Geschichte der Anglikanischen Kirche
Die Geschichte der anglikanischen Kirche beginnt 1489, als Ferdinand von Aragonien, König von Spanien, und Heinrich VII, König von England die Verhandlungen um einen Ehevertrag ihrer Kinder aufnahmen. Katharina, die künftige Braut aus Spanien, war zu diesem Zeitpunkt drei, der Bräutigam Arthur zwei Jahre alt. Katharinas Vater war auf die Unterstützung Englands gegen Frankreich aus; Heinrich Tudor suchte die Anerkennung seiner Herrschaft durch die Dynastie in Spanien. Die Aushandlung des Vertrages zog sich bis 1496 hin.Als Arthur 14 wird, Ende August 1501, reist Katharina von Aragon nach England, mit Hofstaat und 100.000 Gulden, einer Anzahlung ihrer Mitgift, nach England. Am 14. November werden die beiden getraut, jedoch stirbt Arthur schon fünf Monate später an Schwindsucht. Die Eltern der Eheleute kommen überein, dass Katharina Arthurs jüngeren Bruder Heinrich heiratet. Das Problem: die Kirche verbietet die Ehe zwischen Schwager und Schwägerin. Ferdinand bittet beim Papst Julius II um eine Ausnahme, weil der kränkelnde Arthur Katharina nicht wirklich "zur Frau genommen" hätte. Diese Bitte wird ihm gewährt.
Heinrich VII. kann sich für diese Ehe nicht erwärmen und lässt seinen Sohn Heinrich am 27. Juni 1505, dem Vorabend seines 14. Geburtstages, ausrufen, dass dieser die Witwe nicht zur Frau nehmen wolle. Doch in Wirklichkeit ist Heinrich VIII Katharina zugetan und heiratet sie noch während der Hoftrauer um Heinrich VII. im Februar 1509. Das Paar wird am 24. Juni vom Volk umjubelt gekrönt.
Doch Katharina kann ihrem Mann keinen Thronnachfolger gebären: insgesamt drei Todgeburten gebiert sie, einen Jungen, der alsbald stirbt und Maria, eine gesunde Tochter. Als Heinrich VIII. einsieht, dass er von Katharina keinen Thronfolger mehr erwarten kann, ernennt er den 13jährigen Heinrich, den gemeinsamen Sohn von ihm und seiner Mätresse Mary Boleyn, zum Herzog von Richmond und damit zu seinem Erben.
Doch dann betritt Mary Boleyns jüngere Schwester Anne den Hof. Sie verdreht allen Männern, einschließlich des Königs, den Kopf, ohne jedoch einem ihre Gunst zu erweisen. Sie will, das steht für sie fest, die Königin von England werden.
Heinrich VIII. sieht sich der Wahl zwischen der 20-Jährigen Anne und der kranken 40-Jährigen Katharina gegenüber und wählt die Jüngere. Er meint, dass er mit Katharina eigentlich nicht verheiratet sei (und seit 18 Jahren in Sünde lebe) und die von Julius II. erteilte Eheerlaubnis ungültig sei. Hinter Katharinas Rücken bittet er Papst Klemens VII 1527 um die Annullierung der Ehe. Er wähnt sich siegessicher, weil er dem Papst gegen Frankreich und auch gegen die Ausbreitung der Ideen von Martin Luther geholfen hatte.
Doch der Papst sitzt in der Zwickmühle, denn er müsste etwas für Unrecht erklären, was sein Vorgänger für Recht erklärt hatte, und das wäre nicht gut für die päpstliche Autorität. Außerdem ist er zu dieser Zeit praktisch Gefangener von Karl V, der Katharinas Neffe ist und einen Beschluss gegen seine Tante nicht zulassen würde. Andererseits zahlt Heinrich viel Geld in die päpstlichen Kassen ein. Der Papst spielt auf Zeit.
Sechs Jahre lang streiten sich die Gelehrten und Katharina behauptet ihre Ehre und ihr Recht. Währenddessen wird Heinrich klar, dass er sich entweder von Anne oder vom Papst trennen muss. Er droht den Bischöfen Englands und bekommt die Anerkennung als Oberhaupt der englischen Kirche, mit dem Zusatz "... sobald Christi Gesetz es zulässt." Dies ist noch nicht die Trennung.
Im April 1533 fällt die Entscheidung. Es ergibt sich die Möglichkeit, dass der Erzbischof von Canterbury die Ehe für nichtig erklären kann. Bereits im Januar hatte der König Anne geheiratet und damit in Bigamie gelebt. Anne bringt alsbald ein Kind zur Welt, zur Enttäuschung Heinrichs ein Mädchen.
Der Papst muss handeln: er erklärt das Urteils des Erzbischofs von Canterbury für ungültig, erhält aber nur die Dokumente, in dem die Bischöfe Heinrich als Oberhaupt der englischen Kirche anerkannten, diesmal ohne den einschränkenden Zusatz "... sobald Christi Gesetz es zulässt." Damit ist die Abspaltung vom Papsttum vollzogen.
Katharina von Aragon stirbt am 7. Januar 1536, bezeichnet sich immer noch als Königin von England, wird aber als "Witwe des Prinzen von Wales" beigesetzt; Heinrich VIII. wohnt der Beisetzung nicht bei. Drei Monate später wird Anne geköpft, angeblich habe sie Ehebruch begangen. Tags darauf schließt Heinrich mit Jane Seymour die dritte seiner sechs Ehen. Diese schenkt ihm seinen ersehnten Sohn, Eduard, der jedoch mit 15 Jahren stirbt. Diesen Tod erlebt Heinrich VIII nicht mehr, er stirbt fünf Jahre früher 1547. Die Frauen folgen: Katharinas Tochter Maria, "Bloody Mary", versucht England gewaltsam zur römischen Kirche zurückzuführen. Mit Annas Tochter Elisabeth, der "Virgin Queen", die Englands Großmachtstellung begründet, erlischt die Tudor-Dynastie nach drei Generationen.
Die Church of England (zunächst eine katholische Kirche ohne Papst) blieb bis heute bestehen.
Zu beachten gilt jedoch: Auch wenn die dynastischen Probleme Heinrichs den Anlass für die Spaltung von Rom darstellten, müssen auch andere Aspekte für die Entstehung der Anglikanischen Kirche berücksichtigt werden, die in ihren Ursprung im Mittelalter haben: Bereits im Hochmittelalter wurde gefordert: Ecclesia Anglicana libera sit ("Die Englische Kirche soll frei sein"). Diese Forderung war dann im Spätmittelalter auch in die Tat umgesetzt: Der englische König hatte schon sehr früh sehr viel mehr Freiheiten in der Besetzung der Bistümer als andere Herrscher. Bereits vor der Abspaltung unter Heinrich VIII. war die Kirche von England von allen Ländern Europas die mit den geringsten Verpflichtungen Rom gegenüber. Die dynastischen Probleme radikalisierten so lediglich eine bereits entstehende Entwicklung.