludwig Weißflock 1731 angewendete Spieltechnik. Sein "Klavier von auserlesenen Gläsern durch drey Octaven, worauf er, ohne irgend eine Dämpfung, nach Gefallen piano und fort ausdrücken konnte" (GerberATL, S. 791) hat den Fürsten von Anhalt-Zerbst immerhin so beeindruckt, dass er Weißflock als Hofmusiker auf Lebenszeit am Zerbster Hofe anstellte (P. Lynton/K. L. Loewenstein 1951).
Ohne davon zu wissen, bewirkte der Ire Richard Pockrich (ca. 1690-1759, von Franklin in einem Brief [siehe unten] "Puckeridge" genannt) eine Verbreitung der Musical Glasses zunächst in Dublin und später in ganz Britannien. Über seine 1741 erfundene Angelick Organ sagt er in The Real Story of John Carteret Pilkington (L. 1760, S. 58):
Der berühmteste unter ihnen war Christoph Willibald Gluck, der 1745 nach England gekommen war. Neben den vermehrten Nachrichten über das öffentliche Auftreten von Musikgläser-Künstlern kündigte er am 23. April 1746 im General Advertiser ein Konzert mit einer neuen Komposition auf 26 wasserabgestimmten Gläsern in Begleitung eines Kammerorchesters im Londoner Little Haymarket Theatre an. Genau wie Pockrich nutzte er die beiden möglichen Spieltechniken, die Gläser anzureiben und anzuschlagen: Gluck versprach - in enthusiastischer Übertreibung -, alles ausführen zu können, was auf einer Violine oder einem Cembalo möglich sei. Gemessen an der Höhe der Eintrittspreise, spielte er vor einem sehr erlesenen Publikum. Gluck leistete durch sein Konzert, das er 1749/1750 auf Schloss Charlottenburg bei Kopenhagen wiederholte, und durch seine spätere Berühmtheit einen wichtigen Beitrag zur Anerkennung der Musikgläser als Instrument und gesellschaftliches Ereignis, wie in The Vicar of Wakefield (L. 1766) von Oliver Goldsmith dargestellt:
1761 konzertierte auch Edmund Delaval, von Pockrich inspiriert und Mitglied der Royal Society, auf den Musical glasses. Durch ihn sah und hörte Benjamin Franklin, der sich schon seit 1757 in London aufhielt und vor der Royal Society seine Theorien zur Elektrizität erläuterte, nach eigener Aussage zum ersten Mal die Musical glasses. Dieses Erlebnis regte ihn zu einer weiteren Erfindung an, der Glasharmonika. In einem kurz vor seiner Abreise nach Amerika an seinen Freund in Mailand, den Physiker Giovanni Battista Beccaria gerichteten Brief (London, 13. Juli 1762), schrieb er: "Perhaps, however, it may be agreeable to you, as you live in a musical country, to have an account of the new instrument lately added here [...]. You have doubtless heard the sweet tone that is drawn from a drinking glass by passing a wet finger round its brim. [...] One Mr. Puckeridge, a gentleman from Ireland, was the first who thought of playing tunes, formed of these tones. [...] Mr. E. Delaval, a most ingenious member of our Royal Society, made one in imitation of it, [...] which was the first i saw or heard. Being charmed by the sweetness of its tones, and the music he produced from it, i wished only to see the glasses disposed in a more convenient form, and brought together in a narrower compass, so as to admit of a greater number of tones, and all within reach of hand to a person sitting before the instrument [...]. [...] The advantages of this instrument are, that its tones are incomparably sweet beyond those of any other; that they may be swelled and softened at pleasure by stronger or weaker pressures of the finger, and continued to any length; and that the instrument, being once well tuned, never again wants tuning. In honor of your musical language, i have borrowed from it the name of this instrument, calling it the Armonica" (The Works of Benjamin Franklin, hrsg. von J. Sparks, Bd. 6, Boston 1840, s. 245-250, 352; Abb. 4).
Durch die erhoffte Vermittlung seines italienischen Freundes und den neuen italienischen Namen des Instrumentes - Armonica - versprach sich Franklin eine rasche Verbreitung seiner neuen Erfindung, wenn sie erst in der damals führenden Musiknation Italien etabliert sei. Anfang 1762 war sein Instrument in London bereits als "Glassy-Chord" bekannt geworden. Seine Wahl des Fürsprechers war in Pater Beccaria nicht die günstigste, da Beccaria mehr ein Mann der Naturwissenschaften und bildenden Künste war, doch Franklin hatte noch nicht die vielen einflussreichen europäischen Freunde wie in seiner späteren Zeit als Staatsmann, und er konnte angesichts seiner bevorstehenden Abreise nicht wissen, wann er je nach Europa zurückkommen würde.
Leider geht Franklin in seiner fragmentarischen Autobiographie über seine frühen Jahre in Europa nicht auf den genauen Hergang seiner musikalischen Erfindung ein. Die Spieltechnik war durch die Musical glasses schon eingeführt, und auch die Anbringung einzelner etwa halbkugelförmiger Glasschalen mit einem Halsansatz beziehungsweise Loch im Zentrum ihrer Wölbung, mittels Korkstopfen auf einer horizontalen Achse, war schon 1741 zur Verwendung in Glockenspielen und später auch Uhrenglockenspielen bekannt. Franklin wird allgemein die Idee zuerkannt, die auf einer gemeinsamen Achse befindlichen Glasschalen mit einem Fußantrieb in Rotation versetzt zu haben. Durch die geringen Abstände der einzelnen ineinander montierten Schalen, deren Durchmesser zu den hohen Tönen hin abnimmt, ergeben sich mit Tasteninstrumenten vergleichbare spieltechnische Möglichkeiten. Aus den technischen Einzelheiten bezüglich des Schleifens und Stimmens der Glasschalen, die wir Franklins Brief entnehmen können, geht hervor, dass er intensiv an der Herstellung der ersten Instrumente, die zunächst von g-g¨ reichten, beteiligt war. Seine ersten Instrumente in London baute er zusammen mit Charles James (London), der schon Musical glasses zusammengestellt hatte. Zurück in Amerika arbeitete Franklin weiter an seiner musikalischen Erfindung, wobei unklar ist, ob er gestimmte Glasschalen aus London mitnahm oder in Amerika einen Glasmacher gefunden hat.
Das erste Konzert auf der neuen Harmonika (wie die franklinsche Armonica seit ihrer Verbreitung im deutschsprachigen Raum genannt wurde) gab Marianne Davies (1740 - ca. 1818), eine Verwandte von Franklin, schon Anfang 1762 im Great Room in Spring Gardens und kurz darauf in Bristol, London und Dublin. In Amerika spielte Stephen Forrage im Dezember 1764 in den Assembly Rooms in Lodge Alley/Philadelphia als erster die Harmonika in einem öffentlichen Konzert. Marianne Davies unternahm 1768 zusammen mit ihrer Schwester, der Sängerin Cecilia Davies (1750-1836), eine Konzertreise durch Europa und insbesondere nach Italien. Franklin hatte Marianne Davies eigens ein Instrument dafür überlassen. Cecilia wurde als "l'Inglesina" in Italien und Europa bald berühmt, während Marianne Davies zu ihren Schülern sogar die Tochter der Kaiserin Maria Theresia, die spätere französische Königin Marie Antoinette, zählte. Beide Schwestern sollen sich mit Glucks Hilfe am Wiener Hof etabliert haben. Sie wohnten bei Joh. A. Hasse, der 1769 für Marianne und Cecilia die Cantata pour soprano, harmonica e orchestre komponierte, nach einer Ode Metastasios, anlässlich der Vermählung der Erzherzogin Maria Amalia mit dem spanischen Infanten Ferdinand von Bourbon, Herzog von Parma.
Weitere Harmonikas wurden alsbald in großer Anzahl gerade in den damals deutschsprachigen Gebieten von zahlreichen Herstellern angefertigt. In diesen Regionen waren die zur Glasherstellung notwendigen Rohstoffe reichhaltig vorhanden und die Techniken der Glasverarbeitung entsprechend weit entwickelt. Der Karlsruher Hofkapellmeister J. A. Schmittbaur erweiterte als erster den Tonumfang seiner Harmonika von c-f´´ (später c-c´´´´) und unterrichtete neben seinen Töchtern Therese und Lisette auch die mit vier Jahren durch eine Pockenerkrankung weitgehend erblindete Mariane Kirchgeßner (1769-1808) auf Kosten von Joseph Anton Reichsherr von Beroldingen, Domkapitular zu Speyer und Hildesheim, der junge Talente protegierte. Der Graf selbst kaufte der Zehnjährigen bei Schmittbaur für 100 Speziesdukaten eine Harmonika. Im Januar 1791 trat sie zusammen mit ihrem künftigen Begleiter und Förderer, dem einflussreichen Musikverleger Heinrich Philipp Carl Bossler und dessen Gattin, ihre erste Konzertreise durch Europa an. Ihr Harmonikakonzert in Wien am 10. Juni 1791 veranlasste Mozart, ein Quintett für Harmonika, Flöte, Oboe, Viola und Cello (KV 617) und ein Solo-Adagio (KV 617a = KV 356) für sie zu komponieren. Am 19. August folgte die Uraufführung von KV 617, das zur Grundlage ihrer zehnjährigen außergewöhnlich erfolgreichen Virtuosenreise werden sollte. Sie spielte an Adelshöfen und gab, wie damals üblich, Privatkonzerte gegen Einlass in den Räumlichkeiten ihres jeweiligen Aufenthaltes. Sie lernte beinahe alle in ihrer Zeit lebenden und berühmten Komponisten kennen, die zumeist eigens sie und ihr Instrument mit Werken bedachten. Aufgrund ihres außergewöhnlichen musikalischen Gedächtnisses war es ihr zwar möglich, die Kompositionen allein durch Vortrag am Klavier aufzunehmen, doch sie besaß leider keine Handdruckerei oder Notensetzmaschine, die schon für Blinden-(noten-)schrift existierte, wie etwa die ebenfalls blinde und berühmte Pianistin M. Th. Paradies. Deshalb ist so manche Komposition für die Harmonika für immer verloren (nicht zuletzt auch infolge verschiedener Plünderungen ihrer Residenz in Gohlis bei Leipzig sowohl durch preußische als auch durch französische Soldaten). Lediglich während ihres Aufenthaltes in London (1794-1796) erlangte Mariane Kirchgeßner durch die Behandlung des Augenarztes Dr. Fiedler kurzzeitig ein geringes Sehvermögen.
Andere Harmonikaspieler und -komponisten reisten, ihrem Beispiel folgend, konzertierend durch Europa. Unter ihnen waren: Joh. Fr. Reichardt, Joh. G. Naumann, K. L. Röllig, Joh. A. P. Schulz, Johann Christian Müller (Herausgeber einer Harmonikaschule [1788] und Mitglied des Gewandhausorchesters Leipzig), das Ehepaar Johanna und Vincenc Mašek, dessen Bruder Pavel Mašek, Joh. L. Dussek, Joh. B. Kucharž, Friederike Bause und Chr. G. Breitkopf. Mariane Kirchgeßner blieb zwar die bekannteste Harmonikaspielerin, aber Pavel Mašek soll den Kritiken zufolge mindestens ebenso virtuos gewesen sein, während ein Carl Schneider aus Gotha bei weitem als der fertigste Harmonikavirtuose beschrieben wird.
Neben den zahlreichen Solo- und Kammermusikwerken entstanden auch immer mehr Orchesterstücke für und Opern mit Glasharmonika. Sie fungierte in den kleineren Theatern oft als Orgelersatz und wurde in bedeutenden Inszenierungen solistisch in dramaturgischen Schlüsselszenen eingesetzt, um mit ihrer einzigartigen Klangfarbe die Besonderheit der jeweiligen Szene zu unterstreichen, zum Beispiel in der so genannten Wahnsinns-Szene in Donizettis Lucia di Lammermoor (1835 Neapel). Auch viele Dichter der Zeit, unter anderen Goethe, Schiller, Jean Paul, Herder, Wieland, Schubart, E. T. A. Hoffmann und der Philosoph Hegel, äußerten sich in ihren Werken zu dem bemerkenswerten Klangcharakter der Harmonika - akustischer Ausdruck der 'Werther'-Zeit. Liszt schrieb in seinem Buch über Chopin (p. 1852) dazu, Chopin habe seinem Pleyelschen Flügel Töne entlockt, "qu'on eût cru appartenir à une de ces harmonicas dont la romanesque Allemagne conservait le monopole, et que ses anciens maîtres construisaient si ingénieusement, en mariant le cristal et l'eau" (Frédéric Chopin, p. 1852, s. 83).
In dem polnischen nationalen Unabhängigkeitsdrama Der Abend der Vorfahren (aus Die Bücher des polnischen Volkes und der polnischen Pilgerschaft, p. 1832) von Adam Bernhard Mickiewicz gar spielt die Harmonika in der Schlüsselszene, den Visionen des Protagonisten Konrad, eine bedeutende metaphorische Rolle. Auch in Russland war die Harmonika sehr bekannt. Puschkin hörte in den "zauberhaften Klängen [...] etwas Überirdisches" (Russkaja Starina 1881, Buch 8; zitiert nach A. Buchner 1971, s. 39).
Eine gewisse Gegenbewegung ging hauptsächlich von den Neidern und Gegnern des Wiener Arztes und Gelehrten Franz Anton Mesmer (1734-1815) aus, der die Harmonika in seinen 'Therapien' verwendete (Abb. 5). Nach einem gesellschaftlichen Abend bei Mesmer schreibt L. Mozart am 12. August 1773 an seine Frau in Salzburg: "weist du das der H: v Messmer recht gut die Harmonica der Miß Devis spielt? er ist der einzige der es in Wienn gelernt hat, und hat eine viel schönere Gläser Machine als die Miß Devis hatte. der Wolfg: hat auch schon darauf gespielt, wenn wir nur eine hätten" (Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, hrsg. von der Internat. Stiftung Mozarteum Salzburg, Bd. 1, Kassel u.a. 1962, s. 486).
Über Mesmer wurde berichtet, dass er auf der Glasharmonika zu seiner angenehmen Tenorstimme improvisiert habe. Auch Haydn und Gluck zählten zu seinen Freunden, wobei Gluck, oft durch Mesmers Harmonikaspiel begeistert, ihm das Versprechen abnahm, "niemals anders als so, nämlich blos phantasierend, ohne Noten und künstliche Stücke diese Tonglocken zu berühren" (nach J. Kerner, F. a. Mesmer, Ffm. 1856, s. 202, und Karl Christian Wolfart, Mesmerismus, Bln. 1814). Erstaunlicherweise findet sich kein Hinweis darauf, dass Gluck Mesmer von seinen eigenen, fast 40 Jahren zurückliegenden Erfahrungen mit den Musical glasses berichtet hat. Eigentlich berühmt wurde Mesmer mit seiner Theorie des "Thierischen Magnetismus", mit der er die Grundlagen zur Psychotherapie und zu vielen 'Naturheilpraktiken' schuf. Da er in seinen magnetischen Behandlungen auch die Glasharmonika gelegentlich zur 'Nachbehandlung und Entspannung' der Patienten einsetzte, geriet sie in die Kritik derer, die in Mesmer einen Scharlatan sahen. Sie behaupteten, dass die Schwingungen der Harmonika das Nervensystem 'enervierten' und 'zerrütteten' und der Bleigehalt der Gläser Krankheiten verursache. Zwar wurde beidem ebenso heftig widersprochen, aber Diskussionen dieser Art um Wirkung und Auswirkung der 'gläsernen Töne', wie sie genannt wurden, trugen nicht gerade zur Etablierung der Harmonika als ständiges Solo- beziehungsweise Orchesterinstrument bei. Trotz beträchtlicher Behandlungserfolge von Mesmer und seinen Schülern, beispielsweise von Wolfart in den Berliner Kriegslazaretten und des französischen Generals La Fayette im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, lehnte auch Franklin, der sich eigens von Mesmers fertigem Harmonikaspiel in Paris überzeugte, seine Lehren ab, während Washington Mesmer brieflich seine Anerkennung mitteilte (H. Hirsch, Mesmerism and Revolutionary American, in: American-German Review 9, Okt. 1943).
Unter den Harmonikaspielern des 19. Jahrhunderts waren die wichtigsten nach dem Tode von Mariane Kirchgeßner Carl Schneider, die Schauspielerin Madame Sophie Friederike Krickeberg (1770-1842), die E. T. A. Hoffmann mit dem Instrument bekannt machten, der Schweizer Komponist und Musikpädagoge Fr. X. Schnyder von Wartensee und der Hofbibliothekar und Kammermusikus Carl Ferdinand Pohl (1781-1869). Gottfried Keller beschreibt in seiner Erinnerung an X. S. von Wartensee (Neue Zürcher Ztg., 23. und 25. Jan. 1869) ein nächtliches Privatkonzert: "nun begann das Spiel mit den geisterhaftesten Tönen, die ich je gehört, bis sie in voller Harmonie zusammenflossen [...]". Auch Paganini ließ sich von Wartensee vorspielen und äußerte bewegt: "Ah, quelle céleste voix! Cela est vraiment pour prier!" (ebd.). Wartensee verbrachte seinen Lebensabend in Frankfurt am Main und spielte öfters die Glasharmonika in den Frankfurter Museumskonzerten.
Die Familie Pohl (Kreibitz/Nordböhmen) stellte Harmonikas von 1785 bis 1945 in fünf Generationen her. Unter ihnen wurde Carl Ferdinand Pohl (1781-1869) der bekannteste, da die Fürstin Luise in Darmstadt selbst Harmonika spielte und den "Kammermusikus Pohl als Harmonicaspieler" in den Jahren 1818 bis 1830 in der Hofkapelle beschäftigen ließ.
Ab etwa 1830 geriet die Glasharmonika mehr und mehr in Vergessenheit, da andere Instrumente mit ähnlicher dynamischer Ausdrucksfähigkeit existierten wie die Physharmonika Anton Haeckls (--> Harmonium; ihr name ist der Glasharmonika entlehnt, um von deren Popularität zu profitieren) und ihre spätere Vervollkommnung, das Harmonium (1842 Patentanmeldung des Pariser Orgelbauers Alexandre-François Debain). Diese neuartigen 'Harmonika'-Instrumente machten den Zusatz Glasharmonika (englisch glass harmonica, französisch harmonica, italienisch armonica) notwendig. Zusammen mit dem aufkommenden Hammerklavier waren diese Instrumente nicht ganz so teuer, weniger zerbrechlich und für eine breite Schicht musikalisch vielseitiger einzusetzen. Der immer gewaltigere Orchesterklang und die Tendenz zu expressiver solistischer Virtuosität verdrängten schließlich die stillere Kammermusik und die Glasharmonika als ein typisches Instrument dieses Genres. Ein großes Problem bestand für die Harmonika auch in den sich ständig und nicht einheitlich wandelnden Orchesterstimmungen, denn ist ein solch kostbares Instrument erst einmal glücklich vollendet, ist es sehr aufwändig, kostspielig und riskant, die Schalen nachträglich noch einmal durch Schleifen abzustimmen, um es an örtliche Stimmungen anzupassen. Daran wird auch Mendelssohn auf seiner intensiven Suche nach einer Harmonika, nebst Spieler, für eines seiner symphonischen Werke gescheitert sein (Brief an den Musiklehrer Helwig vom 1. Januar 1837; GB-Lbm/bl, Add.MS.33965, s. 225ff.), der Lucia aus ähnlichem Grund ohne Harmonika stattfinden musste.
Erst Strauss nahm 1919 für seine Oper Die Frau ohne Schatten große Mühen und Kosten auf sich, um die Glasharmonika in der Schlüsselszene des Werkes im 3. Akt einsetzen zu können. Franz Schalk, der Dirigent der UA, wurde mit der Besorgung der Harmonika beauftragt und schrieb Strauss am 12. Juli 19: "Brief [...] samt Glasharmonika-Photographie ist in meinen Händen [...]. Was soll nun mit dieser Teufelsharmonika geschehen? Hinschicken kann man doch niemanden: d.h. es wird keiner wollen. Nach der Photographie hat die Bestie keine Claviatur - nun könnte man die Stelle aus der Frau O. Sch. ja auch ohne Claviatur herausbringen; das verlangt aber eine wochenlange Einübung. Bitte entscheiden Sie, ob wir das Instrument auf gut Glück bestellen sollen und telegraphieren sogleich [...] an hr. Carl Ferd. Pohl [...]. Einer der Jünglinge in Wien soll sich dann mit der Einübung schinden". Strauss antwortete ihm am 21. Juli 1919: "Bitte die Glasharmonika sofort, auf mein Risiko hin zu bestellen! Schlimmstenfalls bezahle ich sie selbst" (Briefwechsel, hrsg. von G. Brosche, Tutzing 1983).
Carl Ferdinand Pohl (1860-1945), der Urenkel des gleichnamigen Harmonikabauers C. F. Pohl (siehe oben), der bis dahin als letzter Harmonikaspieler die Mozartwerke für Glasharmonika bei den Salzburger Festspielen 1924 interpretieren sollte, fertigte schließlich drei Instrumente an, je eines für die Opernhäuser in Wien, Dresden und München. Ob die Instrumente je in der Frau ohne Schatten eingesetzt worden sind, ist zu bezweifeln, da das Instrument der Uraufführung mit verbogener Achse eintraf und die Instrumente aus Dresden und München noch 1941 zu Pohl nach Kreibitz zur Reparatur geschickt wurden, von wo sie vermutlich nicht mehr zurückkamen.
Wie heute (1995) noch lebende Angehörige der Familie Pohl berichteten, schickte der NSDAP-Vorsitzende der Reichkulturkammer Goebbels noch Schüler zu Carl Ferdinand Pohl, doch starb mit diesem im Flüchtlingslager in Zittau eine Tradition, die unmittelbar bis zur Musik Mozarts zurückreichte, denn der Verbleib seiner Schüler ist bis heute ungewiss.
1956 versuchten Corning Glass und M.i.T./Boston zusammen mit dem Orgelbauer Schlicker und dem berühmten Organisten Edward Power Biggs zum Gedenken an den 250sten Geburtstag Franklins und zum 200sten Geburtstag Mozarts, eine (Tastatur-)Glasharmonika neu zu bauen, da die Museumsinstrumente unspielbar waren. Trotz immenser finanzieller Aufwendungen scheiterte das Projekt, da die Töne zu schlecht ansprachen und auf dem entstandenen Instrument nur kleinere Solostücke zu verwirklichen waren. Erst ab 1983 etwa gelang es wieder für anspruchsvolle Harmonikawerke zu gebrauchende Glasharmonikas herzustellen, und seit der zeitgleichen Gründung der Vereinigung Glass-Music-International (Loveland/Col.) gibt es heute weltweit etwa zehn Harmonikaspieler und etwa 130 Glasmusiker.
Traditionell werden die Schalen aus Kristallglas in Holzformen mundgeblasen. Der früher höhere Bleianteil (für die Herabsetzung des Schmelzpunktes, bessere Optik, etc.) wird heute durch andere Zusätze weitgehend ersetzt. Vergleiche zu erhaltenen Instrumenten in verschiedenen Museen haben gezeigt, dass der Klang des heute verwendeten Glases trotzdem dem der alten Harmonikas entspricht. Der Klang wird eher durch die Wandstärke und Form des Glases beeinflusst. Durch dickere Wandstärken erhält man bei gleichem Durchmesser höhere Frequenzen als bei dünnen Wandungen. Dickwandige Schalen haben im Vergleich zu dünnwandigen mehr Nachhall, Klangkraft und Brillanz, doch sprechen sie gleichzeitig schwerer an und lassen sich nicht mehr engmensuriert montieren. Da man aus einer bestimmten Holzform durch verschiedene Wandstärken der hineingeblasenen Schalen Unterschiede von mehr als zwei Oktaven erhalten kann, muss oft vor dem Stimmen aus 30-100 Schalen pro Ton sorgfältig ausgewählt werden. Durch Schleifen am oberen offenen Rand wird der Ton höher, durch Schleifen am unteren Boden beziehungsweise Halsansatz tiefer.
Zwischen dem Glas und der eisernen Spindel wurde ein Zapfen aus Kork exakt so in den Halsansatz eingepasst, dass die jeweilige Schale fest auf der Achse sitzt und zentrisch rotiert. Zur Kennzeichnung der verschiedenen Töne hat Franklin die den weißen Klaviertasten entsprechenden Schalen in sieben Prismenfarben und die Zwischentöne weiß einfärben lassen. Später wurde durch Röllig und Schmittbaur die Kennzeichnung der den schwarzen Klaviertasten entsprechenden Schalen mit einem eingebrannten Goldrand üblich. Der Tonumfang wurde manchmal auf fünf Oktaven erweitert, doch der klanglich und spieltechnisch günstigste Bereich liegt zwischen f und f´´´, für schnelle Passagen eher c´-f´´´.
Um die gewünschte Stimmung der Schalen im montierten Zustand zu erreichen, ist besonders die geplante Mensur zu berücksichtigen. In Die Frau ohne Schatten sind zum Beispiel achtstimmige Akkorde zu spielen, welche die Erreichbarkeit einer Oktave mit einer Hand in der Mittellage bedingen. Der Abstand von Schalenrand zu Schalenrand beträgt dann nur noch 1,5-1,6 cm. Durch den äußerst geringen Raum zwischen den Schalen dämpfen sie sich gegenseitig ab, was die Nachhallzeit der montierten Schalen auf ein musikalisch sinnvolles Maß reduziert. Gleichzeitig vermindert sich die Frequenz jedes Tones im Vergleich zur Frequenz vor der Montage. Im Baß beispielsweise senkt sich die Frequenz der Schalen nach der Montage aller Töne bis zu einem Viertelton. Beim Schleifen/Stimmen muss man diesen Effekt berücksichtigen und meist die Harmonika nach vollständiger Montage noch einmal zur Feinstimmung zerlegen und die noch abweichenden Schalen nachschleifen. Dies wurde bei anfallenden Reparaturen der heutigen Museumsinstrumente wohl selten berücksichtigt, so dass die meisten alten Harmonikas heute eine unsaubere Stimmung aufweisen. Die Museumsinstrumente sollten gespielt werden, da Glas eine weit unter ihrem Schmelzpunkt erkaltete Flüssigkeit ist und sich die Schalen somit im Laufe der Zeit verformen beziehungsweise das Glas im Lauf der Zeit der Schwerkraft folgend nach unten sackt und sich Wandstärke und Stimmung der Glasschalen auf diese Weise verändern.
Die oft kunstvoll geschnitzten Gehäuse sind reine Halterung der Achse und Dekoration, da sich durch etwaige Resonanzräume nur eine kaum wahrnehmbare Verstärkung bewirken lässt. Ebenso unmöglich ist es, wie oft fälschlich angenommen wurde und wird, die Glasschalen durch eine Art Wasserbecken rotieren zu lassen, da durch geringfügiges Eintauchen in Wasser die Frequenzen sich bei allen Tönen unregelmäßig verändern und die Schalen kaum noch ansprechen. Die Auskleidungen der Gehäuse von innen mit verschiedenen Metallen sind eher auf die Intentionen zurückzuführen, die wertvollen Hölzer dauerhaft vor den von Fingern und Gläsern beim Spiel herunterfallenden Tropfen zu schützen.
Erhaltene Instrumente finden sich in den großen Musikinstrumentensammlungen von Berlin, Eisenach, Halle, Zittau, Leipzig, Moritzburg, Hof, Bamberg, Nürnberg, München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Salzburg, Wien, Rom, Zürich, Basel, Brüssel, Den Haag, London, Kopenhagen, Stockholm, New York, Boston, Princeton und Pittsburg.
Durch Anbringung einer Tastatur, mit der zum Beispiel befeuchtete Lederpolster gegen die rotierenden Glasschalen gedrückt wurden, erhoffte man sich eine einfachere Handhabung, wie Pohl zusammenfassend beschreibt: "In Schillings Universal-Lexikon gibt Forkel die Erfindung des Abtes Mazzuchi aus dem Jahre 1779 an, bei welcher die Glasglocken mit einem Violinbogen gespielt werden [...]. Hessel, ein deutscher Mechaniker in Petersburg, erfand 1785 eine von ihm benannte Klavierharmonika, in der drei Schichten Glocken nebeneinander angebracht waren. Für die gleiche Bauweise entschied sich 1798 der preßburger Musikprofessor und Komponist Heinrich Klein, der auch ein Schüler Kirnbergers war. 1786 versah Röllig eine einachsige Harmonika - nach fränklinscher Bauweise - mit einer Tastatur in der Art, dass man sie auch ohne spielen konnte [Abb. 6]. Er bereiste für seine Versuche die meisten Glashütten in Ungarn, Böhmen und Deutschland, so dass er häufig als der eigentliche Erfinder genannt wird. Vor Röllig hatte 1784 der Hoforganist D. F. Nicolai in Görlitz eine Tastaturharmonika gefertigt und 1797/98 verfasste der Mathematikprofessor Franz Konrad Bartl aus Olmütz eine ausführliche 'Abhandlung von der Tastenharmonika'. Technische Hilfsmitel, Klaviaturen mit unterschiedlichen Mechaniken und Zusätze im Wasser ließen das Eigenthümliche des Tones, den seelenvollen, ätherischen Klang, wenn nicht unmittelbar mit den Fingern aus dem Glase hervorgezogen, gänzlich verloren gehen" (1862, s. 15). Technische Hilfsmittel dieser Art und auch Zusätze im Wasser erzeugen eine unangenehm näselnde Klangfarbe, die auch Johann Christian Müller bereits 1788 in seiner Anleitung zum Selbstunterricht (s. 45f.) bemängelt und hinzufügt: "Man hat an verschiedenen Orten [...] angefangen, der Harmonika eine Klaviatur zu geben. [...] Dadurch wird der hohe Preis einer Harmonika nicht vermindert, sondern vielmehr erhöhet".
In den Jahren 1789 bis 1800 erfand der Physiker E. Fl. Fr. Chladni auf der Grundlage seiner akustischen Forschungen unter anderem über längs- und transversalschwingende Saiten und Klangstäbe das Euphon und den Clavicylinder. Konstruktionsprinzip beider Instrumente ist ähnlich dem von Vibraphonplatten, in deren Mitte jeweils ein massiver Glasstab in ein entsprechendes Loch eingeklebt wurde. Reibt man einen Stab mit feuchten Fingern auf und ab, entsteht ein orgelähnlicher, voller Ton. Beim Euphon ist zu diesem Zweck für jeden Ton jeweils ein Glasstab mit einer abgestimmten Metallplatte verbunden. Die Glasstäbe ragen aus dem Gehäuse hervor und liegen wie bei einer Klaviatur vor dem Spieler nebeneinander, welche dann vor- und zurückgerieben werden. Der Clavicylinder verfügt über eine Cembalotastatur, wobei jeder Tastenhebel nach hinten verlängert ist und sich auf diesem hinteren Ende jeweils eine schmale abgestimmte und an ihren Knotenpunkten befestigte Klangplatte befindet. Jede Klangplatte ist an einem Ende mit einem kleinen Stück Filz beklebt, und bei Tastenniederdruck wird sie an eine über allen Platten befindliche, durch Fußantrieb in Rotation versetzte und vorher befeuchtete Glaswalze gedrückt, wodurch sie in Schwingung gerät. Besonders das Euphon zeichnet sich durch extrem leichte Ansprache in allen Tonlagen aus. Der mögliche Tonumfang beider Instrumente reicht bis in die Subkontraoktave und ist im Diskant etwa auf f´´´ begrenzt. Chladni führte beide Instrumente auf seinen Vortragsreisen mit großem Erfolg vor, doch urteilten E. T. A. Hoffmann und andere Zeitzeugen, dass das Euphon von geringerer Lautstärke sei als die Harmonika. Der Clavicylinder war klangstärker, wurde jedoch ganz einfach zu spät erfunden, um sich noch gegen das Hammerklavier durchzusetzen. Er teilte so das Schicksal der Unmenge an aufkommenden Friktionsinstrumenten, deren Entwicklung Chladni mit seinen Arbeiten ausgelöst hatte. (Vgl. E. Fl. Fr. Chladni, Beyträge zur praktischen Akustik und zur Lehre vom Instrumentenbau, s. 31: Zweyter Theil, Ueber den Bau des Clavicylinders, s. 131: Dritter Theil, Ueber den Bau des Euphon's, Lpz. 1821.)
Auch die "Neue Harmonika" von Christian Friedrich Quandt, ein Instrument aus gläsernen Stimmgabeln, die an dem einen abgeknickten Schenkel durch Reibung in Längsrichtung zum Klingen gebracht wurden, geriet bald wieder in Vergessenheit (Beschreibung und Abb. in: Journal des Luxus und der Moden 1791).
Eine noch nicht exakt datierbare Kombination aus Musical glasses und Harmonika wird von Frederik Willis in a Book of London Yesterdays (Nachdr. L. 1960) beschrieben: Auf drehenden kleinen Tellern waren Gläser montiert, die nur noch mit befeuchteten Fingerspitzen berührt werden mussten.
Ab 1929 stellte der Stuttgarter Bruno Hoffmann (1913-1991) zur Wiedergabe der Harmonikaliteratur ein Glasspiel zusammen, dessen Aufbau den Musical glasses entsprach und auch genauso gehandhabt wurde (s. br. Hoffmann, in: MGG). Er gab diesem Instrument später den Namen "Glasharfe" ((engl. glass harp, frz. harpe de verre, ital. arpa di vetro), faszinierte in seiner 60jährigen Konzerttätigkeit ein weltweites Publikum mit dem besonderen Klang des Glases, trug viele Originalwerke durch intensive Forschungsarbeit zusammen und initiierte zahlreiche zeitgenössische Kompositionen. Hoffmann erreichte nicht zuletzt durch seine zahllosen Vorführungen in Schulen eine gewisse Allgemeinbekanntheit des Begriffes Glasharfe, wodurch heute noch selbst in Fachkreisen die (Glas-)Harmonika oft fälschlicherweise als Glasharfe bezeichnet wird.
Die Brüder Bernard und François Baschet entwickelten in Paris circa 1955 ihre Metallskulpturen aus Blechen und Eisenstäben, an denen sie teilweise Glasstäbe befestigten, zu einem Musikinstrument weiter, dem Crystal, das im Wesentlichen der Klangerzeugung von Chladnis Euphon entspricht, jedoch durch großflächige Blechresonatoren größere Amplituden und Nachhallzeiten aufweist.
Seit 1981 baut der amerikanische Glasbläser Gerhard Finkenbeiner (Boston/Mass.) wieder Harmonikas. Er verwendet Quarzglas, das leicht bis in die viergestrichene Oktave reicht und in den hohen Tonlagen schnell anspricht, jedoch im Bass bis f herunter in der erforderlichen Größe problematisch und sehr kostenaufwendig herzustellen ist. Finkenbeiner erhält seine Schalen, indem er Quarzrohre an einer Glasbläserdrehbank erhitzt und manuell in die gewünschte Form bringt, was eine große handwerkliche Geschicklichkeit verlangt, um auf diese Weise einen komplett ineinander passenden Schalensatz für ein Instrument zu erhalten.
1983 erfand der Glasmusiker Sascha Reckert [1](München) das (Röhren-)Verrophon (Abb. 7). Senkrecht in einem Holzkorpus stehende Glasröhren werden an ihren oberen offenen Rändern genauso gespielt wie die Musical glasses, jedoch nimmt nicht der Durchmesser, sondern nur die Länge zum Bass hin zu. Dadurch sind je nach Lage selbst sechs- bis achtstimmige Akkorde greifbar. Die gesamte Literatur für Harmonika ist auf dem (Röhren-)Verrophon spielbar. Es findet bereits wegen seiner außergewöhnlichen Klangintensität Verwendung im symphonischen Bereich, als Orchester- und Soloinstrument, und in der zeitgenössischen Oper. 1986 nahm Reckert schließlich die Tradition der Familie Pohl wieder auf und stellt zusammen mit der Glashütte Eisch (Frauenau), zur originalgetreuen Wiedergabe der Mozartwerke und der Opernliteratur, wieder Harmonikas aus mundgeblasenem Kristallglas her (Abb. 8). 1992 verwirklichte Reckert bei den Salzburger Festspielen die Erstaufführung des vollständigen Glasharmonikaparts in Die Frau ohne Schatten, mit dem von Strauss original vorgesehenen Instrument.
1. Abhandlungen und Lehrwerke a. Ford, Instructions for Playing on the Musical glasses, L. public Advertiser 1761 <> Art. Verres, musique des, in: Encyclopédie, hrsg. von D. Diderot/J. L. d'Alembert, Bd. 17, p. 1765 <> K. L. Röllig, Über die Harmonika. Ein Fragment, Bln. 1787 <> Joh. Chr. Müller, Anleitung zum Selbstunterricht auf der Harmonika, Lpz. 1788 <> Fr. K. Bartl, Abhandlung von der Tastenharmonika, brünn 1798 <> G. von Graubenfeld, Aesthetische Gedanken über Bartl's Tastenharmonika, Wien 1798 <> J. E. Franklin, Introduction to the Knowledge of the Seraphim or Musical glasses, L. 1813 <> D. Ironmanger, Instructions for the Double and Single Harmonicon Glasses, L. 1825, Nachdr. L. 1840 <> F. H. Smith, Instructions for the Grand-Harmonicon, Baltimore 1829 <> J. Smith, a Tutor for the Musical glasses, Edinburgh 1829 <> J. Sparks, The Works of Benjamin Franklin, Boston 1838 <> C. F. Pohl, Zur Gesch. der Glasharmonika, Wien 1862 <> Tabelle für Verrophon mit einigen Unterhaltungsstücken, aus einem Katalog böhmischer Musikalienhändler (u.a.), ca. 1870 (enthalten im so genannten Zimmermann-Katalog; Orig. im Stadtmuseum München).
2. Kompositionen für Glasharmonika (Auswahl; nach Komponisten in alphabetischer Reihenfolge geordnet)
a. Solowerke Ph. J. Frick, Balletto <> V. V. Mašek, 11 Stücke und 7 Variationen (ca. 1790-1800) <> W. a. Mozart, Adagio C, KV 617a = 356, komp. im ersten Halbjahr 1791 <> Joh. Chr. Müller, verschiedene Stücke, in: Anleitung zum Selbstunterricht auf der Harmonika, Lpz. 1788 <> Joh. G. Naumann, Six Sonates pour l'harmonica qui peuvent servir aussi pour le piano forte, 2 Tle. (insgesamt 12 Sonaten), Dresden 1786, 1792; hrsg. von H. Eppstein, Stockholm 1950 <> Joh. Fr. Reichardt, Grazioso (ca. 1786) <> K. L. Röllig, verschiedene Stücke, in: Kleine Tonstücke für die Harmonika oder das Pianoforte nebst einigen Liedern für das letztere, Lpz. 1789 <> J. Schlett, 2 Sonaten, Mn. 1804 <> J. a. Schmittbaur, Cinque Préludes et un rondo pour l'armonica ou pianoforte, Wien 1803 <> Joh. a. p. Schulz, Largo für die Harmonika, in: AmZ 1799/1800 <> Joh. W. Tomášek, Fantasie für die Harmonica am Grabe der um dieses Instrument so sehr verdienten Demoiselle Kirchgessner, Beilage zur AmZ vom 8. März 1809.
b. Kammermusik G. b. Flaschner, Abendlied und An ein Vergissmeinnicht für Glasharmonika, St. <> p. L. Mašek, Benedictus für Glasharmonika, St., Str. Divertissement für Glasharmonika, Hf., hr. <> W. a. Mozart, Adagio und Rondo für Glasharmonika, Fl., Ob., Va., Vc. (KV 617), Wien 23. Mai 1791; Fragment eines Adagio (Fantasia) C (KV Anh. 92) für dies. Besetzung, Wien 1791 (vermutl. die erste Skizze des Adagio KV 617) <> Joh. G. Naumann, Duo für Glasharmonika und Laute (nach einer Arie aus Naumanns Oper Cora für Gustav III.), D-b (1779); Quartett C (Andante-Grazioso) für Glasharmonika, Fl., Va.,Vc. (1789) <> Joh. Fr. Reichardt, Rondeau b für Glasharmonika, Streichquintett <> Fr. X. Schnyder von Wartensee, Duett für die Harmonika und das Pianoforte (Der durch Musik überwundene Wütherich - Allegro furioso - Andante) für Harmonika und Kl. oder StrQu. und Kl., Ffm. ca. 1825.
c. Ochesterwerke H. Berlioz, Glasharmonika-Part im Autograph des Satzes Fantaisie sur la Tempête de Shakespeare aus Lélio ou Le Retour à la vie (1831/32) <> Joh. a. Hasse, Kantate L'Armonica für Glasharmonika, s, Ob., hr., Str., 1769 Schönbrunn <> a. Reicha, Grand solo pour harmonica et l'orchestre, Wien 1806; Abschied der Johanna d´Arc, Melodram nach Schiller für Glasharmonika, Sprecherin, Orch., 12. März 1806, F-Pc, 12045 <> K. L. Röllig, 6 Konzerte für Glasharmonika, hr., Holzbläser, Str. bzw. für Glasharmonika, Str., ca. 1790, a-Wn <> C. Saint-Saëns, Le Carnaval des animaux (1922), Glasharmonika in Nr. 7 (Aquarium) und Nr. 14 (Finale) <> C. M. von Weber, Adagio e Rondo F für Glasharmonika, Orch. (in Originalpartitur und Briefen ausdrücklich für Glasharmonika bestimmt; letzte Fassung für Harmonichord/Harmonium, 1811, J 115).
d. Oper/bühnenmusik D. a. von Appel, Part in Il trionfo della musica für Glasharmonika, Hf., St. (1808) <> L. van Beethoven, Melodram für Sprechst., Glasharmonika, Nr. 3 aus bühnenmusik zu Fr. Dunckers Drama Leonore Prohaska WoO 96, 1815 <> F. Busoni, Glasharmonika-Part in Fragment der Oper Doktor Faust, 1925 Dresden <> P. I. Èaikovskij, Glasharmonika-Part in der ursprünglichen Orchestrierung des Feenballetts Der Nußknacker (1892 St. Petersburg) <> St. i. Davïdov, Glasharmonika-Part in der Oper Rusalka, 1803 St. Petersburg <> G. Donizetti, Glasharmonika-Part (Wahnsinnsszene) in der Oper Lucia di Lammermoor, 1835 Neapel <> M. I. Glinka, Glasharmonika-Part in der Oper Ruslan und Ljudmila, 1842 St. Petersburg <> Fr. Grillparzer, Glasharmonika-Klänge (wahrscheinlich von Friedrich Ludwig? Seidel) in dem Trauerspiel Die Ahnfrau, 1817 Wien <> Joh. Fr. Reichardt, Der Tod des Herkules Tod (1801) für Glasharmonika, Sprecher; Scena dell' opera Didone abbandonata für Glasharmonika, s, Fl., Ob., Fg., hr., Streichquintett (ca. 1779; UA 1784)<> K. L. Röllig, Scena und Aria "Io consorte d'Augusto" für Glasharmonika, s, 2 Fl. oder 2 Ob. <> Giov. Sartie, Scena dell'opera Didone abbandonata (1762 Kphn.): "Io tradir l'idol mio" für Glasharmonika, s, Fl., Ob., hr., Str. <> Joh. a. p. Schulz, Glasharmonika-Zwischenspiele in Minona oder Die Angelsachsen, Tragisches Melodram in 4 Aufzügen, 1786 Hbg. <> C. D. Stegmann, Silphen Gesang mit Glasharmonika, 4 Frauenst. aus der Feenoper Der Triumph der Liebe oder Das kühne Abentheuer (1796 Hbg.) <> R. Strauss, Glasharmonika-Part in Die Frau ohne Schatten, 3. Akt, 1919 Wien.
e. Werke für Musical glasses/Verrophon/Glasharfe J. Duda, Quartett für Verrophon, Fl., Va., Vc.; Duo für Verrophon und Hf. oder 2 Verrophone (1995); Konzertstück für 2Verrophone und Orch. (1995) <> H. Genzmer, Variationen über ein altes Volkslied für Glasharfe, Fl., Va., Vc. (1946); Adagio und Allegro Moderato (Solo; 1983) <> H. W. Henze, Glasstimme in Voices (1973) für 2 Singst. und Instrumentalgruppe <> L. Nono, Glasklänge in Prometeo, 1984 <> C. Orff, Gläsertöne in Astutuli (1953 Mn.), Oedipus der Tyrann (1959 Stg.), Ludus de nato infante mirificus (1960 Stg.), Prometheus (1966 Stg.) <> F. Schnaubelt, verschiedene Glas-Soli, Elegie und Caprice in der Mozart-Quintett-Besetzung von KV 617 (1994); Concertino für Glasinstrumente und Orch. (1960) <> G. Stäbler, Bittersüß - Bagatelle für Git., Glasspiel (1994) <> siehe Stockhausen, Musik für ein Glashaus (1994) <> B. A. Zimmermann, Glas-Part im Cellokonzert, 1965/66 <> W. Zimmermann, Erde-Wasser-Luft-Töne für Glasspiel, Pos., Kl.; Selbstvergessen, für s, Glasspiel, Fl., Git.; Glaspart in Hyperion. Eine Briefoper (1989/90).
f. \'Erwähnte, bislang verschollene Werke' (Auswahl; weitere Werke s. br. Hoffmann, in: MGG) L. Cherubini, Sonaten-Solo <> Chr. W. Gluck, Komposition für Musical glasses <> J. A. Gürrlich, Concertino <> A. Gyrowetz, Symphonie für Glasharmonika und Orch. <> J. Kucharž, Stücke für Glasharmonika und Mandoline <> V. V. Mašek, Soli und Kammermusik mit Glasharmonika, Orchesterstücke <> A. J. Mertlick, Grosses Konzert für die Harmonica in G, und Variationen für die Harmonika in Es mit Quartett-Begleitung <> Joh. G. Naumann, Quartette <> I. Pleyel, Symphonie für Glasharmonika und Orch. <> A. Reicha, Fantasien für Mariane Kirchgeßner (Solo) und mit Orch. <> A. Rubinstein, Part in Der Dämon, 1875 St. Petersburg <> J. Salomon, Sonata-Solo <> C. Schneider, Andante mit Variationen-Solo <> B. A. Weber, Monolog aus der Jungfrau von Orléans (1801) für Glasharmonika, Sprecherin, 2 hr., Vc., b. <> P. Wranitzky, Soli.
Vorläufer der Glasharmonika
Auf S. 488 der Deliciae wird über ein erstaunliches Experiment berichtet, welches an Gaffurius erinnert und auf die Bedeutung der nur fünf gefüllten Gläser bei Kircher einen Hinweis geben könnte: Die unterschiedlichen Klänge von vier mit Weinbrand, Wasser, Wein beziehungsweise Salzwasser oder Öl gefüllten Gläser sollten Harsdörfer zufolge sogar die 'Dicke des Blutes' und andere Krankheiten beeinflussen oder kurieren können. Die erwähnten Flüssigkeiten ändern zwar entgegen der Darstellung den Klang nicht, doch ist es bemerkenswert, dass schon in diesen frühen Zeugnissen die besonderen Klangeigenschaften geriebenen Glases und deren vermeintliche physiologische Wirkung thematisiert wurden.
Pockrich war eine sehr vielseitige Persönlichkeit, als er mit über 40 Jahren seine Konzertkarriere begann: Er besaß zeitweilig eine Brauerei, die später Bankrott machte, hatte eine große Gänsezucht, entwickelte - von der damaligen Marine verspottet - unsinkbare 'eiserne' Schiffe, erdachte "wings for human flight", war zweimal erfolglos Kandidat für das Parlament und gab verdienstvollerweise auf seinen Gläsern auch Unterricht. So unterrichtete er auch Anne Ford, die 1761 zusammen mit ihrer Gitarrenschule die Instructions for playing on the Musical Glasses herausgab, wohl das erste Schulwerk für Glasinstrumente (US-CA), da Pockrich 1759 samt seinem Instrument und seiner Noten Opfer eines Feuers in seiner Londoner Herberge geworden war. Am 27. Oktober 1761 spielte sie das erste uns überlieferte Duo für zwei Musical Glasses mit einem Mr. Schumann, einem der vielen Nachahmer von Pockrich.Geschichte der Glasharmonika
Herstellung und Akustik der Glasharmonika
Weiterentwicklungen der Glasharmonika bis Ende des 20. Jahrhunderts
Quellen
Literatur
Weblinks