Geistheirat
Unter Geistheirat versteht die Ethnologie und Anthropologie das Eingehen einer ehelichen Beziehung einer verwitweten, kinderlosen Frau mit einem Verwandten ihres verstorbenen Mannes stellvertretend für diesen und in seinem Namen. Eine Geistheirat dient der Erhaltung der Erblinie des verstorbenen Ehemannes über dessen Tod hinaus.Auf diese Weise wird die Patrilinie durch die Heirat mit einem Geist erhalten. Nachkommen, die durch andere gezeugt wurden, werden einer unfruchtbaren Familie zugesprochen. So bleibt die Deszendenzlinie als emische Gruppe erhalten, auch dann wenn deren Mitglieder die dazu notwendige Nachkommenschaft nicht hervorbringen können.
Wie bei der Leviratsheirat und der Gynäogamie sind in einem solchen Arrangement der soziale Vater und der Genitor zwei verschiedene Personen.
Stirbt ein Mann ohne einen legalen (d.h. ehelichen) männlichen Nachkommen, ist seine Verwandtschaft verpflichtet, dass ein Mann seiner Generation oder der Nachfolgegeneration im Namen des Toten eine Frau heiratet (auch dann, wenn der Verstorbene nicht verheiratet war).
Die aus dieser Verbindung hervorgegangenen Kinder werden im Namen des Verstorbenen aufgezogen. Sie erhalten seinen Namen und es wird ihnen über ihren "Vater" berichtet, so dass die Erinnerung an ihn von seinen "Söhnen" weitergetragen wird.
Der biologische Vater (der stellvertretende Ehemann) hat alle Rechte eines Ehemanns gegenüber der Frau und die Autorität über die Kinder.
Evans-Pritchard (siehe Literatur) postuliert, dass bei den Nuern Geistheiraten ebenso häufig eingegangen werden, wie konventionelle Heiraten. Viele Männer und männliche Jugendliche sterben bereits vor ihrer Eheschließung oder ohne legitime männliche Nachkommenschaft.
Die Nuer kennen auch Geistheiraten mit Frauen (stellvertretend für eine andere Frau). Diese kommen aber sehr selten vor und nur dann, wenn geglaubt wird, dass der Geist einer Verstorbenen keine Ruhe findet (beispielsweise, wenn unerklärliche Krankheiten auftreten).
Kulturen mit Geistheirat
Nuer (Ostafrika)
Literatur