Geschichte Ungarns
Von der Landnahme zum Königreich
Die Ungarn (Magyaren) wanderten im ersten Drittel des 9. Jahrhunderts vom östlichen Rand des Urals in die Steppen nördlich des Schwarzen Meeres ein. Dort wurden sie 895 von den Petschenegen vertrieben und wanderten nach Pannonien weiter.Unter dem Heerfürsten Árpád (ca. 840–907), seinem Sohn Zoltán (896–949) und dessen Sohn Taksony (931–972) tätigten sie Raubzüge quer durch Europa, teils im Bündnis mit lokalen Fürsten. Byzanz und Deutschland zahlten ihnen zeitweise Tribut. Die treibende Kraft bei den Raubzügen der Ungarn war der 'Harka' Bulcsu, der Mitregent des Heerfürsten. Der Sieg bei Merseburg 933 brachte Deutschland eine Atempause. Erst der Sieg von Kaiser Otto I auf dem Lechfeld 955 (bei dem Bulcsu und Lehel getötet wurden) beendete die Ungarnangriffe.
Taksony, der an der Schlacht nicht teilgenommen hatte, setzte nun auf eine staatliche Festigung seines Landes. Er, sein Sohn Géza (949–997) und sein Enkel Vajk (Stephan, 975–1038) holten deutsche Missionare und Ritter ins Land, ferner Missionare aus Byzanz und bauten eine Verwaltung auf. Mit dem gewachsenen Anhang schalteten sie innere Rivalen (Koppány) aus, so dass sich Vajk 1000/01 als Stephan I zum König krönen lassen konnte.
Das Königreich
Mit der Herrschaft Stephans I. ging die Christianisierung des Landes einher. 1030 wehrte er den Angriff des deutschen Kaisers ab und sicherte so die Existenz seines Staates. Stephan I. wurde später im Jahr 1089 heilig gesprochen. 1102 kam durch Personalunion das Königreich Kroatien zu Ungarn.
Ungarns Innenpolitik wurde in den folgenden Jahrhunderten von dem Kampf zwischen dem König und dem Hochadel bestimmt, der im 13. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreichte. Ungarns Außenpolitik war von weitreichenden Heiratsbündnissen und (nach dem Machtverfall von Byzanz ab 1180) von einer Großmachtpolitik auf dem Balkan bestimmt.
Im Jahr 1241 verwüsteten die Mongolen das Land, so dass König Béla IV. (1235–1270) wieder viele deutsche Einwanderer ins entvölkerte Land holen musste, die hauptsächlich in Siebenbürgen und in der heutigen Slowakei angesiedelt wurden (siehe Siebenbürger Sachsen). Ende des Mittelalters blühte Ungarn unter Königen wie Matthias Corvinus (1458–1490) auf, bis es 1526 nach der Niederlage bei Mohács von den Osmanen unter Sultan Süleyman dem Prächtigen erobert wurde.
Türkenkriege – Ungarn dreigeteilt
Nachdem König Ludwig II in der Schlacht von Mohács gefallen war, fiel der ungarische Thron entsprechend vorherigen Vereinbarungen an die Habsburger. Fürst Johann Zápolya widersetzte sich diesen und trennte das Fürstentum Siebenbürgen in einem Bürgerkrieg (1527–1538) von Ungarn ab, allerdings um den Preis türkischer Oberherrschaft. Parallel dazu wurden mittelungarische Gebiete (heutiges Ungarn) 1526–1541 direkt von den Türken besetzt und 1541 zu einer Provinz des Osmanischen Reichs erklärt (1541 wurde Buda/Ofen erobert).
Nach Zápolyas Tod im Jahre 1540 und der Besetzung von Buda im Jahre 1541 zerfiel Ungarn definitiv in drei Teile. Die königlichen Gebiete (die heutige Slowakei, Teile des heutigen Nordwest- und Nordostungarns, das Burgenland und West-Kroatien) wurden unter der Bezeichnung "Königliches Ungarn" zu einer Provinz der Habsburger in Wien, die fortan mit den Türken um den Besitz des Landes kämpfen mussten. Formal wurden aber die Habsburger weiterhin als ungarische Könige gekrönt. Hauptstadt des Königlichen Ungarns wurde Pressburg (ungarisch Pozsony, heute Bratislava). Siebenbürgen blieb ein türkicher Vasallenstaat und der Rest eine Provinz des Osmanischen Reichs.
Nach langen Kämpfen gegen die Türken brachte die Schlacht vom Kahlenberg bei Wien 1683 die Entscheidung, und nach 145 Jahren türkischer Besetzung Ungarns fiel Buda im Jahre 1686. Die Ungarn missbilligten aber die harte Herrschaft der Habsburger, so dass es 1703–1711 zum Kuruzenaufstand unter Fürst Rákóczi kam.
Siehe auch: Die Slowakei in der frühen Neuzeit (1526 - 1711)
Die Donaumonarchie
Nach der blutigen Niederschlagung des ungarischen Freiheitskampfes gegen die Habsburger von 1848/49 kam es 1867 unter Kaiser Franz Joseph I zum Ausgleich der Habsburger mit Ungarn, um dem Vielvölkerstaat in der modernen Zeit eine größere innere Festigkeit zu verleihen.
Dies vollzog sich unter der Mitwirkung des ungarischen Anwalts Ferenc Deák ("Der Weise der Heimat"). Ungarn war nun also bis 1918 zweiter Hauptbestandteil der k.u.k.-Monarchie.
Zwischenkriegszeit
1918 wurde Ungarn als eigenständiger Staat wiedererrichtet, zunächst als demokratische Republik unter Mihály Károlyi. Nach dem viermonatigen Intermezzo der Räterepublik im Jahre 1919 unter Béla Kun wandelte sich Ungarn zu einem autoritär geführten, konservativen Staat, der zudem 1920 durch den Friedensvertrag von Trianon zwei Drittel seines Staatsgebietes verlor. Nominell war Ungarn immer noch ein Königreich, das von Miklós Horthy als Reichsverweser regiert wurde. Aufgrund wirtschaftlicher Krisen und geschickter revisionistischer Propaganda näherte sich Ungarn immer mehr der nationalsozialistischen Führung Deutschlands an. Dies resultierte in der Beteiligung des Landes am Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Achsenmächte, die nach dem Sturz Horthys 1944 unter der faschistischen Bewegung der Pfeilkreuzler von Ferenc Szálasi fortgesetzt wurde. Für Ungarn enden die Kampfhandlungen mit dem Einmarsch der Roten Armee am 4. April 1945.
Kommunismus
Zunächst sahen die Alliierten nach dem Krieg für Ungarn eine demokratische Verfassung vor. Als aber am 15. November 1945 die Kommunisten eine empfindliche Niederlage erleiden mussten, begannen sie, mit unsauberen Methoden (mit den sog. "Blauen Stimmzetteln" und der "Salamitaktik") nach der Macht zu greifen. Ihren Gipfel fanden diese Vorfälle in der Auflösung der anderen Parteien und einer Ein-Parteien-Wahl, der "Partei der Ungarischen Werktätigen". Am 20. August 1949 wurde eine Verfassung nach sowjetischem Vorbild beschlossen. Von 1948–1953 verfolgte Ungarn unter Mátyás Rákosi einen stalinistischen Kurs.
Nach dem Tod Stalins schloss sich ab Juni 1953 unter Ministerpräsident Imre Nagy eine Periode vorsichtiger Liberalisierung an. Mit der Entmachtung Nagys 1955 durch die weitgehend unverändert gebliebene Parteispitze ging eine Restauration einher. Die politische Lage blieb angespannt.
Schließlich kam es am 23. Oktober 1956 zu einem Volksaufstand, in dessen Verlauf Imre Nagy erneut zum Ministerpräsidenten ernannt wurde.
Der Aufstand wurde jedoch durch die sowjetische Armee blutig niedergeschlagen. Insgesamt fünf sowjetische Divisionen waren zwischen dem 1 und 4. November daran beteiligt; als Besatzungsarmee verblieben etwa 100.000 sowjetische Soldaten in Ungarn. Imre Nagy wurde im Juni 1958 in einem Geheimprozess zum Tode verurteilt und kurz darauf hingerichtet. Bis 1963 wurden ca. 400 Menschen, vorwiegend Arbeiter, als Vergeltung für den Aufstand hingerichtet. Viele Ungarn verließen nach dem gescheiterten Volksaufstand das Land und emigrierten nach Westeuropa und Nordamerika.
Unter János Kádár, Parteichef von 1956–1988, erfolgten ab 1968 erste Wirtschaftsreformen, die auch unter dem Begriff Gulaschkommunismus bekannt wurden.
1987 setzte der friedliche Systemwechsel mit der Bildung erster Oppositionsgruppen ein. In der Partei übernahmen Wirtschaftsreformer die Macht, und Ende 1988 wurde Miklós Németh Ministerpräsident. 1989 wurde Imre Nagy rehabilitiert und am 23. Oktober die dritte ungarische Republik ausgerufen.
Demokratie und westliche Integration
Im März 1990 wurden freie Wahlen ausgeschrieben, 1991 verließ die sowjetische Armee das Land, die kommunistische Regierung dankte ab, und Ungarn trat aus dem Warschauer Pakt aus. Am 8. Februar 1994 wurde das Land Mitglied in der Partnerschaft für den Frieden, 1999 Mitglied der NATO, am 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union. Bemerkenswert ist, dass es in Ungarn seither bei jeder Parlamentswahl zu einem Sieg der Opposition und somit zu einem Regierungswechsel kam. Die Ministerpräsidenten seit 1990:
- 1990–1994 József Antall, nach dessen Tod im Dezember 1993 Péter Boross
- 1994–1998 Gyula Horn
- 1998–2002 Viktor Orbán
- seit 2002 Péter Medgyessy